Kapitel 11

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Die restliche Woche verlief normal. Zu normal, wenn man bedachte, dass ein Fluch auf der Stadt lag. Ich konnte wieder zur Arbeit, da die Tagesmutter von Sydney wieder gesund war. Jeden Tag haben wir uns danach mit Xenia getroffen, die uns in ein paar Dämonensachen einweihte, die für uns noch relativ unbekannt waren. 

Auch erfuhren wir, warum Wesen der Nacht in ihrem Club keinen Zutritt hatten; sie wollte, dass die Menschen in Ruhe feiern konnten. Sie war jemand, dem das Wohlbefinden von ihnen noch am Herzen lag. Xenia setzte sich für sie ein und das mochte ich so an ihr. 

Auch war sie das komplette Gegenteil von ihrem Bruder. Sie war nett und offen. Lachte viel und konnte sehr einfühlsam sein. All die Dinge, die Hunter nicht war. Und sie hatte nie ihre Fröhlichkeit verloren. 

Es war Samstag früh. Sydney würde an dem Wochenende bei ihrer Großmutter sein, was vielleicht auch ganz gut war, denn Samuel würde dort niemals reinkommen. Das war eine der wenigen Sachen, für die man Stefanie dankbar sein konnte. 

Und nun saßen wir hier in einem Café. Justin, Xenia, Mary und ich. Arizona und Riley wollten nachkommen, sie mussten noch einkaufen gehen. Wir waren gerade dabei zu besprechen, was wir heute machen wollten, da legte sich ein Schatten über uns. Ich sah hoch und konnte meinen Augen nicht trauen. 

»Schaut mal, wen ich gefunden habe«, sagte Riley, der Arizonas Hand hielt. Neben ihm stand Hunter. Er sah aus wie immer. Mir war klar, dass er irgendwann einmal wieder auftauchen würde, aber um ehrlich zu sein, hatte ich nicht so früh mit ihm gerechnet. 

Sie setzten sich zu uns an den Tisch. Wir hatten extra den größten belegt. Doch es reichte nicht, denn Hunter musste sich noch einen Stuhl heranholen. Er erklärte uns kurz, was wir schon wussten; dass er in der Hölle etwas erledigen musste.

»Wie ich sehe habt ihr meine Schwester bereits kennengelernt«, sagte er und lehnte sich zurück, während alle anderen etwas aßen. 

»Ich wusste vorher gar nicht, dass Dämonen Geschwister haben«, gab ich zu. Hunter grinste. »Mein Vater ist über 2000 Jahre alt. So wie viele Dämonen. Da wechseln Partner häufig. Und es gab Zeiten ohne Verhütungsmittel..« Weiter musste er nicht reden. Das genügte mir. 

Dämonen haben viele Kinder mit vielen verschiedenen Frauen. Ich verstehe das schon. Mary schlürfte an ihrem Kaffee, wirkte aber ernsthaft interessiert an dieser Unterhaltung. Das ließ mich schmunzeln. 

* * *

Den Nachmittag verbrachten Justin und ich auf der Couch. Wir hatte Hunter unser Problem geschildert. Er war sich sicher, dass es ein Dämon hohen Ranges sein musste, da nur diese ungestört Flüche verteilen können. Doch laut ihm gab es davon Tausende auf dem amerikanischen Kontinent. Es würde ewig dauern, den richtigen zu finden.

Etwas später kam Arizona vorbei. Riley musste noch etwas erledigen und ihr war langweilig. Irgendwann kamen wir wieder auf den Fluch und die Tatsache, dass er uns alle befallen würde, wenn wir nicht irgendetwas unternehmen würden. 

»Ich könnte nicht alle retten...aber einen«, meinte Arizona. »Es gibt einen Schutzzauber. Der müsste in diesem Fall am ehesten wirken.« Das klang vielversprechend. Offenbar sahen nicht nur wir das so, denn Jorge, der eine Ewigkeit im Badezimmer verschwunden war, kam zu uns. 

»Bleibt nur die Frage, wer von uns allen am meisten Schaden anrichten könnte«, kam es von Arizona. Mit 'uns' meinte sie nicht nur uns drei, sondern all unsere Freunde. Das war eine harte Frage. 

»Jorge«, antwortete Justin wie aus der Pistole geschossen. Zwar hätte ich vielleicht noch etwas überlegt, aber ganz Unrecht hatte Justin nicht. Jorge war schon früher gefährlich. Aber verflucht?

Jorge jedoch verdrehte nur die Augen. Scheinbar fand er diese voreiligen Schlüsse übertrieben. »Und was ist mit Hunter und seiner Schwester? Oder Samuel? Ich würde jemanden ohne Seele gefährlicher einschätzen als mich, wenn ich von einem Fluch betroffen bin«, entgegnete er. 

»Du bist ein Psychopath«, argumentierte Justin. »Das kommt also aufs Gleiche hinaus.« Ein Schmunzeln konnte ich mir trotz all der Ernsthaftigkeit nicht verkneifen. Die Art wie die zwei miteinander umgehen, war einfach zu amüsant. 

Ich räusperte mich. »Meint ihr nicht, dass vielleicht die gefährlich sein könnten, die das komplette Gegenteil davon sind?«, wollte ich wissen. Wenn man genauer darüber nachdachte, würde sich doch bei Jorge oder Hunter nicht viel verändern. Auch, wenn wir nicht wirklich wussten, wie genau dieser Fluch funktionierte wussten wir, dass er jemanden schlimme Dinge tun ließ. 

Da würde es jemandem, der von Grund auf nur wenig gute Seiten hat, doch einfacher fallen, dem zu widerstehen. Schon allein, weil Hunter sowieso jeden Tag gegen das Böse in sich ankämpfen musste, wie er es beschrieb. 

»Dann werde ich den Schutzzauber über dich legen«, folgerte Arizona. »Wenn einer all das hier schaffen kann, dann du Kayleight.« Es freute mich, dass sie so sehr davon überzeugt war, denn ich war es nicht. Außerdem mochte ich es nicht, unter Druck zu stehen.

Aber jedes Widerwort war zwecklos. Arizona setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und ich tat es ihr gleich. Dann griff sie nach meinen Händen, schloss ihre Augen und begann, Dinge auf lateinisch zu sagen, von denen ich keine Ahnung hatte, was sie bedeuten. 

Ich spürte wie sich etwas einen Weg durch meinen Körper bahnte. Es war ein warmes und angenehmes Gefühl. Es fühlte sich an wie...Licht. Als würde meine Seele erhellen. Nach wenigen Minuten war der Zauber vollendet und Arizona sah mich an. 

»Wie fühlst du dich?«, wollte sie wissen. Ich überlegte, wie es sich am besten beschreiben ließ, entschied mich aber am Ende einfach für 'gut'. Mehr konnte man dazu einfach nicht sagen.

Doch war gut überhaupt eine Beschreibung dafür? Konnte man sich in diesen Zeiten gut fühlen? Seufzend stand ich auf. Zwar hatten wir abgesichert, dass ich keine mordende Psychopathin werden würde, aber das hieß nicht, dass damit das Problem gelöst war. Im Gegenteil. Es fing gerade erst an. 

Am Abend waren alle eingeweiht. Über mich und über den Fluch. Selbst Samuel. Cole hatte ihm die Nachricht überbracht. Wie genau, das war uns ein Rätsel. Das einzige, was Cole uns sagte war, dass Samuel noch immer in New York war und dass er auch nicht vorhatte, zu gehen. 

Als Justin und ich im Bett lagen, konnte ich nicht mehr leugnen, dass ich allmählich Angst bekam. Wen würde es als erstes treffen? Und was würde er machen? Wären sie bereit, uns alle anzugreifen? Zu töten? Wie weit würde der Fluch sie treiben?

dark sun ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt