Kapitel 6

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"Hast du alles?" Leon schaute nochmal in seine Tasche. "Ja, hab alles." "Sicher?" "Jaaaa!" Ich war mir sicher, dass er wieder was vergessen hatte, war zwar nur eine Nacht, aber man könnte trotzdem mal alles dabei haben. Im Trainingslager hatte er so gut wie alles vergessen. Zahnpasta, Haarspray, sogar seine Zahnbürste hatte er vergessen. Heute ging es zum ersten Saisonspiel auswärts nach Berlin. Das war mein erstes Pflichtspiel und ich war mehr als nervös. Die Fans trauten mir das stellenweise nicht zu 'Was will denn ne Frau da?' 'Die will sicher nur en Spieler haben.' 'Als ob die was kann.' Leon und auch meine Kollegen hatten mir zwar gut zugesprochen, aber Bammel hatte ich trotzdem.

Als die Spieler auf den Platz liefen zum warm machen, hielt ich mich im Hintergrund und beobachtete alles ganz genau. Leon war in der Startelf und irgendwie war die Nervosität etwas verschwunden. Der Schiri pfiff das Spiel an und von hier sah alles so ganz anders aus. Die erste Halbzeit verlief ohne Probleme und es stand 0:0. Es war echt ein hitziges Spiel und vom Gefühl her war es nur eine Frage der Zeit, wann das Tor fiel. Max zeigte irgendwann an, dass es nicht mehr weiterging. Er kam zur Bank und ich hatte schon alles fertig gemacht. Sein Knöchel war etwas dick, aber soweit ich das beurteilen konnte, war nichts kaputt und gab ihm etwas zum kühlen. "Trotzdem fahren wir nach dem Spiel mit dir ins Krankenhaus, damit wir gucken, ob wirklich nichts kaputt ist." Er nickte nur, sprang aber auf, da wir ein Tor gemacht hatten.

Ich hielt Ausschau nach dem Torschützen und grinste, da Leon das Tor gemacht hatte. Aber auch er zeigte an, dass es für ihn nicht mehr weiterging. Ich sah meinen Kollegen an, der sich dann um Leon kümmerte, der sich nass geschwitzt neben mich setzte. "Alles okay?" Er nickte. "Muskulatur macht zu, aber alles okay." Ich sah auf die Videotafel und stellte erschrocken fest, dass es noch immer 5 Minuten waren. Die Berliner wurde immer stärker und dann wurde es nochmal turbulent. Ralle krachte mit einem Stürmer zusammen und blieb liegen. Sofort machte ich mich mit dem Mannschaftsarzt auf den Weg zu ihm.

"Die Schulter?" Er nickte und man sah, dass er Schmerzen hatte. "Lass mich mal gucken." Ich fühlte die Schulter ab. Ausgekugelt war sie nicht. "Ralle? Das könnte jetzt ein wenig weh tun okay?" Ich wollte den Arm gerade fassen, als der Arzt mich stoppte. "Weißt du, was du da tust? Lass mich das machen." "Aber ich..." "Nein! Ich weiß, was ich tue!" unterbrach er mich. Er nahm den Arm und machte etwas völlig sinnloses, aber ich traute mich nicht mehr etwas zu sagen. "Hast du noch Schmerzen?" Ralle nickte. "Aber ich mach weiter. Geht schon irgendwie die letzten paar Minuten." Dann quälte er sich wieder ins Tor und wir gingen vom Platz.

Das ist genau das, wovor ich immer Angst hatte. Dass man mir es nicht zutrauen würde. Von Christian und Markus hatte ich zwar vollstes Vertrauen, aber was brachte mir das, wenn mich der Arzt nicht machen ließ. Er sah mich schon immer blöd an, wenn ich ihm Unterlagen brachte. Ich setzte mich wieder neben Leon und er merkte sofort, dass was nicht stimmte. "Was ist passiert?" Ich schüttelte nur den Kopf und signalisierte ihm, dass ich jetzt nicht drüber reden wollte. Markus kam zu mir. "Und? Was hat Ralle?" Ich wollte gerade anfangen zu reden, aber der Arzt war wieder schneller und erklärte es ihm. Aber meiner Meinung nach wieder absoluter Blödsinn.

Als das Spiel abgepfiffen wurde, gingen wir in die Kabine und da niemand sonst behandelt werden musste außer Max, Leon und Ralle, waren wir schnell fertig. Muskulatur von jedem Spieler aufmassieren, ging immer relativ schnell. "Ich geh schon mal zum Bus und räum alles ein." sagte ich und bekam ein zustimmendes Gemurmel.

Als alles eingeräumt war, setzte ich mich auf meinen Platz und dachte über alles nach. Ich musste unbedingt mit meinen Kollegen reden. Ich wusste nicht mehr, ob es richtig war hier anzufangen. Nach und nach kamen alle in den Bus und der Platz neben mir blieb eine Zeit leer, bis Ralle kam. "Hey, was guckst du so traurig?" "Alles gut." versuchte ich mit einem Lächeln zu sagen. "Das stimmt doch nicht." "Es ist einfach schwer, wenn man nicht akzeptiert wird." "Willst du drüber reden?" "Nein. Aber danke. Ich würde nur lieber allein sein." Dann stand Ralle mit einem Seufzen auf und ging.

~Leons Sicht~
"Und? Was hat sie gesagt?" überfiel ich Ralle direkt und auch Bene hörte gespannt zu. "Sie meint, dass es schwer ist, wenn man nicht akzeptiert wird. Sie wollte nicht drüber reden und lieber allein sein." Sofort guckten Bene und ich uns an, weil wir wussten, dass sie niemals allein sein wollte. Ralle hatte es mir erzählt, wie unser liebster Dok mit ihr umgegangen ist und ich kannte sie zu gut und wusste, dass sie sich sowas immer sehr zu Herzen nimmt. Hoffentlich war die Busfahrt bald zu Ende.

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