Kapitel 18

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Ich ließ sie herein. Mary kam aus dem Schlafzimmer und folgte uns beiden ins Wohnzimmer, wo Jorge sich bereits aufgesetzt hatte. Auch er wirkte überrascht. Wir setzten uns zu ihm und Mary wollte wissen, wie genau es zu dem Sinneswandel kam. 

»Ich wusste nicht, dass Dacio überhaupt nicht die Befugnis von unserem Boss hat. Es ist eine Sache einen Befehl von ihm zu verweigern, aber eine ganz andere, eine Ungleichheit heraufzubeschwören.« Gut und Böse. Hunter hatte gesagt, dass das die einzige wirkliche Aufgabe vom Teufel ist. Und wer sich ihm widersetzt, wird leiden. 

Wir befragten sie über den Fluch und ob sie helfen kann. Sie nickte. »Ich kann die Folgen etwas abdämpfen, aber der Fluch endet erst mit Dacios Tod«, erklärte sie und ich seufzte. Sie wusste nicht, wo er sich momentan aufhielt, aber wenigstens wussten wir den Namen. Vielleicht konnte Hunter ja etwas damit anfangen. Ich schrieb ihm kurz eine Nachricht, in der alles Notwendige stand. 

Er antwortete nicht. Bei jedem anderen würde ich annehmen, dass er schlief, doch Hunter tat das, soweit ich wusste, nicht. Also musste er beschäftigt sein. Vielleicht besuchte er Xenia. Mein Blick fiel auf Adria, die auf irgendwas zu warten schien, weshalb ich sie fragend ansah. 

»Ihr müsst mir sagen wie ich helfen kann«, sagte sie. »Und wo die Betroffenen sind.« Ich sah zu Mary und Jorge, beide nickten. Also klärte ich Adria auf. Sie wollte sofort los. Jorge würde sie hinbringen, doch Mary sagte, dass so etwas eine Aufgabe für Mädels sei, was mich grinsen lies. 

Sie gingen los und ich warnte Cole vor in der Hoffnung, dass dieser noch nicht schlief. Jorge und ich beschlossen zu warten, bis Mary wieder zurück war, denn nur so konnte sie uns von allem berichten. Ich konnte und wollte nicht bis morgen früh warten.

Wir begannen im Fernsehen nach einem Film zu schauen, da die Stille unangenehm war. Doch es lief einfach nichts. Erst überlegte ich, mich doch wieder hinzulegen, doch jetzt war der perfekte Zeitpunkt, um mit Jorge zu reden. Ich sah zu ihm. 

»Darf ich dich was fragen?« Jorge nickte. Es war eine dumme Frage gewesen. Natürlich darf ich das. Und das nicht nur, weil er seit einer ganzen Weile auf unserem Sofa schlief. 

»Warum hilfst du uns? Du könntest einfach verschwinden. Die Sache mit Samuel ist geklärt.« Das war der eigentliche Grund seines kommens. Samuel. Er hatte Jorge verfolgt. Deshalb hatte er uns um Hilfe gebeten. 

»Ich bin keine gute Person und normalerweise würde ich nicht helfen wollen, da hast du Recht. Aber niemand ist grundlos so wie er ist. Es gab Zeiten, da hättet ihr mich gemocht, schätze ich. Lange bevor ich ein Vampir war«, erklärte er und ich nickte. Es war irgendwie schwer zu glauben, dass er vor seiner Verwandlung so anders war, denn es heißt, dass er auch zuvor gemordet hat. 

Andererseits wird niemand böse geboren. Es gab vermutlich wirklich Zeiten, in denen er mir viel ähnlicher war, als es jetzt der Fall ist. 

»Ich habe als Kind mit einem Mörder in einem Haus gelebt. Als ich dann selbst ausversehen jemanden getötet habe, hat sich das gut angefühlt. Man hat das Gefühl, Gott zu sein. Über Leben und Tod entscheiden zu können«, fuhr er fort und ich hörte ihm weiterhin zu. Es war vielleicht das einzige mal, dass ich etwas über seine Vergangenheit hören würde.

»Aber jetzt weiß ich, dass es Himmel und Hölle, Gott und Teufel, wirklich gibt. Und dass für mich ein Platz in der Hölle reserviert ist. Ich schätze man realisiert erst, was für Fehler man begangen hat, wenn man damit konfrontiert wird.«

Bei Mary hatte ich an ihrem Gesicht erkennen können, dass es sie verletzt hat zu hören, dass sie nach dem Tod in die Hölle kommt. Ich schätze, dass niemand das gerne hören möchte. Aber von Jorge zu hören, dass ihm das so nahe geht, damit hatte ich nicht gerechnet.

»Du hoffst auf Erlösung«, schlussfolgerte ich, doch Jorge schüttelte den Kopf. »Nein, dafür ist es zu spät. Ich hoffe nur, dass ich meine Strafe irgendwie abmildern kann.« Ich nickte und atmete tief durch. 

»Kann ich dir blind vertrauen, wenn es notwendig ist?«, wollte ich wissen. Eine Frage, die mich schon lange quälte. Justin hatte immer gesagt, dass er ihm nicht vertraut, doch jetzt waren wir nur noch wenige. Wir mussten einander vertrauen.

»Ich mag meist egoistisch sein, aber ich habe Justin das Leben gerettet und ich hätte Sydney, wenn es notwendig wäre, beschützt. Also ja, du kannst mir vertrauen.« Ein leichtes Lächeln setzte sich auf meine Lippen. Es tat gut, das zu hören. Mary vertraute ich, sie müsste ich nie fragen, ob ich das könnte. Und zu wissen, dass Jorge uns nicht verlassen würde, verlieh mir ein Gefühl der Sicherheit, jetzt wo Justin eine Zeit lang nicht hier sein konnte. 

Die zwei waren eigentlich auch die einzigen, denen ich vertraute. Cole, ihm musste ich zwingend vertrauen, doch er hielt sich aus allem raus. Josh kannte ich nicht und der Fakt, dass er kein Rudel hatte, gefiel mir nicht. Und Hunter, so sehr Hunter uns half, er hatte am Ende des Tages keine Seele und das bekam man häufig zu spüren. 

Dann war da noch Samuel. Sam. Ich hätte nie gedacht, dass es einmal Tage gäbe, an denen ich ihm nicht blind vertrauen würde. Doch auch er besaß keine Seele. Zwar war er nicht wie Hunter, was vermutlich auch den Unterschied zwischen erschaffenen und geborenen Dämonen darstellte, doch sie hatten viele Gemeinsamkeiten. 

* * *

Am nächsten Morgen standen wir früh auf. Mary hatte uns noch erzählt, dass Adria bei Cole bleiben und auf die anderen aufpassen würde. Den anderen ginge es besser und wir würden sie auch heute besuchen, doch ganz sie selbst seien sie noch nicht. Dank des Fluches verhalten sie sich eher wie Dämonen. 

Aber solange Dacio sie nicht finden würde, war das nebensächlich. Adria bestätigte unseren Verdacht, dass er sie kontrollieren kann, wenn er weiß, wer betroffen ist. Wir mussten sie also versteckt halten und Dacio so schnell wie möglich töten. 

Wir klärten Hunter und Josh über die aktuelle Situation auf. »Wir halten Dacio also mit Psychopathen, Leuten denen wir nicht trauen, Dämonen und einem Werwolf auf. Keine Ahnung was dabei schiefgehen kann«, sagte Mary ironisch und schob sich einen Löffel mit Müsli in den Mund. 

»Seid optimistischer. Wir schaffen das schon«, meinte Hunter und ich stimmte ihm zu. Doch Mary gab weiter zu bedenken, dass wir Josh nicht kannten. »Ich halte, was ich verspreche«, entgegnete er und ich glaubte ihm diese Worte. Vielleicht einfach nur, weil ich es musste. 

»Adria wird die Entwicklung des Fluches nicht allzu lange aufhalten können, auch wenn der Boss ihr die Macht dazu gibt. Ihr Eingreifen verzögert nur das Unausweichliche«, erklärte Hunter. Adria hatte auch gesagt, dass das nicht ewig funktionieren würde. Und das war auch nie als eine langfristige Lösung gedacht. 

»Na dann, töten wir einen Dämon«, meinte Mary. Ich schmunzelte leicht. »Wenigstens haben wir darin schon Übung«, entgegnete ich und auch sie musste leicht schmunzeln. 

dark sun ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt