Unsere Welt

18. Die Wahrheit

Cassie wachte mitten in der Nacht auf. Sie sah sich verwirrt um, bis sie erkannte, dass sie in einem Krankenzimmer war und sie sich an alles erinnerte. Sie setzte sich auf und dachte über alles genau nach.

Marc hatte ihren Arm flambiert. Okay, das war nicht so schlimm, wie es aussah. Zumindest war das ihre Version die sie anderen erzählen würde. In Wirklichkeit hatte es wahnsinnig wehgetan und das war auch noch immer der Fall. Marc hatte ihr gedroht, dass das erst der Anfang gewesen sei, wenn sie sich nicht von den Jungs verabschiedete. Für immer verabschiedete. Gut, dann würde sie wohl noch mehr erleben, denn sie würde niemals auf Marc hören und auch nur einen ihrer Freunde aufgeben! Nicht Harry, nicht Liam, nicht Louis, nicht Zayn, nicht Izzy, nicht Matt und Niall schon gar nicht! Auf keinen Fall!

Cassie überlegte sich, was Marc alles tun könnte, um sie zu quälen. Und dann, nachdem sie all die Foltermethoden durchdacht hatte, fiel ihr eines auf, dass sie erstarren ließ. Marc wusste genau, dass man Menschen am leichtesten quälen kann, wenn man ihnen das nimmt, was sie am meisten liebten und er kannte sie. Er wusste also auch, dass er sie am meisten treffen würde, wenn er nicht ihr Schaden zufügte, sondern einem ihrer liebsten.

Marc war nicht der schlauste, doch wenn es um Bösartigkeit ging, schlug er so ziemlich jeden, den sie kannte. Sie alle waren in Gefahr. Ihre Freunde, ihre Mutter, einfach jeder.

Cassie stöhnte auf und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Wie sollte sie das verhindern? Wie sollte sie allein ein dutzend Menschen schützen? Sie konnte schlecht an mehreren Orten zugleich sein und alle bei den Jungs einziehen lassen, ohne es ihnen zu erklären würde sich auch als schwierig erweisen.

Es blieb nur eine Möglichkeit. Sie musste ihnen die Wahrheit sagen. Nur wenn sie es alle wussten, könnten sie sich darauf vorbereiten und sicher sein. Sie wusste, dass es nur diesen einen Weg gab. Und sie hatte wahnsinnige Angst davor ihn zu gehen.

Was wäre denn, wenn Niall ihr die Lüge nicht verzeihen konnte? Was wäre, wenn er sich wegen dieser einen unbedachten Lüge von ihr trennen würde? Oder würden sie alle vielleicht genug davon haben wegen ihr ständig in der Patsche zu sitzen? Würden sie ihr alle den Rücken kehren? Auf der einen Seite wünschte sie es sich, um der anderen Sicherheit willen, doch auf der anderen Seite würde sie den Schmerz nicht ertragen können. Was würde sie ohne ihre fünf Jungs, Izzy, Matt und auch Ulma machen? Sie hätte niemanden mehr. Sie wäre für Marc zwar nicht mehr angreifbar, doch dafür würde sie an den seelischen Qualen zu Grunde gehen.

Cassie schüttelte den Kopf. Es spielte keine Rolle! Sie würde es ihnen sagen müssen, egal welche Konsequenzen es haben würde! Die Qualen ohne sie alle zu leben waren nichts im Vergleich zu denen, die sie haben würde, wenn nur einer von ihnen wegen ihr verletzt werden würde.

Als sich ihr Herzschlag immer schneller wurde, kam eine Schwester herein.

„Oh, Sie sind wach!“, sagte sie.

Cassie nickte nur.

„Ich werde einen Doktor holen!“, sagte die Schwester und verließ das Zimmer wieder.

Cassie begann ruhig zu atmen. Sie wollte so fit wie nur möglich wirken, damit sie das Krankenhaus am nächsten Tag verlassen dürfte. Sie musste dringend mit den anderen reden und das wollte sie nun wirklich nicht in einem Krankenzimmer machen. Und sie wusste auch nicht, wie sie alle hier in dieses Zimmer bekommen würde. Also beruhigte sie sich so schnell wie sie konnte und durchdachte genau, was sie dem Arzt sagen würde.