Kapitel 20

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Es hätte vermutlich eine Ewigkeit gedauert, Dacio und die anderen zu finden. Doch scheinbar wollte er es genauso schnell hinter sich bringen wie wir. Dacio hinterließ uns eine Nachricht. Der Treffpunkt war eine alte, nicht mehr genutzte Kirche am Stadtrand. 

Wir fragten uns gar nicht erst, ob es sich um eine Falle handelte oder nicht, denn was für eine Wahl hatten wir? Wir mussten dort hin. Es ging um unsere Freunde und um die Stadt. Hunter gab uns einige Spritzen voller Blut. Wie vorhin wird er hier bleiben und auf Sydney aufpassen. Adria wird ihm Gesellschaft leisten. 

Ich nahm Sydney auf den Arm und drückte sie fest an mich. Allein für sie musste ich Justin wieder holen. Jedes Kind braucht einen Vater. Und ich brauchte Justin genauso. Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn und reichte sie Hunter.

»Hunter, wenn ihr etwas passiert-« Doch er ließ mich gar nicht ausreden. »Ich weiß. Ich werde sie mit meinem Leben beschützen«, versprach er und ich musste ihm glauben. Hunter wusste nicht viel von menschlichen Gefühlen, doch er verstand was Familie war und darauf setzte ich. 

Ich nickte ihm zu und dann machten wir uns auf den Weg. Mary hatte Recht, unser Team war seltsam. Vor allem, wenn man bedachte, dass ich nur ihr blind traute. Und vielleicht noch Jorge, wenn es drauf ankam. 

Ich war nervös. Was wenn sie nicht da waren? Was wenn sie da waren? Ich wusste gar nicht, was von beidem schlimmer war. Nicht zu wissen, wo sie sind oder gegen sie kämpfen zu müssen. Seufzend setzte ich mich ans Steuer. 

Samuel würde alleine hinfinden und Cole, der wollte sich nicht daran beteiligen. Doch konnte ich es ihm verübeln? Er kannte uns eigentlich kaum, auch wenn wir Kontakt miteinander hatten. Außerdem schuldete er uns überhaupt nichts. Er sollte sich deshalb nicht in Gefahr geben. Und Josh? Tja Josh. Ob man ihm trauen konnte, das würden wir heute erfahren. Doch auch er sollte nicht wegen uns sterben. 

Wir kamen an der Kirche an. Ich sah zu Mary und sie seufzte. Dacio wusste vermutlich bereits, dass wir hier sind. Samuel hatte sich an die Kirchenmauer gelehnt und stieß sich ab, als wir alle ausstiegen. Ohne einen Ton zu sagen gingen wir hinein. 

Dacio saß bereits auf einer Stufe und grinste als er uns sah. Es war die Art von Grinsen, die einem einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Und die anderen waren neben ihm. 

»Ihr wollt also meine neuen Spielzeuge kennenlernen«, meinte er. Diese Aussage machte mich wütend. Das waren nicht seine Spielzeuge, sondern unsere Freunde. Wie konnte er es wagen. Dacio grinste, als könnte er meine Gedanken lesen. 

»Fragen wir sie doch mal, ob sie eure Freunde sind«, sagte er und sah zu ihnen. Zuerst fiel sein Blick auf Justin. Dieser begann ebenfalls fies zu grinsen und ich musste schlucken. Das war nicht der Justin, den ich kannte und das machte mir Angst. 

Riley legte seinen Bogen an und richtete ihn immer auf einen von uns, ließ aber nicht los. Noch nicht. Doch dieser Moment würde noch kommen und ich fürchtete mich bereits davor. Ich wollte keinem von ihnen etwas tun. Und das würde ich auch nicht. Doch Samuel..

»Nicht einmal Hunter und die Verräterin Adria haben euch begleitet. Dämonen sind einfach zu egoistisch, um zu helfen«, meinte Dacio und es war deutlich zu hören, dass er auch von sich selbst sprach. Und für ihn mag das zustimmen. Doch Hunter wäre mitgekommen, wenn wir ihn nicht darum gebeten hätten, Zuhause zu bleiben. Und Adria war dort einfach sicherer. 

»Ich würde nicht pauschalisieren. Manche mögen das nämlich nicht.« Der Satz kam von Samuel, der ebenfalls ein Dämon und hier war. Dacio stieß einen Seufzer aus. 

»Du könntest an meiner Seite kämpfen. Wir könnten über die Stadt regieren. Oder über mehr«, sagte Dacio. Samuel blieb kurz still und erst dachte ich, er könnte tatsächlich die Seiten wechseln. 

»Du bist nicht der erste Dämon, der das versuchen will«, entgegnete er und ich wusste, dass er von Sasha redete. Doch Dacio war nicht Sasha. Sasha war jung. Jedenfalls vom Äußerlichen her. Und Dacion...er wirkte älter. Vielleicht Mitte dreißig. Ich wusste nicht wie Dämonen altern. Doch trotzdem sagte mir etwas, dass Sasha noch recht jung war. Und Dacio schon recht alt. 

»Aber mit dir an meiner Seite wäre es einfacher. Und ich bin nicht Sasha«, meinte er. Also kannte er ihn. Vermutlich hatte man darüber in der Hölle geredet. Neuigkeiten verbreiteten sich schließlich überall schnell. 

»Ich mag Hunter vielleicht nicht«, entgegnete Samuel. »Aber man kann viel von ihm lernen. Und eines davon ist, dass ein solcher Größenwahn keine Chance hat.« Das war es. Der letzte Satz, bevor es begann. Ich hatte es nicht kommen sehen, doch plötzlich wurden wir alle gegen die Sitzbänke geschleudert. Das hatten wir definitiv Arizona zu verdanken. 

Der Sturz verursachte kurzzeitig Schmerzen in meinem linken Arm. Doch schnell ließen sie wieder nach. Gerade als ich aufstehen wollte, wurde ich allerdings wieder auf den Boden geschleudert. Justin lag über mir. 

Noch nie hatte ich eine solche Kälte in seinen Augen gesehen. Doch ich hatte keine Angst vor ihm, das war das seltsame. Trotz allem vertraute ich ihm noch. Vielleicht zu sehr, denn er versuchte gerade mich zu töten. Irgendwie musste ich ihn ausschalten. 

Endlich konnte ich ihn wegdrücken. In Vampirgeschwindigkeit brach ich ihm das Genick und er sackte zusammen. Außer Puste stand ich auf und konnte sehen, wie Samuel Riley angreifen wollte. 

»Sam nicht!«, rief ich aus dem Impuls heraus. Geschockt sah er zu mir und kurz darauf erwischte ihn ein Pfeil im Rücken. Nun wurde sein Gesichtsausdruck wütend. Er rannte zu mir und zog mich hinter eine Ecke. 

Rasch zog ich ihm den Pfeil heraus, bevor er sich wütend zu mir umdrehte. »Was sollte das? Sie sind unsere Freunde, Sam«, sagte ich und kam ihm somit zuvor. 

»Korrektur. Sie sind eure Freunde. Und so sieht das gerade nicht aus, Kayleight«, entgegnete er und ich seufzte. Doch aufgeben würde ich nicht. Ich wusste noch genau, was Samuel zu mir gesagt hatte, aber wie konnte ich so etwas einfach hinnehmen, wenn sie mir so wichtig waren?

»Sobald Dacio tot ist, sind sie wieder sie selbst. Darauf sollten wir uns fokussieren.« Samuel fiel es schwer, dies zu akzeptieren. Sehr schwer sogar. Doch schlussendlich nickte er und gab mir sein Wort, ihnen nichts zu tun. Oder es jedenfalls zu versuchen. Er wusste gar nicht wie dankbar ich ihm war. 

»Aber dann schuldest du mir was«, war das letzte was er sagte, bevor er wieder zu den anderen rannte und ich tat es ihm gleich. Mir war egal, was ich ihm schuldete, solange er den anderen nichts tat.

Ich drückte Riley zu Boden, doch flog sofort wieder gegen eine Wand. Auch wenn ich wusste, dass Arizona so etwas eigentlich nie tun würde; weich war die Wand dennoch nicht. Es dauerte ein paar Sekunden bis ich mich wieder gefangen hatte. Riley hatte bereits einen Pfeil angelegt und richtete ihn auf mich, als er plötzlich mit einem Brett niedergeschlagen wurde. 

Die Frau drehte sich kurz leicht grinsend zu mir um. Es war Xenia. Aber sie war doch gegangen. Sie hatte die Stadt verlassen. Wieso also war sie jetzt wieder hier? Hatte Hunter sie geholt?

Während Riley noch auf Knien war, schnappte sie sich seinen Bogen und einen Pfeil. Schnell bastelte sie an der Spitze rum, bevor sie auf Dacio zielte und schoss. Sie traf ihn mitten im Herzen. Geschockt sah dieser zu uns. 

»Grüße aus der Hölle, Arschloch. Das Fegefeuer wartet schon.« Kurz darauf sackte Dacio zusammen und verschwand auf einmal. Justin, der gerade mit Josh zu kämpfen hatte, hörte ruckartig auf und sah sich um. 

Arizona ging es auch so und Riley, der sich den Kopf hielt, stand verwirrt auf. Erleichtert atmete ich aus und fiel Xenia dankend um den Hals. Mir war egal, weshalb sie hier war. Wichtig war nur, dass sie es war, denn sie hatte uns das Leben gerettet. Wir alle waren noch am Leben.

dark sun ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt