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Als ich beschließe aufzustehen, scheint die Sonne noch nicht. Es ist wahrscheinlich kurz vorm Sonnenaufgang. Seufzend, schiebe ich Manuel von mir runter – der Junge ist wirklich anhänglich geworden in den letzten 150 Jahren – und beschließe missmutig nach Jamie zu sehen, vielleicht schläft er ja noch.

Doch so, wie ich ihn kenne wird er das nicht tun. Sondern er wird vorm Fenster sitzen und warten, bis die Sonne aufgeht. Er liebt den Sonnenaufgang. Langsam gehe ich durch den Flur und klopfe an der schwarzen Tür. Drinnen höre ich, wie Jamie erschrocken aufatmet. Niemand anderes hätte das sonst gehört.

„Moment.", sagt er laut und ich warte kurz, eher mir die Tür öffnet und ich überrascht aber glücklich feststelle, dass er sich an meinem Kleiderschrank bedient hat. Er trägt ein großes weißes Shirt von mir und die Jogginghose von gestern Abend. „Darf ich rein kommen?" – „Es ist dein Zimmer, Dylen. Vielleicht solltest du lieber fragen, ob du mich rausschmeißt musst oder ob ich nicht lieber freiwillig gehe.", gibt er von sich und ich wuschle ihm nur lächelnd durch die Haare.

„Ich hätte nichts dagegen, wenn du gar nicht mehr gehst.", murmle ich leise, als ich an ihm vorbei ins Zimmer gehe. Ich setze mich auf mein Bett, bemerke seinen betörenden Duft in der Decke und seufze genüsslich.

„Ich wollte mit dir reden, ist das okay?", frage ich ungewollt harsch und Jamie nickt nur, ehe er sich zu mir setzt und mich neugierig mustert. „Das mit gestern tut mir leid. Ich wollte dich nicht irgendwie verletzen, egal was Manu sagt." Er scheint kurz etwas zu überlegen, ehe er antwortet: „Selbst wenn, dann hätte ich daraus selber lernen können."

Wegen solchen Sätzen liebe ich ihn. Nur wissen darf er das noch nicht. „Dass ich dich dann im Park mitgenommen habe ... das war nicht notwendig. Ich habe mich nur nicht so wohl mit dem Gedanken gefühlt, dass du alleine bei einem Wolf bist." Er nickt nur und lehnt sich plötzlich an mich.

„Es ist vielleicht total falsch, dass ich das sage und wahrscheinlich beruht das nicht auf Gegenseitigkeit, aber ich denke, dass ich dich mag.", murmelt er dann und platziert seinen Kopf bequemer auf meiner Schulter.

„Ich kann nur das Selbe sagen, Jamie.", mit dem kleinen Unterschied, dass ich aus dem Mögen ein Lieben machen würde. „Soll ich dich nach Hause bringen? Oder willst du noch frühstücken?" – „Am liebsten würde ich nicht mehr weg, es ist wirklich schön hier, aber ich denke, dass dein fast Freund nicht so begeistert wäre, wenn ich hier wohnen würde.", lacht er und Gott – du dämlicher Idiot – ich liebe sein Lachen.

„Ich denke eher, dass er dich mögen würde.", grinse ich und stehe dann auf, reiche ihm meine Hand, die er annimmt und dann mir dann aus dem Zimmer in die Küche folgt. Den leise schnarchenden Manuel ignoriere ich erstmal, während Jamie sehr interessiert die Einrichtung betrachtet. „Wieso ist bei euch alles schwarz, weiß oder grau?", fragt er interessiert und setzt sich auf einen der Barhocker an der Theke. Ich hole Zutaten für Pfannkuchen aus dem Kühlschrank und zucke mit den Schultern.

„Ich wollte hauptsächlich schwarz, Manu weiß. Wenn wir uns nicht einigen konnten traf es eben grau.", erkläre ich und mustere Manuel, der noch schlafend auf dem Sofa liegt und sich in die Decken gekuschelt hat. „Dann bin ich froh, dass Elisa und ich nicht gemeinsam einrichten.", lacht er leise und ich hebe eine Augenbraue.

„Wieso denn nicht?", grinse ich. Ich weiß genau warum, Manu hatte mir erzählt, dass Elisa sehr viel Rosa mag. Jamie jedoch nicht so. „Weil dann vermutlich das ganze Haus einem Barbiedreamhouse gleichen würde. Eli liebt rosa und pink. Und Plüsch und Kawaii. Kawaii finde ich auch noch gut, aber ich muss keinen rosa Teppich haben, geschweige denn rosa Wände. Jeder wie er will, aber wenn ich mich entscheiden kann, würde ich immer schwarz oder grau nehmen."

„Gut zu wissen.", grinse ich. Sollte er irgendwann mit mir wirklich eine Beziehung eingehen – und ich werde dafür eine Utensilien brauchen – kaufe ich kein rosa Spielzeug oder rosa Kleidung für ihn.

Als ich Manu müde stöhnen höre, grinse ich und gehe auf ihn zu, achte dabei darauf, dass ich die Pfanne trotzdem noch im Auge habe. Ich trete meinem Bruder in den Hintern, worauf dieser die Augen aufmacht und mich hasserfüllt anstarrt. „Gibt gleich Essen, Idiot."

Ich habe das Gefühl, dass er mir wohl gerade irgendwas erzählen wollen würde, doch da sieht er Jamie, der unsere Situation nur belustigt betrachtet. „Wir dienen dir nicht als Unterhaltungsprogramm.", grinse ich, als ich wieder an der Theke stehe und beuge mich leicht zu ihm. „Wieso denn nicht? Ihr seid durchaus weiter zu empfehlen. Du bist ein wahrer Komiker.", haucht er scherzhaft.

„Nicht nur in Unterhaltung bin ich durchaus begabt.", grinse ich und sehe, wie seine Wangen einen Rotton angenommen haben. „Kochen gehört nicht zu deinen Stärken, wenn du ihn weiter anstarrst, brennt sein Frühstück an.", hört man Manu aus dem Flur rufen – wahrscheinlich geht er gerade in sein Badezimmer – und ich drehe mich um. Recht hat er ja schon.

Jamie lacht leise hinter mir; ich liebe sein Lachen.

Ich fülle ihm sein Frühstück auf einen der schwarzen Teller und reiche ihm noch eine Gabel, ehe ich mir ebenfalls etwas von dem Essen nehme und gemeinsam mit Jamie zu essen beginne. Es ist ungenießbar für mich und ich kann Manus irritierten Blick auf meinem Rücken spüren, doch für Jamie mache ich das. Ich weiß, dass er es hasst alleine zu essen und sich dann immer beobachtet fühlt.

Auch, wenn ich das Essen gleich wieder auskotzen muss, Jamie ist es mir wert.
Plötzlich verlangsamt sich alles, Jamies Bewegungen halten inne und ich seufze. „Manu, was soll das?", frage ich genervt und drehe mich zu meinem Bruder um, der die Hand senkt und mich skeptisch ansieht. „Du holst dir wegen dem Jungen noch eine Vergiftung.", raunt er und verschränkt die Arme ineinander. Ich seufze, sehe zu Jamie, der gerade dabei war ein Stück von seinem Pfannkuchen zu schneiden, ehe ich ihm durch die Haare streiche. „Du würdest für seine Schwester auch einiges machen.", entgegne ich nur und betrachte weiter diesen Jungen. Schon seit er klein ist habe ich ihn auf dem Schirm. Kein Wunder, einer der beiden Partner – meistens der Übernatürliche – bemerkt schon bei der Geburt des jeweils anderen, dass es die zweite Hälfte ist.

„Ich würde mich aber nicht umbringen." – „Ich werde ja auch nicht sterben. Ich werde nur ein bisschen kotzen und fertig.", beschwichtigend hebe ich die Hände und schaue ihn dann nur auffordernd an. „Na los, ich will ihn zwar anschauen, es wäre aber schön, wenn er sich bewegen könnte."

Manuel seufzt, verzieht sich wieder in den Flur und keine Sekunde später schaut Jamie auf. „Ist da was in meinen Haaren?", fragt er mich und schiebt die Strähnen, die ich vorhin leicht durcheinander gebracht habe richtig. Ich schüttle nur lächelnd den Kopf und verdrücke weiter dieses ungenießbare Zeug, was die meisten Menschen lieben. Einschließlich Jamie.

Was für eine Überraschung – Manuel kommt in die Küche, bedient sich ebenfalls an den Pfannkuchen und setzt sich neben mich, schaut mich wissend an und fängt dann an mit Jamie zu reden.

„Ich habe Elisa gesagt, dass du hier bist. Sie und deine Mutter machen sich Sorgen."

„Führ dich nicht so auf, als wärst du sein Vater.", murre ich nur leise, was Jamie zum kichern bringt. Ich mag es, wenn er das macht. „Ich kann auch für mich selbst sprechen, Dylen.", grinst er dann und schaut mir direkt in die Augen.

Seine glänzen so schön grün. Ich habe diese Augen immer bewundert, weil ich nicht weiß von wem er sie hat. Sein Vater hatte, ebenso wie seine Mutter braune Augen. Und auch von grünäugigen Vorfahren wüsste ich nichts.

„Na schön, wie gesagt, sie machen sich Sorgen. Es sei das erste Mal, dass du einfach nicht nach Hause kamst." – „Ja, ich werde ja auch wieder zurück gehen und wenn nicht, habe ich ja dich als persönliche Brieftaube.", murrt er und verdreht die hübschen Augen.

Manuel schaut ihn mit offenem Mund an, während ich nur leise in mich hinein lache. Schon witzig, seine Schlagfertigkeit.

Jamie kann es nicht leiden, wenn sich irgendwelche Männer in das Leben seiner Schwester und Mutter einmischen. Ich kann das durchaus nachvollziehen. Eine Zeit lang hatte ich es auch gehasst, wenn meine Mutter mal wieder von irgendeinem Knappen vergöttert und dann für die Nächstbeste verlassen wurde.
Der Unterschied zwischen Manuel und den Knappen ist nur, dass Manu sich wirklich in Elisa verliebt hat und nicht nur auf das eine aus ist. 

Endless Life // [ BoyxBoy] \\ ABGEBROCHENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt