Tag der Verleihung

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Kapitel 9: Tag der Verleihung


Am nächsten Tag fuhr der Hogwartsexpress schon früh in den Bahnhof von Hogsmead ein und brachte viele Zauberer und Hexen mit sich, die den Feierlichkeiten beiwohnen wollten. Bereits beim Frühstück herrschte aufgeregte Stimmung unter den Helfern und Kämpfern in Hogwarts und die Aufregung, die Harry bereits seit einiger Zeit verspürte, immer wenn er an die Ordensverleihung dachte, steigerte sich beinahe ins Maximum. Bereits auf dem Weg nach Hogsmead zupfte er so oft an seinem Festumhang, dass es Ginny nach einer Weile reichte und sie ihm drohte, ihm den ganzen Umhang auszuziehen, sollte er damit nicht aufhören. Doch Harry konnte einfach nicht ruhig bleiben, bei dem Gedanken, zum ersten Mal nach seinem Sieg über Voldemort wirklich den ganzen Leuten, für dessen Freiheit er gekämpft hatte, in aller Öffentlichkeit gegenüberzustehen und eine Rede halten zu müssen. Kingsley hatte zwar gemeint, sie müsse nicht lange sein, doch eine richtige Rede würde vom „Retter der Zaubererwelt" bestimmt erwartet werden.


Kurz bevor sie Hogsmead erreichten öffnete sich der Weg in eine weite Fläche, auf der im Sommer normalerweise Picknicks der Dorfbewohner veranstaltet wurden. Heute war diese Wiese allerdings als Treffpunkt für die Besucher der Ordensverleihung gedacht.

Bereits von weitem hörte man das Stimmengewirr und ab und an auch ein Lachen. Doch sehen konnten sie die Leute erst, als sie die Ländereien Hogwarts hinter sich ließen und auf den gemeindenützigen Pfad einbogen.

„Wow", entfuhr es Harry leise, als er die Menschenmenge am Rande des kleinen Dorfes erblickte. Er blieb stehen, um einen besseren Blick auf all diese Menschen zu werfen, die extra für diesen Anlass gekommen waren.

„Hey, Harry! Wo bleibst du denn?" Ginny, Ron und Hermine waren bereits einige Meter vorausgegangen, als Ginny stehen blieb und sich zu ihrem Freund umdrehte. „Was schaust du denn?", wollte sie wissen, als Harry keine Anstalten machte, weiterzugehen.

„Es sind so viele ..."

„Und sie sind alle gekommen, um dich zu sehen", entgegnete Ginny. „Also lass sie nicht länger warten und komm' endlich. Ich sehen Mum da unten schon unruhig auf und ab gehen."

Tatsächlich bewegte sich da unten in der Menschenmenge ein roter Haarschopf zwischen einigen anderen hin und her, ganz so, als ob die Person, der er gehörte, nicht stillstehen konnte.

Harry seufzte; eine unruhige Mrs. Weasley – Molly, verbesserte er sich, sie hatte ihm angeboten, sie Molly zu nennen – konnten sie nun wirklich nicht gebrauchen.


Als die vier schließlich auf der Wiese ankamen, wartete Molly Weasley bereits ungeduldig auf sie. Doch sie war nicht allein. Arthur – auch ihn würde er ihn Zukunft duzen –, Bill, Charlie und Percy leisteten ihr bei ihrem unruhigen Gang Gesellschaft.

„Da seid ihr ja", wurden sie auch schon unruhig begrüßt. „Wo seid ihr denn noch gewesen? Die Feier beginnt doch gleich ... ach, und Kingsley wollte ja auch noch mit euch sprechen, wegen eurer Zukunft ..."

„Wie geht denn die Arbeit im Schloss voran?", erkundigte sich Arthur derweil etwas ruhiger.

„Sehr gut", antwortete Ron und nützte das auch sogleich als Chance, sich von seiner Mutter zu lösen. „Wir sind uns mittlerweile ziemlich sicher, dass es sich ausgehen wird, die Schule pünktlich am ersten September wiederzueröffnen."

„Das sind gute Nachrichten", nickte Arthur zufrieden. „Dann werdet ihr sicher bald Zeit finden, zu uns in den Fuchsbau zu kommen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie einsam es dort sein kann."

„Wo ist denn eigentlich Kingsley?", wandte sich Harry derweil an Bill. „Wir sollten das ganze lieber noch klären bevor die Zeremonie beginnt. Nachher wird es wohl wenig Gelegenheit geben, sich zu unterhalten."

„Gutes Argument", stimmte der älteste der Weasley-Kinder zu. „Was ich weiß, sollte er noch bei den letzten Vorbereitungen helfen. Das ganze soll ein wenig höher stattfinden als hier, also würde ich empfehlen, ihn den Berg hoch zu suchen."

„In Ordnung, danke." Harry wandte sich an seine Freunde. „Kommt ihr mit?"

„Natürlich komme ich", meinte Ron. „Was ist mit dir, Hermine?"

„Ja, in Ordnung. Ginny?"

„Sofort." Ginny wandte sich von Charlie ab, mit dem sie sich bis gerade eben unterhalten hatte, und trat zu ihnen. „Bin schon bereit."

„Gut, gehen wir." Harry packte Ginny an der Hand und zog sie mit sich; hinter ihnen Hermine mit Ron.


Sie folgten einem steinigen, aber breiten Pfad den Berg hinauf. Nach etwa zehn Minuten Gehen erreichten sie eine große Wiese, auf der sich etwa ein dutzend Zauberer tummelten, um noch die letzten Vorbereitungen zu erledigen. So ließ ein Zauberer einige Sessel so schweben, dass sie sich halbkreisförmig um etwas, das wohl eine Bühne repräsentieren sollte, anordneten. Eine Gruppe aus fünf Hexen und Zauberern befestigte Dekoration an Bühne und Bäumen sowie zwischen den Bankreihen.

Am Rande der Lichtung, nicht so weit von der Bühne entfernt, schien es einen steilen Abhang zu geben, der wohl in Richtung Hogwarts zeigen musste, denn Harry konnte von seiner Position aus einen großen See, sowie einen Wald ausmachen, die in einer Kombination standen, wie es nur zwischen den beiden vorhanden war.

Harry ging etwas näher an den Abgrund heran, um besser sehen zu können. Tatsächlich erspähte er die Umrisse eines großen Schlosses am Horizont.

„Schön, nicht wahr?", meldete sich eine vertraut klingende Stimme von hinter ihnen.

„Es ist alles so friedlich", entgegnete Harry. „Als hätte dieser ganze Krieg niemals stattgefunden."

„Ja, Entfernung täuscht oft", entgegnete der amtierende Zaubereiminister. „Aber ihr seid sicher nicht hergekommen, um mit mir über Krieg, Frieden oder Täuschungen zu sprechen. Wollt ihr mir also eure Entscheidungen mitteilen? Ich habe nicht lange Zeit, es muss noch einiges erledigt werden, bevor wir wirklich mit der Ehrung beginnen können."

„Ja, ja, wollten wir", versicherte Ron schnell.

„Keine Angst, für das habe ich Zeit", entgegnete Kingsley lächelnd. „Ich würde es nur vorziehen, wenn das Ganze nicht allzu lange braucht."

„Dann fassen wir es zusammen. Harry, Hermine und ich, haben beschlossen, das Angebot, zu helfen, anzunehmen. Mum hat es Ginny allerdings nicht erlaubt und meint, sie solle die Zeit zum Lernen nutzen, um die Prüfungen zu bestehen und in die 7. Klasse aufsteigen zu können. Aber sollte, sobald sie volljährig ist, das Angebot immer noch bestehen sein, wird sie sich uns auch anschließen, bis sie fürs siebte Jahr wieder in die Schule muss. Hermine wiederholt das Jahr auch. Ich weiß es noch nicht sicher ... und Harry wollte das Angebot für die Aurorenzentrale annehmen. Ich glaube, das war's. Die anderen sollten dann selbst herkommen und dir ihre Entscheidung mitteilen."

In diesem Moment trat ein noch recht junger Mann, der zuvor ihrem Gespräch ein wenig gelauscht hatte, zu Kingsley und sprach ihn an. „Mr. Shacklebolt, wir sind fertig."

„Gut", nickte Kingsley. „Dann können sie die Leute bitte herführen?"

Der Mann nickte und verschwand.

Kingsley wandte sich wieder an die vier Wartenden. „Sehr schön ... ich werde euch die genaueren Informationen dann zukommen lassen. Setzt euch einfach mal schon hin, während ich noch ein paar letzte Anweisungen geben werde. Und viel Glück." Er nickte ihnen noch einmal zu und ließ sie dann allein.

Das Quartett ging zu den Sesselreihen und setzte sich relativ weit vorne hin, wo sie für die restlichen Weasleys sowie Neville und Luna Plätze freihielten.


... Und nun zu dem, der uns schlussendlich von der grausamen Herrschaft Sie-wissen-schon-wems erlöst hat: Harry Potter." Der kleine Zauberer, welcher bereits bei Bill und Fleurs Hochzeit sowohl auch bei Dumbledores Begräbnis gesprochen hatte, griff nun nach einer goldenen Medaille. Ron, Hermine, Neville, Ginny, Luna und viele anderen hatten bereits ihren Merlinsorden von ihm erhalten, doch auf den Augenblick wartete die Menge an Zuschauern, die gekommen war, am meisten.

Zwischen den Weasleys vergrub Harry derweil sein Gesicht in den Händen. „Wie oft habe ich ihnen bereits gesagt, dass ich nicht als einziger gekämpft habe?", fragte er Ginny, welche ihn umarmte. „Meine Tat war bloß die Aufsehenerregendste."

„Mindestens hundert mal", versicherte ihm seine Freundin. „Aber die Welt will nun einmal Helden und sie findet dich. Du bist ihr Held. Und jetzt geh' und hol dir deinen Orden."

Harry verzog das Gesicht. „Du weißt, dass das nicht sonderlich ermutigend ist?"

„Nein", stimmte sie zu. „Aber du schaffst das schon. Los jetzt."

Widerwillig stand Harry auf um vor zur Bühne und zum Rednerpult zu gehen. Der kleine Zauberer schüttelte ihm die Hand, überreichte ihm einen protzig aussehenden Umschlag, hängte ihm eine Medaille um und sprach einige Dankeswörter. Und dann, als Harry gerade Luft geholt hatte, um seine Rede zu beginnen, ertönte aus den hintersten Reihen nahe des umstehenden Waldes ein panischer Schrei: „Todesser!"

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