Kapitel 14

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Wie ich es hasste, wenn ich ein schlechtes Gefühl hatte. Seufzend stand ich am nächsten Morgen auf. Freitag. Ich wusste nicht, ob ich heute zur Arbeit gehen sollte, wenn Riley nicht da war. Doch es wäre besser. Ich kannte das Passwort, welches die Computer für den Tag betriebsbereit machte. Ohne mich, würde niemand seiner Arbeit nachgehen können. 

Also würde ich heute Chef spielen. Und Justin? Er musste vor mir aufgestanden sein, denn seine Bettseite war leer. Es war unüblich für ihn, doch vielleicht konnte er einfach nicht mehr schlafen. Oder Sydney hatte ihn geweckt. 

Doch als ich im Wohnzimmer ankam, versuchte Sydney Jorge zu wecken. Von Justin war keine Spur. Rasch ging ich zu ihr und nahm sie auf den Arm. Jorge sah mich müde an. 

»Entschuldigung«, sagte ich und seufzte erneut, als ich mich zu ihm auf die Couch setzte, nachdem er sich aufgesetzt hatte. »Hast du Justin gehen gehört?« Er schüttelte verschlafen den Kopf. Ich würde mir unter normalen Umständen keine Sorge darüber machen. Aber mit dem Fluch in der Stadt und Rileys gestrigem Verhalten, war das nur verständlich. 

»Vielleicht musste er früh an die Uni. Mach dir darüber keine Sorgen, Kayleight«, sagte er und unternahm einen Versuch, mich zu beruhigen, doch es funktionierte nicht ganz. Nickend stand ich auf und bewegte mich mit Sydney in die Küche. Dort setzte ich sie in den Hochstuhl und bereitete ihr Müsli vor. 

Dann stellte ich Müsli, Milch, zwei Schüsseln und zwei Gläser, gefüllt mit Blut, auf den Tisch, bevor ich mich niederließ und Sydney fütterte. Jorge ging als erstes ins Bad. Vermutlich wollte er sich erst einmal frisch machen. Dann, als ich mit Sydney fertig war und sie auf den Boden abgesetzt hatte, tauchte auch Jorge wieder auf. 

Wir beide aßen und blieben dabei still. Ich schrieb Justin eine SMS, nur zur Vorsicht. Normalerweise antwortete er immer spätestens nach einer halben, dreiviertel Stunde. Doch es gab noch eine weitere Sache, die mich plagte; Sydneys Tagesmutter war in der Nähe des Central Parks. Ich sah zu Jorge. 

»Könntest du heute auf Sydney aufpassen? Ich will sie nicht zur Tagesmutter bringen«, erklärte ich und Jorge nickte, als hätte er selber nichts zutun. Dabei machte ich ihm den Plan, sich mit Samuel zu treffen, kaputt. 

Doch er sagte nichts dagegen. Eigentlich war dieses Treffen wichtig, denn wir mussten ihn wenigstens darum bitten, etwas Ausschau nach einem Dämon zu halten, der mit der Sache etwas zutun haben könnte. Aber zur Not konnten wir das auch noch morgen machen. Oder aber wir luden ihn einfach zu uns ein. 

* * *

Eine Stunde später betrat ich Rileys Büro und gab am Computer das Sicherheitspasswort ein, damit jeder in der Firma seiner Tätigkeit nachgehen konnte. Seufzend lehnte ich mich zurück, denn noch immer hatte Justin nicht geantwortet. Mary  beruhigte mich jedoch, denn sie hatte ihn an der Universität angetroffen. Vielleicht hatte er einfach keine Zeit, um auf sein Handy zu schauen. 

Ich drehte mich auf dem Stuhl, bis mir das zu langweilig wurde. Jetzt konnte ich verstehen, weshalb Riley meist bei seinen Mitarbeitern war, anstatt hier oben im Büro. Hier gab es nichts zutun. Jedenfalls für mich nicht, denn schließlich leitete ich diese Firma nicht, sondern er. 

Irgendwann stand ich auf und ging auf meinen normalen Arbeitsplatz, wo ich e-Mails beantwortete, Anträge stellte und Geld überwies. Wäre Riley hier, könnte ich nachfragen, ob es noch etwas zu erledigen gab, denn mehr war von gestern nicht übrig. Und wie mir schien es vielen zu gehen. 

Seufzend ging ich also wieder in sein Büro und loggte mich in seinen e-Mail Account ein, von wo ich eine Nachricht an alle Mitarbeiter versandte, in der stand, dass ich, also Riley, für die nächste Woche krank sei, weshalb jeden Tag nur die kleinen Aufgaben erledigt werden sollen. 

Kleine Aufgaben in dieser Firma waren die Dinge, die ich getan hatte. Jeder beantwortete Nachrichten von Kunden oder überwies Geld, um Bestellungen aufzunehmen. Erneut seufzte ich, denn ich würde mich erst einmal darum kümmern müssen, was genau unsere Firma benötigte und wie viel Geld dafür zur Verfügung stand. 

Es dauerte drei Stunden, bis ich mich durch Rileys Papierkram gewühlt hatte. Sollte irgendwann wieder alles beim alten sein, würde ich ihn dazu bringen, hier mehr aufzuräumen. Denn sonst würde er irgendwann selbst nicht mehr durchsehen. 

Dann schrieb ich alles nieder und verschickte als Riley die einzelnen Aufträge an die Mitarbeiter. Als ich auch damit fertig war, lehnte ich mich zurück. Nie wieder würde ich mich über meine Arbeit beschweren. Nie wieder. Es war was anderes, für jemanden zu arbeiten oder die Person zu sein, für die gearbeitet wird. 

Als sich der Tag dem Ende zuneigte und die Mitarbeiter Schluss hatten, fuhr ich den Betriebsserver wieder herunter und machte mich auf den Weg Nachhause. Das war ein langer Tag und ich kam nicht einmal dazu, Mittag zu essen. Auch habe ich schon seit Stunden nicht mehr aufs Handy geschaut. 

Ich hatte drei Nachrichten. Zwei von Mary, eine von Jorge. Doch Justin hatte sich noch nicht gemeldet. Also öffnete ich als erstes die von Mary. Sie sind keine zehn Minuten alt. Dort drinnen stand, dass sie Hilfe brauchte, weil Justin sie angriff. 

Mein Herz zersprang in tausend Stücke, und doch rannte ich sofort los. Ich wusste, dass etwas anders war, als er sich gestern zu mir ins Bett gelegt hatte. Doch dass es das war, damit hatte ich nicht gerechnet. 

Die Tür bei Mary war offen, weshalb ich vorsichtig nach drinnen ging. Hier war einiges verwüstet und erst in dieser Unordnung fiel mir auf, wie viel Krimskrams sie eigentlich besaß. In dem großen Haus, in dem sie erst lebte, fiel all das nicht so auf. 

Plötzlich wurde ich gegen die Wand gedrückt. Vor Schock riss ich die Augen auf und war erleichtert, als es nur Mary war. 

»Bitte sag mir, dass du noch du bist«, sagte sie und ich nickte. »Der Schutzzauber ist doch über mich gelegt worden«, antwortete ich. Langsam schien sie das zu begreifen und ließ mich los. Ihre Augen waren rot, als hätte sie geweint. Sie machte sich auf dem Weg ins Wohnzimmer und ich folgte ihr. 

Was ich dort sah, schockierte mich. Überall war Blut und der Kaffeetisch war kaputt. Justin lag zwischen all der Unordnung. »Ist..ist er-« »Nein, ich habe ihm nur das Genick gebrochen«, entgegnete sie und hockte sich zu ihm. Mary erzählte mir mit allen Einzelheiten, was genau geschehen ist. Wie er sie angegriffen hat. 

Ich erinnerte mich noch gut daran wie Justin war, als ich ihn kennenlernte. Ihm waren Menschenleben gleichgültig, sie waren wertlos für ihn. Aber so, wie Mary ihn schilderte, hatte ich ihn noch nie erlebt.

Mein Blick fiel auf sie. Wir beide wussten, dass nur sie stark genug war, um es überhaupt mit Justin aufzunehmen. 

»Ich kenne ihn seit mehreren hundert Jahren. So habe ich ihn noch nie erlebt. Er wollte mich töten. Das hatte er nicht einmal so zielstrebig versucht, als ich wieder aufgetaucht bin.« Ich konnte erkennen, dass erneut Tränen in ihre Augen stiegen. 

Als wir zu mir gingen und Jorge alles erzählten, sorge er dafür, dass Justin zu Arizona und Riley kam. Hunter und Xenia hatten wir auch Bescheid gegeben. Mittlerweile waren sie hier. 

»Er erinnert sich noch«, sagte Hunter wie aus dem Nichts und sah zu Mary. Scheinbar hatte sie sich das gefragt. Mary sah zu ihm hoch. 

»Er erinnert sich an Umrisse von Gesichtern, doch er kann nicht sagen, ob sie zum Feind oder zum Freund gehören. Außerdem weiß er selbst nicht, auf welcher Seite er steht«, erklärte Hunter. Es machte Sinn und doch tat es weh, das zu hören. 

»Kann die Person, die den Fluch gesprochen hat, ihn kontrollieren?«, wollte Mary wissen. Hunter nickte. »Wenn er oder sie weiß, wer betroffen ist, dann ja. Doch das ist jetzt unmöglich, da er, genau wie Riley und Arizona weggesperrt ist«, antwortete er. 

Doch ich war mir da nicht so sicher, denn schließlich war Riley einen Tag lang verschwunden und auch Justin fehlte mindestens den halben Tag. In der Zeit kann viel passiert sein. Aber das wichtigste ist, dass sie nun weggesperrt sind. Sie sind nun keine Gefahr mehr für andere oder aber für sich selbst. 

dark sun ➹ j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt