Grund 12

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Schwerfällig erhob ich mich aus meinem Schreibtischstuhl und ging mit meiner Kaffeetasse Richtung Kaffeeküche. Es war still im Büro und nur wenige waren momentan noch da, da die meisten schon in der Mittagspause waren.

Da heute Dienstag war und deshalb mein kurzer Arbeitstag, war mir heute keine Mittagspause vergönnt.
Ich hatte nur noch zwanzig Minuten zu arbeiten und hoffte, dass diese schnell vorbeigehen würden.
Ich räumte die Tasse in die Spülmaschine und wischte halbherzig mit einem feuchten Lappen die Arbeitsplatte sauber. Arbeitstechnisch brauchte ich sowieso nichts größeres mehr beginnen. Das lohnte sich heute nicht mehr.

Ich seufzte. Was würde ich zuhause zu Mittagessen? Vielleicht einfach nur einen Salat? Das ging schnell und ist gesund. Außerdem blieb man damit etwas besser in Form als mit Burger.
Und egal, wie schlecht es zwischen Timo und mir aussah, ich wollte weiterhin einen ansehnlichen Körper haben. Auch, wenn es für Timo wohl sowieso nicht mehr ansprechend war.
Kurz schielte ich zu der Kuchenbox, die am Tisch stand. Jemand hatte heute wieder Muffins mitgebracht und jedem per Emailverteiler erlaubt sich etwas davon zu nehmen. Fünf waren noch da und ich hatte mir noch keinen genommen.

Scheiß auf den ansehnlichen Körper.
Der eine Muffin ließ das Kraut auch nicht fett werden.
Ich griff nach einem Schokomuffin und biss genüsslich hinein.
Der Teig war fluffig und er schmeckte herrlich nach Schokolade. Der Koch oder die Köchin hatten einen super Job bei der Zubereitung gemacht.

Auf dem Weg zurück in mein Büro lief mir ein Kollege über den Weg und kurz unterhielten wir uns etwas über belanglose Themen.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich gleich Feierabend hatte, weshalb ich mich von meinem Kollegen verabschiedete und schnell meinen Schreibtisch aufräumte, ehe ich das Gebäude verließ.

Ich entschied mich noch dazu einkaufen zu gehen und parkte auf dem Parkplatz vor dem kleinen Lebensmittelladen. Es war kein Laden einer großen Kette, sondern ein kleiner Familienbetrieb, der in Zusammenarbeit der umliegenden Landwirte, regionale Produkte verkaufte.
Ich kaufte hier gerne ein, da ich wusste, dass alles frisch war und vor allem woher es kam.
Die Auswahl war oft etwas beschränkt, aber das störe mich nicht sonderlich.
Solche Läden musste man unterstützen.

Ich nahm mir am Eingang einen Korb und lief gedankenverloren durch die Gänge und packte alles ein was uns zuhause fehlte. Da wir heute ja Burger machen wollten, legte ich auch alles nötige dafür in meinem Korb.
»Hallo Simon.« Joseph, der Besitzer des Ladens, lächelte mich an als er durch eine Tür hereinkam.
»Hallo Joseph.«

Als wir hierher gezogen waren, hatte ich von Anfang an hier eingekauft, was Joseph nicht guthieß.
Er war der Meinung, dass ich als schwuler Mann seine andere Kundschaft vertreiben würde. Und ist mir gegenüber immer sehr unfreundlich aufgetreten. Bis er dann Timo kennengelernt hatte.
Die beiden hatten sich auf Anhieb verstanden und ab da wurde meine Anwesenheit im Laden geduldet. Mit der Zeit haben wir uns sogar so weit entwickelt, dass wir uns grüßten, anlächelten und auch Gespräche führten.

»Wie geht es Timo? Er war schon lange nicht mehr hier.« Ja, Timo könnte sich auch nicht weniger für Haushaltstätigkeiten wie Lebensmittel einkaufen begeistern. Das blieb immer an mir hängen.

»Timo geht es gut. Er war übers Wochenende mit seinen Freunden im Urlaub.«, antwortete ich und legte ein Glas Marmelade in meinen Korb. »Richte ihm aus, dass er mal wieder vorbeikommen soll.« Josephs raues Lachen hallte durch den Verkaufsraum ehe er durch die Tür durch die er vorher gekommen war wieder ging.

Ich konnte nie nachvollziehen, warum Joseph Timo so mochte, obwohl er genauso schwul war wie ich. Aber darauf würde ich wahrscheinlich nie eine Antwort bekommen.

»Hallo Simon!« Joseph Tochter, Claire, trat in den Raum mit einem Korb randvoll mit Gebäck. Claire ist bildhübsch mit ihren langen blonden Haaren und dem Puppengesicht. Sie ging mit ihren 17 Jahren noch zur Schule und half nebenbei im Laden ihrer Eltern aus. Mit ihr hatte ich mich von Anfang an gut verstanden. Als sie erfahren hat, dass ich schwul bin und sogar einen festen Freund habe ist sie vor Freude beinahe geplatzt.
Keine Ahnung was Teenage-Mädchen so auf Schwule abfahren. Claire war auf jeden Fall unser größter Fan.

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