⌞chapter three⌝

779 67 147
                                    

[ 03 // still want to drown ]

▂▂▂▂▂▂▂▂▂▂▂▂

Zur Feier des Tages nehmen wir Dads Wagen, anstatt uns mit Abendkleid und Smoking in die überfüllte U-Bahn zu quetschen.

Wir sehen eigentlich alle ganz akzeptabel aus.

Glinda trägt ein fließendes, himmelblaues Seidenkleid, das mit Faux-Fell garniert ist, das lange, blonde Haar fällt glatt über ihren Rücken und ihre natürliche Schönheit bestrahlt Dad, der in seinem engen Tuxedo auf eine Benefiz-Gala seiner Firma gehen könnte.

Rebecca hat sich ebenfalls in Schale geworfen; ihr gelingt es jedes Mal aufs Neue unser rundes Gesicht so zu konturieren, dass es markant und eckig wirkt. Die lockigen Wellen fallen bis zu ihren Schulterblättern und ihr Kleid ist so schön, dass selbst Lily bewundernd die Nase rümpfen muss.

Wenn Yixing sie so sieht, wird er garantiert über seine eigenen Füße fallen und sich hoffnungslos im schweren Samtvorhang verheddern; das behauptet zumindest Lily, die den Spaß ihres Lebens hat, die Performance schon im Voraus zu verschreien.

Lily selbst hat sich in einen schwarzen Hosenanzug geworfen, in dessen Taschen sie eine angebrochene Packung M&Ms gefunden hat, die sie gerade genüsslich zwischen ihren Backenzähnen zerknackt. Sie hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich zu kämmen, aber ihr verwuschelten Haare können durchaus auch als ein Exempel unbemühten Schicks durchgehen. Mit viel Fantasie.

Einzig und alleine ich sehe langweilig aus; das weiß ich selbst. Ich bin nicht kurvig genug für ein körperbetontes Kleid und an manchen Stellen zu üppig, als dass ich mich an einen Hosenanzug wagen könnte. Also trage ich einen schwarzen Bleistiftrock und eine weiße Bluse, unter der jedem Betrachter mein roter BH wie ein Warnzeichen entgegen blitzt. Lily macht mich erst darauf aufmerksam, da sitzen wir schon längst auf der Intercity in Richtung Concert Hall.

Ausziehen kommt nicht in Frage und während Rebecca mir anbietet, eine Tageszeitung, die sie unter dem Sitz gefunden hat, zu zerlegen, damit ich ihn um den roten Stoff schlingen kann, sodass die Farbe wenigstens ein wenig abgemildert wird, lacht Lily bösartig und gackernd.

Nachdem wir uns erst einmal ausgiebig geprügelt haben—kaum zu glauben, dass wir schon achtzehn sind—ist Rebecca stocksauer, weil Lilys Ellbogen sie an der Stirn getroffen hat.

Die Fahrt zur Concert Hall dauert seine Zeit, weil ganz Südkorea gerade offensichtlich auf der schmalen Interstate unterwegs und als Becca beinahe einem Nervenzusammenbruch erliegt, weil sie glaubt, dass wir zu spät kommen, lichtet sich die Ausfahrt plötzlich ganz überraschend und Dad schneidet einem Lieferwagen den Weg ab, während er in verboten schneller Geschwindigkeit die Abfahrt hinab rast.

Glinda beruhigt meine hyperventillierende Schwester, während Lily lautstark nach McDonalds verlangt, und das, obwohl sie seit drei Uhr nachmittags durchgehend irgendetwas gegessen hat.

Die Concert Hall von Seoul besitzt das prominente Erscheinungsbild des Opernhauses von Sydney nicht ganz, aber sie kann sich sehen lassen—wie alles in Seoul. Ein riesiger Flügel ragt aus dem geometrisch angelegten Gebäude, und ich frage mich, wie gut Yixing inzwischen sein muss, dass er in so einem Etablissement auftritt. Die säuberlich aufgezogene Parkanlage vor dem weitläufigen Konzerthaus ist bereits mit Autos geflutet, die ähnlich wie wir nach einem Stellplatz suchen, aber es dauert nicht lange und Glindas Adleraugen machen einen freien Platz unter einer blattlosen Linde aus.

Be My MuseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt