d.s: Kapitel 10

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Unser Wecker war heute nutzlos, denn Sydney wachte bereits halb neun auf. Auch, wenn sie leise war wusste sie, dass wir Vampire einen leichten Schlaf hatten und wach wurden. Gähnend setzte ich mich auf und fuhr mir durchs Haar. Dann sah ich zu ihr und sie grinste mich leicht an. 

Wir hatten ihr so früh wie möglich von uns allen erzählt. Sie wusste, dass wir Ausnahmen und nicht alle Vampire, Hexen und was weiß ich nett waren. Auch hatten wir ihr beigebracht, bei Dämonen immer skeptisch zu bleiben. Sie war ein schlaues Kind. Vermutlich hatte sie eins und eins zusammengezählt und wusste, dass sie nicht unser Kind war, dennoch sagte sie nichts. Wir waren trotzdem Mum und Dad für sie. 

Mary und Xenia nannte sie Tante. Und auch, wenn sie die anderen nur noch schwach kannte, nannte sie sie ebenfalls Onkel und Tante, wenn wir darüber redeten. Nur Sasha war Sasha für sie. Wir wussten nicht, wieso. Doch scheinbar hielt sie es nicht für nötig, ihn Onkel zu nennen. Warum auch immer. 

Gerade trank sie ein Glas Wasser. »Guten Morgen«, sagte sie in einer anderen Sprache und es dauerte eine Weile, bis mein Gehirn mir sagte, dass es Deutsch sein musste. Jedenfalls klang es so und ich schmunzelte. 

»Woher kannst du das denn?«, fragte ich sie, als sie mir die Haarbürste reichte und sich umdrehte. Ich begann ihr langes Haar zu kämmen. 

»Sasha hat mir das gestern beigebracht«, antwortete sie und trank einen weiteren Schluck. Ich wusste nicht, ob mir das gefiel oder nicht. Sie konnte schon das Alphabet und gerade brachten wir ihr, immer wenn wir Zeit hatten, das Rechnen und Schreiben bei. 

Eigentlich war es toll, dass sie noch eine weitere Sprache lernte. Aber mir gefiel es nicht, dass es Sasha war, der ihr das beibrachte. Justin kann fließend Französisch. Sie könnte das lernen. Oder Spanisch von Mary. 

»Hat er dir sonst noch etwas beigebracht?«, wollte ich wissen und versuchte, neugierig zu klingen. Und das war ich auch, aber eher, weil ich vorsichtig und ängstlich war, was ihn betraf. 

»Er hat mir gezeigt, wie ein Feuerball aussieht«, gab sie zu und ich spannte mich an. »Aber leider werde ich so etwas nie können.« Sie klang leicht traurig darüber, doch sie wusste auch, dass sie glücklich sein konnte, ein Mensch zu sein. 

»Du hast den Ball aber nicht angefasst, oder?«, fragte ich nun leicht besorgt. Als sie sich umdrehte, sah ich sofort zu ihren Händen und Beinen, um nachzusehen, ob sie irgendwo Verletzungen hatte. 

Sie schmunzelte. »Ich weiß, dass Feuer heiß ist«, antwortete sie. »Außerdem hat Sasha es mir nur unter der Bedingung gezeigt, dass ich Abstand halte.« Erleichtert darüber stand ich auf und ging zu ihrem Koffer, wo ich eine Hose und ein langärmliges T-Shirt herausholte und es ihr reichte, nachdem sie das Glas weggestellt hatte. 

Sie begann, sich umzuziehen, während Justin unter die Dusche ging. Zwar hatte er die ganze Zeit über im Bett gelegen, aber ich wusste, dass er uns zugehört hatte. Während sie sich umzog, schnappte auch ich mir Klamotten für den Tag. 

»Sydney«, begann ich und sah wieder zu ihr. »Mum und Dad mögen es nicht, wenn du zu viel Zeit mit Sasha verbringst. Er ist gefährlich«, sagte ich zu ihr. Das hatten wir ihr schon oft gesagt und eigentlich hielt sie sich immer daran. Doch ich hatte das Gefühl, es war notwendig, das noch einmal zu wiederholen. 

Sie war nun angezogen und sah zu mir hoch. Dann zuckte sie mit den Schulter. »Ich finde ihn nett und ich mag ihn«, gab sie zu. Sydney mochte auch Hunter schon und ich hatte ein Gefühl, dass das damit zusammenhing, dass sie Dämonen war. Justin und ich waren uns sicher, dass sie ein Mensch war, doch sobald wir Arizona wieder sahen, sollten wir das noch einmal überprüfen. 

Was wir damals über ihre Familie erfahren hatten, war nicht allzu viel. Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt und der Vater war unbekannt. Keine Geschwister und Verwandte wollten sie nicht aufnehmen. Die Schwester ihrer leiblichen Mutter soll sich geweigert haben und als das Jugendamt sie bat, es wenigstens zu versuchen, hat sie sie für einige Tage aufgenommen. Dann hat sie sich das Leben genommen. Vielleicht hätten wir schon vorher Nachforschungen betreiben sollen, denn so normal klang das nicht, wenn man noch einmal darüber nachdachte. 

Die Kirchengemeinde ihrer leiblichen Tante hat sich auch geweigert, sie zu taufen. Ich sah sie an und konnte nicht verstehen, weshalb. Sie war klug und wunderschön. Schon als Baby. Wir hatten uns sofort in sie verliebt und all unsere Freunde ebenso. 

Ich seufzte. »Ich weiß, dass es einfach ist, ihn zu mögen, ab-« Doch sie unterbrach mich. »Bitte Mum. Er ist mein Freund.« Ich hockte mich zu ihr runter. Sie kannte ihn kaum und mir war klar, dass sie das sagte, damit ich nachgab. Und es funktionierte. Sie hatte keine Freunde. Wie auch, wenn wir jede Woche die Stadt wechselten? 

Erneut seufzte ich, bevor ich zu nicken begann. »Aber bitte sei vorsichtig, okay? Frag ihn, bevor du irgendwas machen möchtest, solange du nicht weißt, wie er reagiert.« Sie nickte und umarmte mich. Ich erwiderte die Umarmung und küsste sie dann auf die Stirn. Gemeinsam mit ihr ging ich zur Tür. 

Sie sollte Mary wecken gehen. An der Tür gegenüber klopfte sie. Sasha machte auf und sah zu ihr runter. Dann schloss ich unsere Tür. Wenn sie Mary geweckt hat, wird sie bis zum Frühstück drüben bleiben. Das tat sie immer. 

Also zog ich mich um und weckte danach Xenia, die sich erst verwirrt umsah und sich dann bei uns entschuldigte, weil sie hier eingeschlafen war. Ich schmunzelte. »Du bist immer willkommen, das weißt du«, antwortete ich. Sie setzte sich auf und versuchte sich, so gut es eben ging, die kurzen Haare zu richten. 

Ich reichte ihr eine Hose und eine Bluse von mir. Wir mussten runter Frühstücken, denn um zehn mussten wir das Zimmer verlassen. Die Sachen konnte sie mir später zurückgeben. Während ich alles, was uns gehörte, in die Koffer packte, zog sie sich um. Als Justin rauskam, waren wir beide fertig und bereit, um essen zu gehen. 

Mit einem Klopfen am Zimmer gegenüber signalisierten wir ihnen, dass die Zeit zum Essen reif war. Erneut öffnete Sasha die Zimmertür. Dieses mal jedoch weiter. Mary und Sydney kamen heraus und gemeinsam gingen wir alle hinunter. 

Jeder nahm sich etwas vom Buffet und dann setzten wir uns an einen großen Tisch. Sasha hatte sich zur Tarnung ebenfalls etwas genommen. Das tat er nicht immer, aber er wollte nicht, dass Fragen aufkamen. Dann lehnte er sich nach hinten. 

Ich hingegen begann sofort, mir mein Brötchen zu schmieren. So wie auch alle anderen. Justin wollte sich erst das von Sydney greifen, doch sie kam ihm zuvor. 

»Sasha kann das machen. Er hat eh nichts zutun«, sagte sie und lächelte ihn dann lieb an. Sie hatte recht, zutun hatte er tatsächlich nichts. Dann hielt sie ihm das Brötchen hin und Sasha nahm es wortlos, bevor er begann, ihr zu helfen. 

Justin sah erst zu ihnen, dann sah er zu mir. Ich lächelte ihn an, um ihm zu zeigen, dass er sich keine Sorgen machen sollte. Seufzend wandte er sich dann seinem Essen zu, genauso wie ich. Jeder aß auf, was er auf dem Teller hatte. 

Doch wie Justin und Mary war ich noch immer hungrig. Es ist schon eine Weile her, seitdem wir etwas Blut hatten. Doch Cress versprach, uns etwas zu besorgen. Wir sollten gegen Mittag zur Spree kommen, also würden wir das tun.

Gesagt, getan. Unsere Koffer hatten wir noch im Hotel wegschließen lassen. Nervös lief ich am Ufer der Spree auf und ab. Ich wusste nicht, was mich nervöser machte. Dass Cress sich verspätete, oder dass der Anruf der anderen zu spät war. 

Endlich kam  Cress und reichte uns drein eine Blutbankware. Schnell trank ich meine aus und der Hunger war, vorübergehend, gestillt. Ich packte die Leere Ware in meine Tasche, denn schließlich konnte ich sie nicht einfach in den nächstbesten Mülleimer schmeißen. Die anderen Taten das gleiche. 

Genau in diesem Moment klingelte mein Handy. Alle sahen zu mir, selbst Sasha. Erleichtert ging ich ans Handy. Arizona rief an. Doch es ertönte eine andere Person; Hunter. »Sie haben uns gefunden.« Schock durchfuhr mich. Sie hatten sie. Wir mussten ihnen helfen und das so schnell wie möglich. 

dark sun ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt