❖
[ 01 // anastasia, drisella and cinderella ]
▂▂▂▂▂▂▂▂▂▂▂▂
Tage wie diese machen mich nervös.
Es beginnt schon am Morgen, in der Stille vor dem endgültigen Erwachen. Eine lähmende Ruhe will sich breitmachen, die so trügerisch ist, das man nicht einmal an ihr festhalten kann. Ein wenig wie ein Traum, der einem entgleitet, sobald man die Augen aufschlägt und sich die Dunkelheit der Nacht in die letzten Ecken des Zimmers zurückzieht, bevor sie schließlich ganz verschwindet.
Erst, wenn die ersten Geräusche in der Wohnung erklingen, kann ich die angehaltene Luft ausstoßen.
Meist ist es Glinda, die man zuerst hört. Sie schlägt nach ihrem Wecker, dessen anklagendes Dröhnen wie durch hunderttausend Schichten Watte zuerst durch ihre Tür, dann durch den Flur, und schließlich durch meine Zimmerwand dringt.
Manchmal höre ich den Wecker auch nicht, sondern nur Schritte, dann die quietschende Badezimmertür, deren Scharniere dringend wieder einmal geölt werden müsste. Wenn das Wasser in der Dusche sofort läuft, dann ist es Lily. Wenn ich bis dreißig zählen kann, so muss es Rebecca sein.
Wenn ich unterdrückte, spitze Stimmen an derselben Stelle vor dem Badezimmer höre, dann sind beide gleichzeitig aufgestanden und man streitet sich um den Vorrang für das morgendliche Privileg der Dusche.
Meistens gewinnt Rebecca. Lily ist zu weich und mag mich zu gerne, als dass sie zu meinem Gesicht auf einem anderen Körper nein sagen könnte.
Selbst, wenn sie streiten, bin ich seltsam glücklich, ihre Stimmen zu hören. Die gewohnte Geräuschkulisse einer frühmorgendlichen Auseinandersetzung, die eine Viertelstunde später am Frühstückstisch ohnehin schon wieder so gut wie vergessen ist, lässt das unheimliche Gefühl der vollkommenen Abschottung ein wenig verfliegen. Und das ist gut.
Sobald ich wach genug bin, Räson anzuwenden, ist diese unbestimmbare Notion ohnehin kein echtes Problem mehr. Die Wohnung wacht auf, die Nacht verschwindet aus ihren Einengungen und ich weiß, dass ich wieder einmal davon gekommen bin.
Wenn Glinda wüsste, welche Ängste mich in diesen schwachen, einsamen Momenten heimsuchen, würde sie mich ohne zu zögern an den Haaren aus dem Bett und in ihre Praxis am anderen Ende der Stadt schleifen. Schnelle Diagnosen sind ihr Spezialgebiet.
Aber Glinda weiß es nicht. Nicht einmal meine echte Mum hätte geahnt, dass ihre Tochter nicht ganz so unbehelligt ist, wie sie tut. Dass sie doch Angst hat. Sei es nur vor der verzweifelnden Einsamkeit am frühen Morgen, weit vor den ersten Sonnenstrahlen.
Wenn die Angst am Morgen überwiegt, kann ich sicher sein, dass der Tag mich nervös machen wird.
Ich stehe auf und verwechsle meine Schuluniform mit der Arbeitskleidung des Cafés, in dem Lily und ich außerschulisch jobben, um unser Kleingeld aufzubessern. Meine Hände zittern vielleicht, wenn ich mir durch die wirren Haare fahre. (Ich dusche abends.)
DU LIEST GERADE
Be My Muse
FanfictionInmitten einer Metropole, die sich bereit erklärt hat, ihre Bühne zu sein, entfalten sich Tag für Tag tausende Geschichten. Eine davon handelt von Miranda Gorman, die bis zu dem Augenblick für Durchschnittlichkeit prädestiniert ist, in dem sie ihn z...