Kapitel 6

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Stundenlang durchkämmten wir alle die Stadt. Sollte ihn jemand sehen, dann sollte derjenige den anderen Bescheid geben. Doch dazu kam es nicht und Justin und ich trafen Riley und Arizona in einem Café, als wir uns etwas zum Mittagessen holen wollten.

Kurz grinsten wir uns an, denn nur wir konnten es schaffen, uns in einer so großen Stadt wie New York im gleichen Café zu treffen. Justin holte für sich und mich ein belegtes Brötchen, während ich mit Riley und Arizona an der Tür stand. 

»Und?«, fragte ich nach dem Stand der Dinge. Beide seufzten fast zeitgleich. »Wir haben versucht die Feen ausfindig zu machen, doch es war niemand da«, antwortete Arizona, die an ihrem Kaffee nippte. 

Seit Felices Tod habe ich keine Fee mehr gesehen. Es fühlt sich an, als sei es eine Ewigkeit her. Doch es war seltsam, dass sich niemand in deren Gebiet befand. Schnell klärte ich die zwei auf, dass es in Manhattan auch keine Spur von ihm gab. Als ich damit fertig war, kam Justin mit unseren Brötchen wieder und reichte mir meins. 

»Wenn wir bis sechs nichts haben, treffen wir uns in eurer Wohnung«, sagte Justin. Erst wollte ich fragen, weshalb wir das nicht bei uns machten, doch Sydney würde dann bettfertig gemacht werden und wer konnte schon schlafen, wenn sich so viele Leute in der Wohnung befanden?

Ich schickte allen eine SMS und dann verabschiedeten wir uns vorerst wieder voneinander. Nebeneinander liefen Justin und ich durch die Straße. Nachdem ich aufgegessen hatte, erhielt ich eine Nachricht von Cole. Dieser wollte sich zwar nicht aktiv an der Sache beteiligen, doch er hatte mir versprochen, dennoch die Augen offen zu halten.

In der SMS stand, dass Samuel ihn besucht habe. Dies ist ungefähr zehn Minuten her. Schnell zeigte ich Justin die Nachricht und dann rannten wir in Vampirgeschwindigkeit zu Cole. Dieser schien mit uns gerechnet zu haben, denn er stand vor der geschlossenen Haustür. 

»Er ist hier drinnen. Ich habe ihm vorsichtshalber das Genick gebrochen«, erklärte Cole. Justin klärte rasch die anderen auf, während Cole davon berichtete, was Samuel von ihm wollte; ihn töten. Das ließ mich schlucken.

Als Justin sein Handy in die Hosentasche steckte, gingen wir gemeinsam in Coles Haus. Samuel lag dort auf dem Boden. Ich bemerkte nicht wie die anderen auftauchten, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, Samuel anzusehen. Er sah noch aus wie früher. Nur seine Haare wirkten etwas länger.

Sekunden nachdem alle angekommen waren, begannen wir zu überlegen, wie unser Gespräch am sichersten für alle Beteiligten verlaufen würde. Arizona fand, dass fesseln eine gute Idee sei. Doch Cole sagte, er habe nichts, mit dem man ihn festbinden könnte. 

»Dann setzen wir ihn auf einen Stuhl und rammen ihm Messer durch Hände und Füße, so kann er sich auch nicht unbedingt bewegen«, sagte Riley. Alle Blicken fielen auf ihn. Ungläubig und kopfschüttelnd sah ich ihn an. Selbst für Riley war das eine kranke Idee. 

»Keine gute Idee?«, wollte er wissen. Als auch alle anderen den Kopf schüttelte, seufzte er. »Gut, ich bin still.« Jorge schlug dann vor, Arizona könne ihn mit einem Zauber belegen. Da das von allem die Wohl beste Idee war, begann sie damit, diesen zu sprechen, nachdem Justin ihn auf die Couch setzte. 

Langsam wurde ich nervös. Wie würde Samuel reagieren, wenn er aufwachte? Würde er ruhig bleiben, so wie er es früher immer war? Oder würde er versuchen sich aus diesem Zauber zu befreien, um uns alle zu töten? 

Da es vermutlich noch eine Weile dauern würde, hatten wir es uns alle etwas bequem gemacht. Justin und Riley sind raus gegangen, um die Gegend zu erkunden. Sie hatten Angst, Samuel könnte 'Freunde' mitgebracht oder andere Dämonen gegen uns aufgehetzt haben. 

Jorge hatte ein Gespräch mit Cole, während Arizona und Mary auf dem Boden saßen. Ich setzte mich zu ihnen, denn vor allem Mary sah betrübt aus. 

»Was ist los? Ist es wegen Sam?«, wollte ich wissen. Zögernd nickte sie. »Du liebst ihn immer noch, habe ich recht?« Erneut nickte sie und dieses mal wirkte sie traurig. Es war ein ungewohntes Bild, denn so bekam ich sie nur selten zu Gesicht. Von uns Mädchen war sie immer die Stärkste gewesen.

»Ich ertappe mich selbst öfter dabei, wie ich an früher denke, als wir uns alle langsam kennengelernt haben. Als noch alles in Ordnung war«, sagte sie und sah auf ihre Finger. 

Früher war noch alles in Ordnung, da hatte sie recht. Auch wenn es nicht leicht war, aber dennoch hatten wir es gut. Oder in den drei Jahren, in denen Justin und ich zusammen mit Julien in einer Kleinstadt gelebt haben. 

»Du meinst, als du mich gehasst hast?«, sagte ich leicht schmunzelnd, um die Stimmung etwas zu erhöhen. Arizona schien überrascht zu sein. Damals kannten wir sie noch nicht. Sie hatte nie erlebt, wie Mary damals war und ich schätze, es ist auch gut so. 

»Ich habe dich nicht gehasst«, verteidigte Mary sie und grinste ebenfalls leicht. »Ich hatte nur Angst, du würdest Justin verletzen. Auf meine egoistische Art und Weise wollte ich ihn irgendwie schützen«, erklärte sie. 

Dass Justin ihr wichtig war, wussten alle. Doch Gefühle hatte sie schon lange nicht mehr. Vermutlich hat sie damals noch geglaubt, sie zu besitzen. 

»Ist es falsch sich zu wünschen, dass diese Zeiten wiederkehren?«, wollte sie wissen und sah mich mit ihren grün-blauen Augen an. Ich schüttelte den Kopf, denn auch ich wünschte mir dies mehr als alles andere. 

Doch vorerst müssten wir das hier schaffen. Ich sagte ihr, dass sie wieder kommen würden, doch nun war sie diejenige, die den Kopf schüttelte. 

»Ohne Sam wird es niemals dasselbe sein«, entgegnete sie. Da ich keine Ahnung hatte, was ich darauf antworten sollte, umarmte ich sie einfach. 

Sie hatte Recht. Sam würde nicht mehr so sein wie früher. Damals hatte er, auch wenn er es abgestritten hätte, Emotionen. Diese Zeiten würden niemals wiederkehren. Diesen Sam hatten wir verloren. 

Mein Blick fiel auf Hunter, während ich Mary weiterhin umarmte. Er saß in dem einzigen Sesseln, den Cole besaß. Gegenüber von Samuel. Sollte dieser aufwachen, würde er uns Bescheid geben. 

Langsam löste ich mich von Mary und Arizona legte ihre Hand auf ihre. Aufmunternd lächelte sie Mary an. Es musste gut tun, so viel Hoffnung zu haben wie sie. Manchmal fragte ich mich, ob es einen nicht unglücklich machen würde, immer auf das gute Ende zu hoffen. 

Doch dann erinnerte ich mich daran wie alt Arizona bereits war. Dennoch hatte sie niemals die Hoffnung verloren, dass sie eines Tages ein gutes Leben haben würde. Und das, obwohl sie so viel durchmachen musste. 

»Er ist wach«, ertönte Hunters Stimme und brach somit die Stille, die sich breit gemacht hatte. Sofort sah ich zu Sam und stand dabei auf. Arizona und Mary taten es mir gleich. Zusammen gingen wir etwas näher. 

Samuels Blick glitt sofort zu mir. Doch es wirkte nicht wie früher. Ganz im Gegenteil. Er wirkte so kalt und so leer. Nicht einmal als wir uns kennengelernt hatten, wirkte er so. Es versetzte mir einen kleinen Stich, denn dies ließ meine Hoffnung etwas sinken. 

»Was? Kein 'hallo' zu einem alten Freund?«, kam es von ihm. Seine Stimme klang genauso kalt. Keinerlei Emotionen. Er war wie ein ganz anderer Mensch.

dark sun ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt