d.s: Kapitel 9

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4 Jahre später

Vier Jahre waren vergangen. Gerade waren wir in Berlin. Es war Herbst und recht kühl. Lange würden wir nicht hier bleiben. Das konnten wir gar nicht, denn sonst würden sie uns finden. Einmal hatten wir es gewagt, irgendwo etwas länger zu bleiben. Das war in Toronto, Kanada. Wir konnten gerade noch fliehen. 

Wir liefen an der Spree entlang. Sydney, die mittlerweile viel größer war, hielt meine Hand. Ich sah zu Sasha. Er wirkte unglücklich und das schon eine längere Zeit. Ich wusste nicht, woran das lag. Vielleicht floh er nicht gern oder vielleicht wollte er einfach nur weg von uns, was er nicht konnte. So viele Dämonen wie hinter ihm her waren, konnte nicht einmal er besiegen. Auch mit Feuer nicht. 

Irgendwann ließen wir uns am Ufer nieder. Heute war ein etwas wärmere Herbsttag. Mary hatte eine Decke mitgenommen und in irgendeinem Café hatten wir etwas zum Essen besorgt. Ungern ließ ich Sydney am Ufer spielen, denn obwohl wir nichts über Meerjungfrauen in der Spree wussten, waren wir uns sicher, dass es auch hier welche gab. 

Doch ich verbot ihr ungern was. Sie konnte schon nicht in den Kindergarten oder in die Vorschule und somit unter gleichaltrigen sein. Es war das Mindeste, dass ich sie sooft wie möglich Kind sein ließ. 

Justin legte einen Arm um mich und küsste meine Wange, bevor er mit dem Essen begann. Ich rief Sydney zu uns. Rasch rannte sie her und außer Atem fragte sie mich, ob eine Freundin mitessen könne. Fragend sah ich sie an. 

»Welche Freundin?«, wollte ich wissen und sah mich mit leichter Panik um. War ein Dämon hier, von dem wir nichts wussten? Versuchten sie jetzt, uns so anzugreifen? Indem sie sich zuerst meiner Tochter näherten?

»Sie sagt, sie kennt euch und sei eine Freundin. Müsste gleich kommen«, antwortete Sydney und setzte sich zwischen Mary und Xenia. Ich hatte ihr doch verboten, mit Fremden zu sprechen. Selbst mit Sasha sollte sie nicht alleine sein. Ich vertraute ihm, was sie anging, einfach nicht. Das konnte ich nach allem, was geschehen war, auch nicht. 

Jemand kam hinter einem Baum in der Nähe hervor. Und als ich das blonde Haar und ihr Gesicht sah, atmete ich erleichtert aus. Es war Cress. Ein Glück. Lächelnd winkte sie uns zu und ich erwiderte es. Sie ließ sich zwischen Sasha und mir fallen. 

»Tut mir leid, falls ich euch erschreckt habe, aber ich wollte mir noch schnell etwas anderes anziehen«, sagte sie leicht schmunzelnd. »Denn ich schätze es kommt komisch, wenn jemand im Herbst in der Spree baden ist.« Da musste ich ihr zustimmen. Obwohl ich überhaupt nicht wusste, ob man in diesem Teil überhaupt baden gehen durfte. 

Sie erzählte uns, dass sie durch Riley wusste, wo wir uns befanden. Ihm hatten wir es erst kürzlich mitgeteilt. Auch, weil wir wissen wollten, ob es ihnen gut ging, was wohl der Fall war. Cress mussten wir damals zurücklassen, weil wir selten in der Nähe von Gewässern waren. Doch sie akzeptierte es und besuchte uns heute das erste mal. 

Sie berichtete mir, wie es meiner Familie ging. Ich hatte Layla gesagt, sie sollte öfter mal am See nach ihr schauen. Scheinbar hatte sie es getan, denn so wie Cress es erzählte, schienen sie gute Freundinnen geworden zu sein. Mittlerweile hatten sie auch fast dasselbe Alter. 

»Was hat euch nach Deutschland geschlagen?«, wollte sie wissen, während sie sich ein Sandwich nahm. »Sasha«, gab ich zu. »Er kann Deutsch. So kommen wir hier ganz gut zurecht. Als nächstes geht's auf nach Köln«, erzählte ich ihr. Wir versuchten so lange wie möglich in einem Land zu bleiben. 

Dass Sasha Deutsch konnte, schien sie genauso zu überraschen wie uns. Beeindruckt sah sie zu ihm und er verdrehte nur die Augen. »Englisch, Deutsch, Latein und Spanisch. Ich lebe schließlich schon ne Weile«, antwortete er auf ihre unausgesprochene Frage. Zugegeben; dumm war Sasha nicht. Im Gegenteil. Er war ein Genie und wusste verdammt viel. 

Im Gegensatz zu den meisten Teenagern war er Weise, denn er hatte schon über 1000 Jahre auf dem Buckel. Und er hasste es, Teenager genannt zu werden. Also taten wir es nicht mehr. 

* * *

Am Abend waren wir alle im Hotelzimmer von Justin, Sydney und mir. Mary teilte sich eins mit Sasha und Xenia. Wir hatten ihr angeboten, hin und wieder zu tauschen, doch sie sagte, dass sie mit eineinhalb Dämonen gut klarkäme. 

Xenia lag auf der Couch, die mitten im Zimmer stand und war eingeschlafen. Wir würden sie nicht wecken. Wenn sie bis morgen hier schlafen würde, dann sei es so. 

Es war in letzter Zeit so friedlich

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Es war in letzter Zeit so friedlich. Fast wirkte es wie die Ruhe vor dem Sturm und darüber sorgte ich mich. Was, wenn es nicht mehr lange so bleiben würde? Irgendwann würden wir ihnen nicht mehr entkommen können und dann würde es zu einer Konfrontation kommen. Waren wir dem gewappnet? Oder würden wir sterben?

Ich sah zu Sydney, die unbedingt noch ein Brettspiel spielen wollte. Doch Mary telefonierte mit ihrem Bruder. Anstatt uns zu fragen, ging sie einfach zu Sasha, der gerade Fernseh sah, und legte ihm das Spiel auf den Schoß. 

Angespannt betrachtete ich die Situation. Sie hatten nie wirklich interagiert. Ich wusste nicht, wie er reagieren wurden und ob er Kinder überhaupt mochte. Er sah zu uns und dann auf das Spiel. Sein Blick war so unergründlich und kühl wie immer doch Sydney schien das nicht zu stören. 

»Willst du nicht lieber mit deinen Eltern spielen?«, fragte er. Es klang weniger danach, als ob er genervt war sondern mehr, als hätte er genauso wenig Lust uns näher zu kommen wie wir umgedreht. Sobald das alles vorbei war, würden sich unsere Wege trennen und das war besser für alle Beteiligten. 

»Mum und Dad möchten sich bestimmt ausruhen«, sagte sie und sah leicht schmunzelnd zu uns. Dann blickte sie wieder zu Sasha. »Außerdem langweilst du dich sonst. Komm.« Das klang nicht wie eine Bitte. Auch, wenn sie nicht unser Kind war, erinnerte sie mich sehr an Justins Schwester. Sydney wusste, was sie wollte und sie gab sich nicht einfach mit einem 'nein' zufrieden. 

Jetzt spürte ich auch, dass Justin angespannt war. Keiner von uns wusste, wie Sasha auf so etwas reagieren würde. Und die Vergangenheit war, auch nach vier Jahren, noch recht frisch. Doch er schnappte das Brett und ließ sich dann ergeben mitziehen. Zusammen mit ihr setzte er sich auf den Boden und breitete das Spiel aus. 

Ich war erleichtert darüber. Doch Justin nicht. »Wenn er ihr wehtut, dann bringe ich ihn um«, sagte er zu mir. So leise, dass es niemand anderes verstanden haben konnte. »Er hatte die letzten vier Jahre Zeit, uns wehzutun. Wenn er das gewollt hätte, würden wir nicht mehr leben«, antwortete ich genauso leise. Zwar beruhigte Justin das nicht, aber er blieb still. 

So beendeten wir auch den Abend. Mary und Sasha gingen irgendwann in ihr Zimmer, während Xenia weiter auf dem Sofa schlief. Sydney lag zwischen Justin und mir und ich sah zu ihm. Er schlief bereits. Ein Arm lag um Sydney und sie hatte sich an ihn gekuschelt. Doch mir ließ es nicht los, dass wir es in letzter Zeit so ruhig hatten. Irgendetwas würde geschehen, das sagte mir mein Bauch.

dark sun ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt