13. Berlin. Nächsten Monat kann ich anfangen.
Ängstlich und gespannt hielten wir inne und horchten nach Pedros Schritten. Bitte, bitte lass ihn nicht in den Jugendraum kommen, betete ich im Stillen und auch die anderen schienen derartige Gedanken zu haben. Als sich jedoch die Geräusche zum Glück entfernten, erwachten wir wieder aus unserer Schockstarre.
'Ich muss so schnell wie möglich hier weg!' dämmerte es mir plötzlich und ich begann, höllisch darauf bedacht, keine Geräusche zu machen, meine Jacke anzuziehen. Ich meine, wenn ich gesehen wurde, würde jeder denken ich hatte einen... Dreier! Ich, das liebste und unschuldigste Mädchen im Umkreis von... ach, in ganz Deutschland, würde aussehen als hätte sie so ziemlich das am wenigsten unschuldige gemacht was es gab! Vielleicht würde ich ab heute ein ganz neues Image haben als, zugegebenermaßen leicht verrücktes, selbstbewusstes, heißes Flittchen! Ok, das letzte Wort war nicht wirklich erstrebenswert. Aber lieber ein heißes Flittchen als ein langweiliges Mauerblümchen, oder etwa nicht? Aber da ich sowieso nie das erste werden könnte erübrigt sich die Entscheidung.
Schließlich hatten wir unser ganzes Zeug gepackt und schlichen, welch ein Wunder, gänzlich unentdeckt um 7Uhr morgens aus dem Stall. Ein Taxi hatten wir auch schon gerufen aber es brauchte noch Zeit und somit standen wir ewig auf dem Parkplatz, lachten über die Nacht und froren was das Zeug hielt. Bis der Traktor um die Ecke kam. Anscheinend wollte Pedro die alte Halle begradigen, jedenfalls kam er um die Ecke gefahren und hielt erstmal an, um an dem alten Traktor etwas herumzuwerkeln (wenn ich ehrlich bin, ich habe keine Ahnung, was er da gemacht hat). Und wir versuchten indessen, uns hinter einer Birke zu verstecken. Was sich zu dritt leider als schier unmöglich erweist. Also rannte ich in einem Augenblick, wo Pedro sich umdrehte, schnell hinter die Hallenecke, wo er mich , wenn er nicht gerade zurück zum Stall laufen wollte, nicht sehen würde. Die anderen beiden machten es mir auch prompt nach und eine Weile hofften wir einfach nur, dass das Taxi und seine Mutter Verspätung hatten. Denn es wäre ja etwas auffällig für Pedro, wenn wir mir nichts dir nichts auftauchen und in ein Taxi steigen.
"Bestimmt kommt deine Mutter genau dann, wenn das Taxi kommt und es fährt ihr sogar noch voraus oder so. Oder gerade wenn wir einsteigen kommt sie hergefahren! Wir sind so was von am Arsch wenn das passiert!"
Immer diese Schwarzmalerei in meinem Kopf, das ist echt nicht auszuhalten! Immer positiv denken heißt es doch...
Und tatsächlich- wir schafften es! Ich weiß nicht mehr genau wie aber irgendwie kam das Taxi genau zum richtigen Zeitpunkt und keiner bekam etwas von unserer Stalleskapade mit. Darf ich vorstellen, die drei Glückspilze des Tages!Die Sache mit Anita und Mike hatte ich die ganze Zeit über erfolgreich verdrängen können denn Mike war so nett und ausgelassen zu uns als wären wir beste Freunde (was wir langsam auch wurden) aber am Abend holte sie mich wieder ein und schlagartig wurde mir bewusst, dass ich wahrscheinlich niemals den Mittelpunkt in seinem Leben darstellen würde.
Ich und Amelie hatten ihn schon öfter beraten, was die verworrenen Texte anging, die Anita ihm manchmal schickte, und jetzt hatte er einen Gruppenchat mit uns dreien eröffnet und schickte uns einen Screenshot nach dem anderen der Art:M: Mein Schatz was ist los du schreibst mir gar nicht:/ :***
A: Nix
M: sicher? du weißt du kannst mir alles sagen :**
A: Boar Schaaaatz glaub mir!!!:****
M: Okay...So und was sollte man dazu jetzt sagen? Dass es etwas seltsam ist wenn Anita, obwohl sie einen Freund hat und nicht mit Mike zusammen ist, diesen Schatz nennt und mit Küsschen-Smileys schreibt? Dass Mike ihr mal nicht so erbärmlich hinterher rennen sollte?
Neiin ich war eine liebe Freundin und würde Anita nicht verpetzen! Jedenfalls noch nicht.. Und Mike zu sagen, dass er hoffnungslos verliebt sei, brachte ihn auch nicht weiter also spielte ich in der kommenden Zeit (er bombardierte uns über Wochen hinweg mit Screenshots) Doktor Sommer und ich und Amelie "therapierten" Mike ein wenig. Allerdings will ich jetzt keinen Zeitsprung von ein paar Wochen machen, denn auch währenddessen entwickelten sich die Dinge weiter.Eines Abends, es war kurz vor Weihnachten, saßen nur ich und Mike im Reiterstüble und beobachteten die anderen beim Reiten.
"Wir zwei sind inzwischen schon die besten zwei Reiter hier geworden, wir dürfen ja auch nicht umsonst die Quadrille beim Weihnachtsreiten anführen." bemerkte er grinsend. Es ging doch nichts über ein bisschen harmlose Lästerei! Aber dann redete er weiter:" Ich habe ja ein Angebot bekommen für eine Bereiterausbildung.." meinte er wie beiläufig. Doch ich blickte ihn erstaunt an. Eigentlich hatte ich mir bisher keine Gedanken gemacht, was er denn mal arbeiten wollte, denn dass er nicht sein Leben lang einen Teilzeitjob machen würde, war ja klar. Aber Bereiter? Die Pferde zum Beruf machen obwohl er erst vor einem halben Jahr wieder angefangen hat zu reiten, erschien mir doch etwas voreilig. Andererseits beschäftigte mich etwas anderes viel mehr."Wo und wann?" fragte ich ohne Umschweife. Doch die Antwort ließ mich erst einmal schlucken.
"In Berlin. Nächsten Monat kann ich anfangen. Das ist ein ganz bekannter Stall da oben und ich weiß, es ist 10 Stunden Autofahrt weg von hier, aber so eine Chance kann ich doch nicht ablehnen..Oder? Außerdem braucht man mit dem Flieger nur eine Stunde und das ist gar nicht so teuer, wie man immer denkt..."Eine Lehre dauerte drei Jahre. Wir, die wir nur "gute Freunde" waren, würden also nach spätestens drei Monaten höchstwahrscheinlich keinen Kontakt mehr miteinander haben. Ich wollte es mir nicht anmerken lassen, aber das würde so ziemlich meinen ganzen Freundeskreis vorerst zerbrechen lassen denn irgendwie drehte sich alles im letzten halben Jahr mehr oder weniger um Mike. Erfolgreich hielt ich meine Stimme unter Kontrolle und gab mir größte Mühe, eine nicht egoistische Freundin für ihn zu sein.
„Also wenn es wirklich das ist, was du machen willst, würde ich mich an deiner Stelle nicht davon abbringen lassen. Andererseits musst du bedenken, dass du da wahrscheinlich nur ausgenutzt wirst, Überstunden machen musst und den halben Tag ausmisten oder so, und am Ende deiner Ausbildung kannst du kaum Geld damit verdienen. Aber ich kann dich verstehen, mich würde sowas auch reizen, und wenn das so ein bekannter Stall ist, hast du auch bessere Chancen später im Beruf."
Dankbar sah mich Mike an. Offenbar brauchte er einen neutralen Rat und ich bereute es keine Sekunde, meine Gefühle außen vor gelassen zu haben."Ich muss in dem Stall nicht ausmisten. Und meine Ausbilderin hat das goldene Reitabzeichen, also die kann was, dazu braucht man schließlich 10 S-Siege! Und Berlin ist auch toll... Aber ich will hier eigentlich nicht weg! Und was ist mit Anita? Ich hab's ihr schon erzählt und sie meinte, ich soll gehen, und dass wir das hinkriegen ohne den Kontakt abzubrechen, aber über drei Jahre!? Klar ich hab auch Urlaub und dann komm ich einfach immer aber ach ich hab keine Ahnung! Die ist eh in letzter Zeit immer so komisch, mal tut sie als seien wir fast zusammen, und mal schreibt sie mir nicht mal 'Hi' und zickt mich wegen jedem Scheiß an. Ich weiß echt langsam nicht mehr, ob ich da noch Bock drauf hab."
Und weiter ging es mit der Therapiestunde. Anita meint es nicht so, sie ist einfach noch zu jung, um zu wissen, was sie will und so weiter, und so fort. Es ist nicht so, dass ich meine eigenen Phrasen nicht glaubte, aber ich hatte sie ihm schon so oft heruntergebetet, dass mir langsam einfach nichts neues mehr einfiel zu dem Thema. Und meine Gedanken hingen eh immer noch bei Berlin fest. Er würde gehen. Und alles, was ich mir vielleicht manchmal erträumt hatte, was zwischen uns werden könnte, war wie weggeblasen. Oder eher wie eine geplatzte Seifenblase. Aber ich war ja nicht verliebt, also war das Ganze nicht soo schlimm. Ich wollte nur nicht einen so guten Freund verlieren... Jaja, rede es dir nur oft genug ein, vielleicht glaubst du es dann...
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Riders are stable People
RomanceBitte lesen und bewerten ;) Frei nach einer wahren Geschichte und auch für Nicht-Pferdeverrückte. Allerdings stellt die Story keinen sonderlich guten Einfluss für Jugendliche dar, nehme ich an... Die 17 jährige Lou ist die typische Außenseiterin und...