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„Lass mich los!", verlange ich und sofort lässt der Große meinen Arm los, ehe er sich zu mir dreht und mich mit einem unsicheren Blick anschaut. „Es tut mir leid.", sagt er dann schnell und schaut sich leicht panisch um. „Was hast du?" – „Können wir bitte hier weg? Hier ist es nicht sicher für dich.", meint er nur und will meine Hand greifen, doch zuckt zurück, als er sich wohl wieder erinnert, dass ich ihn mehr oder weniger bat, mich nicht anzufassen.

„Was redest du? Hier ist es sicher! Ich bin seit Jahren fast täglich hier." Dylen seufzt. „Ich wollte das doch nicht mehr machen.", murmelt er leise, so als sollte ich das nicht hören, ehe er mich an der Schulter packt und mit der anderen Hand mein Gesicht fest hält.

Seine Augen wirken so kalt und er scheint noch blasser als zuvor. „Du wirst mit mir kommen und keine Fragen stellen, nicht meckern und niemandem erzählen, dass du bei mir bist. Wenn deine Schwester dich fragt oder deine Mutter, dann sagst du nur, dass du bei einem Freund bist. Und jetzt schließ deine Augen.", seine Pupillen werden beim Sprechen größer und die Farbe seiner Iris verstärkt sich um ein Vielfaches. Wie er mir sagt, schließe ich meine Augen.

Plötzlich spüre ich, wie sich sein Griff an meinem Kinn lockert und seine Finger an meine Wange wandern. Warum auch immer beginne ich zu lächeln und lehne mich sogar gegen seine große Hand. Ich spüre seinen warmen Atem an meinem Ohr und bekomme eine Gänsehaut. „Vertrau mir einfach, Jamie."

Und aus irgendeinem – mir unerklärlichen – Grund, folge ich Dylen aus dem Park.

Ich halte seine Hand und gehe einfach mit ihm mit. Wie ein naives Kind. Ich weiß nicht, was er mit mir vor hat, aber ich vertraue ihm unheimlich. Ich glaube, dass er mich vor allem beschützen könnte, wenn er wollen würde. Ich hoffe inständig, dass er das irgendwann tun will. Mich beschützen. Warum möchte ich das unbedingt? Eigentlich wollte ich nie als schwach gelten, mich von einem anderen beschützen lassen... Aber nun, wenn Dylen bei mir ist, möchte ich nichts anderes mehr, als mich in seine Arme zu legen und alles Schlechte um mich herum vergessen. Was ist nur los mit mir? Ich bin doch sonst nicht so.

Nach einer guten halben Stunde Fußmarsch erreichen wir ein Neubaugebiet. Dylen führt mich durch die leicht beleuchteten Straßen – die Laternenlichter hier lassen wirklich zu wünschen übrig. Die Häuser sind alle weiß mit dunklen Dachziegeln. Die Fenster der beleuchteten Häuser sind auf kipp und man sieht nur einige Menschen in jenen. Mein Blick schweift zum Schwarzhaarigen und ich sehe, wie er zu einem Mehrfamilienhaus starrt.

„Wohnst du hier?", frage ich als er die Glastür des Treppenhauses öffnet und mir den Vortritt lässt. Die silbernen Briefkästen sehen aus, als würden sie jede Minute entstaubt werden, die Treppenstufen sind aus dunklem Stein, was einen wunderschönen Kontrast zu den weißen Wänden bietet.

„Ja, mit Manu.", erklärt Dylen heiser und schiebt mich leicht die Treppen hoch. Ich steige die wenigen Stufen hinauf, bevor Dylen mich stoppt und eine Tür im zweiten Stock aufschließt.

Sofort streckt sich mir ein Flur, der wohl sowohl von Dylen als auch von Manuel eingerichtet wurde. Es sind hell graue Wände, Fotos an ihnen, eine schwarze Kommode unter welcher einige Schuhe stehen. An der Garderobe hängen Jacken und eine weiße, eine graue und eine schwarze Tür zieren den Flur. „Du solltest schlafen. Ich gehe ins Wohnzimmer, wenn du allein sein möchtest.", sagt Dylen, während er die schwarze Tür öffnet und mich in den Raum zieht.

Sein Zimmer anscheinend. Es ist dunkel gehalten; ähnlich wie meines. Das Bett ist riesig, eine große, dunkle Tagesdecke liegt auf diesem und verdeckt den Großteil des dunkelroten Bettbezuges. Die samtigen schwarzen Kopfkissen sehen so unglaublich weiß aus.

Die Wände des Raumes sind alle grau, einige Bleistiftzeichnungen hängen an ihnen. Unsicher lasse ich Dylens Hand los und gehe interessiert auf eines der Bilder zu. Es zeigt eine hübsche Frau. Sie hat einen Rollkragenpullover an und ihre Haare zu einem unordentlichen Dutt nach oben gebunden.

Markante Gesichtszüge, sie sieht Dylen ähnlich.

„Du kannst im Bett schlafen, nimm dir Kleidung, wenn du möchtest.", ich drehe mich um, als er beginnt zu reden und sehe dann, wie er zu einem großen schwarzen Kleiderschrank zeigt. Ich nicke nur.

Plötzlich höre ich, wie die Tür im Flur geöffnet wird. „DYLEN!", schreit Manuel laut und ich zucke zusammen. „Leg dich hin, es ist alles gut.", sagt er schnell und verschwindet aus dem Zimmer. Ich tue, was Dylen sagt und lege mich in sein Bett, nehme mir vorher aber noch eine Jogginghose von ihm, die ich mir überstreife.

Endless Life // [ BoyxBoy] \\ ABGEBROCHENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt