d.h: Kapitel 16

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Auch wenn es so offensichtlich war, ich konnte es einfach nicht glauben. Er hatte uns auf seine kranke Art und Weise geholfen, indem er die Nachbarschaft niederbrannte. Und beim letzten Angriff hatte er uns ebenfalls das Leben gerettet. Mit Sydney. Und diese Verbindung bildete ich mir nicht einfach ein. 

»Aber du hasst Luzifer«, sagte ich und sah ihn an. Suchte nach irgendeinem Zeichen der Lüge, doch ich fand nichts. »Hass ist ein starkes und böses Wort. Ich kann mit ihm leben«, entgegnete er schulterzuckend. Das musste eine Lüge sein. 

»Und die Ablenkung? Oder die Rettung, als sie dich das letzte mal holen wollten?« Das konnte er doch niemals vorgespielt haben, oder doch? War er ein so guter Schauspieler? Er schloss kurz die Augen. Doch nicht einmal eine Sekunde später öffnete er sie wieder. 

»Alles Teil des Plans«, sagte er, dann lehnte er sich nach vorn. »Ich würde schweigen, wenn du den morgigen Tag noch erleben willst. Vertrau mir einfach.« Diese Worte waren kaum mehr ein Flüstern, so leise sprach er, bevor er wieder aufstand. 

Was bewirkte das? Was wollte er damit bezwecken? Doch ich hatte nicht die Zeit, darüber nachzudenken, denn Hunter und Sydney kamen nach draußen. Oder vielmehr; sie wurden nach draußen gebracht. Wie kamen die Dämonen darein? Durch eine Hexe? Aber wieso? So viele Fragen. 

Sydney rannte sofort zu mir, auch wenn ich sie nicht umarmen konnte. »Hunter soll seine gerechte Strafe bekommen. Aber das Kind ist nutzlos und nichts Wert.« Es waren harte Worte, die verletzend sein konnten. Doch Sasha tat das aus einem bestimmten Grund. Er wollte sie schützen. 

»Sie wäre nur eine Last«, fügte er noch hinzu. Sasha, der etwas weiter weg gegangen war, kam wieder etwas näher. Sydney sah mich lächelnd an. »Alles wird gut, Mommy«, sagte sie flüsternd. Fragend sah ich sie an. Wieso fürchtete sie sich nicht? Sie müsste Angst haben. Das hätte jedes Kind in diesem Alter. 

Dann sagte Sasha etwas. Doch ich war in Gedanken vertieft gewesen und erst als ich fallen gelassen wurde und auf dem Boden aufschlug, wurde mir klar, dass gerade etwas geschehen sein musste. Schnell setzte ich mich auf und sah mich um. Außer dem dunkelhaarigen und dem Blonden waren alle Dämonen eingefroren und zerfielen nun. Sydney hatte das getan. Sie hatte uns erneut gerettet. 

Ich umarmte Sydney, während der Blonde zu sprechen begann. »Sie ist doch nützlich«, meinte er und ich hörte Sasha lachen. »Du hast gelogen«, fuhr er fort. Ich sah zu Sasha, welcher nickte. 

»Wie gesagt, ich spiele gern, Lucien. Game Over.« Mit einem Schnipsen gingen er und der andere in Feuer auf. Erleichtert atmete ich durch. Sasha hätte uns davon erzählen sollen, vielleicht wären wir dann mehr vorbereitet gewesen. Aber wenigstens wussten wir jetzt, dass er tatsächlich auf unserer Seite war. 

Ich dankte ihm, auch wenn ich es nicht musste und er es vermutlich nicht wollte. Er nickte nur. Justin reichte mir die Hand und ich stand auf. Zwar sagte er nichts zu Sasha, doch ich wusste, dass auch er innerlich sehr dankbar war. Die anderen kamen raus und schienen alle erleichtert. Sie waren eingeweiht. Vermutlich kurz bevor die Dämonen hier auftauchten. 

Der glückliche Moment wurde durch einen wackelnden Boden unterbrochen. Ein Erdbeben? Hier in New York? So etwas hatte es noch nie gegeben. Dann riss der Boden auf. Schnell nahm ich Sydney hoch und wollte rein rennen, doch es war zu spät. Der Riss zog uns in die Tiefe und alles wurde schwarz. 

Als ich wach wurde, spürte ich eine Hitze, wie schon ewig nicht mehr. Blinzelnd setzte ich mich auf und musste feststellen, dass alle anderen noch ohnmächtig waren. Ich sah mich um. Nur eine einzige Person stand; Xenia. Wie war sie hier her gekommen? Doch das war im Grunde unwichtig, denn ich wusste nicht einmal, wo 'hier' genau war. 

»Wir sind...in der Hölle«, sagte sie und antwortete auf meine unausgesprochene Frage. In der Hölle? Deshalb war es hier so unglaublich warm. Sashas Plan war nach hinten losgegangen. Erneut sah ich mich um und stellte fest, dass Mary, Justin, Sydney, Xenia und ich die einzigen in diesem Kerker waren. Wo waren die anderen?

Ich vernahm ein Stöhnen und sah in diese Richtung. Mary wurde wach und hielt sich den Kopf. Im Gegensatz zu mir schien sie sofort zu erkennen, wo wir uns befinden und lehnte sich gegen den Steinfels. 

»Wusste gar nicht, dass es hier so etwas gibt«, gab sie zu. Ich aber auch nicht. Das letzte mal hatten wir nur karges Land voller Felsen und Gestein gesehen. Kein einziges Gebäude. 

»Wo sind die anderen?«, fragte sie, während auch Justin und Sydney langsam wach wurden. Sie kroch sofort zu mir und legte ihre Arme um mich. »Vermutlich in einem anderen Kerker. Eine Dämonen-Wache sagte vorhin, wir müssten auf unseren Prozess warten«, erklärte Xenia. 

Ungläubig sah ich zu ihr. Prozess? Wir? Weshalb denn? »Was für einen Prozess?«, wollte Mary wissen und das war durchaus eine gute Frage. Denn schließlich hatten sie nun Hunter und Sasha. Xenia seufzte. 

»Der Prozess wird sich hauptsächlich um Sydney und mich drehen. Sie wollen ein Exempel statuieren«, meinte sie und setzte sich nun ebenfalls. »Wird es ein fairer Prozess?«, wollte ich wissen, obwohl ich wusste, wie unnötig diese Frage war. Selbst Justin lachte auf. 

»Sie hassen Hybriden und es sind Dämonen. Das wird ein Schauprozess, nichts weiter«, antwortete sie und zog die Beine an. Xenia tat mir leid. Sie hatte nichts und niemandem etwas getan. 

Genauso wenig wie Sydney. Sie konnten doch kein Kind verurteilen. Wie barbarisch wäre das? Andererseits sind es Dämonen. Ihre Sitten sind anders. Sie haben keine Moral und durch die Abwesenheit der Seele auch keine Emotionen. Für sie war ein solcher Prozess vermutlich einfach. 

Zögernd fragte Mary, was sie und Sydney erwarten würde. »Die Todesstrafe. Sie erwartet uns alle. Schon das Verheimlichen eines Hybriden ist ein Verbrechen für Dämonen. Und sobald man sich in der Hölle befindet, kann man deshalb zur Rechenschaft gezogen werden«, erklärte sie. Also konnte man nur bestraft werden, wenn man sich in der Hölle befand? 

»Aber wir sind nicht freiwillig hier. Sie haben uns her geschleift«, entgegnete Mary und verschränkte die Arme, als hätte das irgendeine Bedeutung. Justin stimmte ihr zu und sie hatten recht; dieser Prozess war illegal. Doch das war die Hölle und kein Gericht in den Vereinigten Staaten. Hier herrschten andere Gesetze. 

»Für so etwas brauchen Dämonen nicht die Zustimmung von Luzifer. Er glaubt, sie können Recht von Unrecht unterscheiden. Doch er scheint seine Dämonen zu überschätzen«, meinte sie nun. Wollte sie damit sagen, dass dieser Prozess, wenn Luzifer davon wüsste, nicht stattfinden würde? 

Hunter hatte immer gesagt, dass sein Boss keinen Ärger will, sondern nur seiner Arbeit nachgeht. Personen, die in die Hölle gehören, haben in der Hölle zu bleiben. Ansonsten mischt er sich anscheinend nirgends ein. Vielleicht sollte ihm mal jemand sagen, dass seine Dämonen außer der Reihe tanzen und das recht häufig. 

Ich hörte Schritte näher kommen. »Aufstehen und an die Wand«, ertönte eine weibliche Stimme und ich könnte schwören, sie zu kennen. Die Person kam hinein und als ich kurz meinen Kopf drehte, um nachzuschauen, starrte ich geschockt die junge Frau an, die uns gerade noch kalt Anweisungen gegeben hatte; es war Zoe.

dark sun ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt