Kapitel 17

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,,Ich mache es," erwiedert Lukas entschlossen, den Blick starr nach vorne gerichtet. Ich schaue ihn geschockt an und schreie schon fast hysterisch: ,,Was? Nein, das kannst du nicht machen!" Auch Lucy scheint, das nicht ganz recht zu sein, denn auch sie protestiert wiederwillig. Doch Lukas zeigt keine Reaktion auf unsere Versuche, sondern geht einen Schritt auf den Mann zu und streckt ihm die Hand hin. Lucy und ich schreien ihn im Chor an, aber die Worte prallen einfach an ihm ab. Der alte Mann schlägt grinsend in Lukas Hand ein und im nächsten Augenblick ist er auch schon, in einer schwarzen Wolke verschwunden. ,,Spinnst du?" will ich empört von ihm wissen. Sein Gesicht bleibt hart, doch in seinen Augen spiegelt sich die Trauer und Verzweiflung wieder. Und mir wird klar, dass es für ihn keine andere Wahl gibt. Er würde alles tun um Lucy zu beschützen und so sehr ich es mir auch wünsche, er wird seine Entscheidung nicht ändern. Ein paar Sekunden lang steht die Zeit um uns herum still. Das strahlende Grün in seinen Augen, zieht mich in seine Tiefen und lässt mich für einen Moment alle meine Gedanken vergessen. Doch dann unterbricht er plötzlich den Blickkontakt und heftet den Blick auf seine Füße. Sein Mund öffnet sich, so als ob er die richtigen Worte zu finden versucht, doch es kommt kein Ton heraus. ,,Es tut mir leid," flüstert er schließlich kaum hörbar und schlägt den Weg in Richtung Zeltplatz ein. Mein Blick wandert von Lukas' breitem Rücken hinüber zu Lucy, deren Augen gefährlich stark glänzen. Wortlos nehme ich sie in den Arm, woraufhin sie laut aufschluchzt. ,,Ich will nicht, dass er sowas nur wegen mir auf sich nimmt," nuschelt sie schniefend gegen meine Brust. Ich streiche ihr beruhigend über die Haare und muss mich beherrschen nicht auch loszuheulen, als ich erwiedere: ,,Weißt du, er liebt dich wirklich sehr und ich denke Niemand könnte ihn jetzt noch davon abhalten." Meine Stimme wird zum Ende hin immer brüchiger und leiser, bishin zu einem flüstern. Eine kleine Träne schafft es doch sich ihren Weg über meine Wange zu bahnen. Lucy gibt keine Antwort von sich, stattdessen drückt sie sich noch fester an mich und schnieft weiter in meine Jacke, während ich sie langsam hin und her wiege. Als ihr Schluchzen nachlässt, löst sie sich vorsichtig von mir und blickt in meine Augen. Ihre braunen verheulten Augen blicken mich liebevoll an, fast so wie eine Mutter ihr Kind. Plötzlich bildet sich ein trauriges Lächeln auf ihrem Gesicht. ,,Wir werden es schaffen. Zusammen," redet sie mir aufmunternd zu und streicht mir mit dem Daumen, die einsame Träne von der Wange.

Zurück am Zelt, beginnt Lukas sofort mit dem packen. Er meinte er wolle gleich morgen Früh los. Wenn ich daran denke, dass er ab morgen nicht mehr da sein wird, versetzt es mir einen Stich ins Herz. Er wird einer von Magnus Leuten werden und muss mich genauso jagen wie die Anderen auch. Aber ich werde nicht gegen ihn ankämpfen. Ich kann es nicht. Auch wenn er ab dem nächsten Tag mein feind sein wird, stehe ich weiterhin auf seiner Seite. Auch wenn er mir schmerzen zu fügen muss, ich werde sie ertragen, nur um bei ihm zu sein.

Wie jeden Abend sitzen wir zusammen um das Lagerfeuer und starren vor uns hin. Doch dieses mal ist es anders, die Stimmung ist drückend und deprimiert. Keiner sagt ein Wort, doch worüber wir uns im Moment Gedanken machen, ist wohl jedem klar. Es ist der letzte Abend, den wir so zusammen verbringen werden und das scheint wohl uns allen die Stimmung zu verderben. Zum ersten mal, seit dem wir hier sitzen, wende ich meinen Blick vom Feuer ab und lasse ihn hinauf in die Sterne wandern. Doch es zeigt sich kein einziger Stern am Himmel. Es ist passend zu der Stimmung bewölkt und stockdunkel. Mein Blick gleitet wieder nach unten zu Lukas, der die schlafende Lucy in seinen Armen wiegt. Liebevoll blickt er auf seine kleine Schwester herab und drückt ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. Ein kleines Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht, als ich ihn dabei beobachte. Als er seinen Blick von ihr abwendet, schaue ich schnell wieder emotionslos ins Feuer, damit er nicht mitbekommt, dass ich wie eine Idiotin vor mich hingrinse. Nach weiteren Minuten des Schweigens, fasse ich schließlich den Mut, ihn darauf anzusprechen, worüber ich mir die ganze Zeit den Kopf zerbreche. ,,Sobald du zu Magnus' Seite gehörst, wirst du mich genauso verfolgen müssen wie er auch," murmel ich traurig vor mich hin. ,,Ich werde dich nicht so behandeln wie er, ich lasse es vielleicht so aussehen, aber ich könnte dich nie verletzen. Irgendwie werden wir es trotzdem verhindern, dass Magnus das Tor öffnet," erklärt er mir entschlossen und hebt am Ende seiner Worte den Blick, um mich anzusehen. Ich schenke ihm ein kleines Lächeln, denn zu Worten bin ich gerade nicht fähig. Er würde mich nicht verletzten, das heißt doch ich bedeute ihm etwas. Mein Herz beginnt bei dieser Vorstellung zu rasen, sodass ich angst bekomme, dass Lukas es hören könnte. Den Rest des Abends sitzen wir still schweigend da und beobachten das ausgehende Feuer. Plötzlich erhebt sich Lukas neben mir und trägt die schlafende Lucy hinüber ins Zelt. Ganz vorsichtig legt er sie in den Schlafsack und deckt sie zu. Mit einem letzten besorgtem Blick stemmt er sich hoch und schlüpft aus dem Zelt. Seufzend lässt er sich neben mich auf den Baumstumpf fallen und stützt die Ellbogen auf die Knie. Bloß das Gefühl seiner nähe lässt mein Herz schneller schlagen und bringt mich völlig aus dem Konzept. ,,Hier," beginnt er plötzlich zu reden und zieht den Ring mit dem Rubin aus seiner Hosentasche, ,,er soll dir gehören. Du wirst ihn mehr gebrauchen können als ich." ,,Aber das ist ein Familienerbstück, dass kannst du doch nicht einfach verschenken," versuche ich ihn davon abzubringen. Wortlos nimmt er meine rechte Hand in seine und legt den Ring in die Handfläche. ,,Du bist auch ein Teil der Familie, schon vergessen," erwiedert er lächelnd und schließt meine Finger um den Ring. Mit einem leisen "danke" lasse ich ihn in meine Tasche gleiten und lege vorsichtig meinen Kopf auf Lukas' Schulter. Ich spüre wie er den Arm um meine Hüfte legt und mich näher zu sich ranzieht. Mein Kopf findet platz an seiner muskulösen Brust und lässt mich seinen gleichmäsigen Herzschlag hören. Ich weiß zwar nicht, wie sich einer dieser magischen Momente, von denen viele verliebte reden, anfühlt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es grade so ein Moment ist. Mit geschlossenen Augen inhaliere ich heimlich seinen guten Duft und wiege mich langsam in den Schlaf hinein.

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