Kapitel 20 | Erster Ritt

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Wie ich auch einschlief, so wachte ich wieder auf. Ohne ihn.. Was er wohl die Nacht über drüben gemacht hatte? Jedenfalls blieb es still, die ganze restliche Nacht über.

Erst als ich mich bereits etwas mit kalten Wasser frisch gemacht habe, und runter ging, in den einzigen Saal, der wohl zugleich eine Taverne war, sah ich Zephyr wieder. Er unterhielt sich mit Carlos und schien mich bereits bemerkt zu haben, denn kaum war ich in Hörweite, senkte er seine Stimme. Um was es wohl ging? "Guten Morgen.", murmelte Akira als er mich erblickte. Er lächelte fröhlich und ich musste sofort an sein Gestöhne von letzter Nacht denken. "Du siehst etwas müde aus. War wohl eine lange Nacht, hm?", ich hob neckend meine Augenbrauen und unterdrückte mir ein Grinsen. Sein Gesicht wurde kurz weiß und dann feuer rot. Er schien nach einer Ausrede zu suchen, doch schwieg einfach nur und sah etwas verzweifelt aus. "Schon gut.", lachte ich dann kurz auf und wank schnell ab. So genau wollte ich es auch gar nicht wissen. Augenblicklich schien er erleichterter und knuffte mir spielerisch in die Seite. "Man, Sora. Sowas spricht man nicht an.", murrte er, wobei er ein verräterisches Grinsen nicht verstecken konnte.

"Wir brechen sofort auf... Aber wir gehen nicht zurück ins Schloss, sondern gleich zum hohen Rat im Norden.", unterbrach Zephyr die lockere Stimmung zwischen Akira und mir.

"Ein ziemlicher Weg ohne Proviant, Waffen oder andere Vorbereitung.", entgegnete ich etwas erstaunt. Es würde bestimmt mehrere Wochen brauchen bis wir in Wintergarten ankamen. "Du hast wohl vergessen, dass wir Drachen sind.", kam es schnaubend von Carlos während er stolz seine Nase rümpfte.

Mein Blick glitt zu Zephyr, wo ich den seinigen traf. Ich würde also seine komplette wahre Gestalt sehen. Hätte ich dann Angst vor ihm? Würde mein Herz dann immer noch so fest schlagen wie jetzt, wenn er mich so intensiv ansieht? Würde es unsere Beziehung zueinander ändern? Wo wir gerade dabei sind, wie stehen wir überhaupt zueinander? Ich wollte ihm auch noch sagen, dass da nichts war, aber die Worte blieben mir in der Kehle stecken. Ich würde lügen wenn ich ihm das sagen würde. Also beließ ich es und tat so als sei nichts. "Sora.. soll ich dir ein Bild geben? Hast dann mehr davon.", riss mich die raue Stimme von Zephyr aus meinen Gedanken und ließ mich zusammen zucken. "Ich bevorzuge es Messer direkt in das Gesicht meines Gegners zu werfen, als auf Gemälde.", konterte ich knapp und verdeckte meine Röte mit ein paar Strähnen.

Wir entschieden uns bis kurz vor Sonnental zu reiten und von da aus dann zu fliegen. Ich war gespannt, wie es war, da bisher noch kein Mensch geflogen war, und schon gar nicht auf einem Drachen. Zephyr sprach mich nicht noch einmal darauf an, was er mir gestern Nacht gesagt hatte, und auch ich schwieg dieses Thema tot. Vielleicht hatte ich es mir ja auch nur eingebildet? Vielleicht wollte er mich auch einfach nur ein bisschen ärgern, oder verunsichern. Ich weiß ja mittlerweile, dass er so etwas gerne macht. Vielleicht lag es aber einfach auch nur daran, dass wir keine ruhige Minute mehr für uns hatten. Entweder hing Carlos bei ihm oder ich verbrachte Zeit mit Akira, der eine erfrischende Ablenkung war.

Hach, wie sehr ich die lockere Stimmung unter uns vermisst hatte. Doch leider war es mit dieser vorbei, als wir uns den Mauern meines ehemaligen Landes näherten. Und mit den Mauern, stieg auch die Nostalgie in mir auf, weswegen ich ein Seufzen nicht unterdrücken konnte, und Akira ging es wohl genauso wie mir. Ein paar schwer gepanzerte Wachen kamen vor den Toren der Stadt auf uns zu. Sie schienen Zephyr sofort zu erkennen, da sie respektvoll ihren Kopf neigten. "Teilt Prinzessin Satra mit, dass es mir für die Umstände leid tut weswegen ich ihr Land besuche, und sagt ihr auch, dass ich es bedauere, dass es nur für kurze Zeit ist. Bittet sie in meinem Namen, den Pferden Unterkunft zu gewähren und auf meine Rückkehr zu warten.", er sprach wie immer in einem formellen und aufgesetzten Ton. Wieder war seine Maske so gut wie makellos. Wir stiegen ab und vertrauten den Wachen die Pferde an. Jetzt war es so weit, ich würde zum ersten mal fliegen. Und Zephyrs wahre Gestalt würde sich mir zeigen. Ich war etwas aufgeregt, doch auch neugierig, wie wohl der 'mächtigste Drache' aussehen mag. Und wieder stellte ich mir die Frage, ob ich vor ihm Angst haben werde, wenn ich seine wahre Gestalt sehe. Wie von den Beiden gewünscht, entfernten Akira und ich uns ein Stück. Auch warnten sie uns, dass es vielleicht nicht so appetitlich aussehen würde, doch ich habe schon viel schlimmere Sachen gesehen - glaube ich. Mein Blick lag auf Zephyr der sich leicht nach vorne krümmte, während einige seiner Gliedmaßen unkontrolliert zuckten. Das Brechen seiner Knochen war gut hörbar und kurz schmerzte mein Herz. Es muss bestimmt für ihn ziemlich schmerzhaft sein. Mit einem kurzen Aufschrei zerrissen die Flügel, die aus seinem Rücken schossen, einen Teil seiner Kleidung. Ich konnte sie nun in ihrer vollen Pracht sehen. Sie waren aus schwarzem Leder und schimmerten wie ein Regenbogen in der Sonne. Kurz darauf schien der Körper von Zephyr sich von Innen zu zerreißen und nahm seine wahre Gestalt in nur wenigen Sekunden an, als ein riesiger, mit Schuppen bedeckter, Drache. Er war wirklich riesig im Vergleich zu den Drachen, die mein Schloss angegriffen hatten. Sein Gesicht war schmal und auch sein restlicher Körper war sehr wendig gehalten, und doch sah ich die Muskeln in seinen Beinen.

Er war bestimmt ziemlich schnell.

Wie seine Schwingen, war auch sein restlicher Körper schwarz, wie die Nacht. Egal ob seine Hörner am Genick oder Nasenrücken, sein Kamm der sich seinen Hals hinunter zog, bis hin zum Schwanzende, oder sein Bauch, der keine Schuppen besaß, sondern eine ledrige, etwas hellere Haut. Selbst seine langen Krallen waren schwarz und gefährlich groß. Und aus dem ganzen Schwarz, stachen seine Augen hervor. Sie waren eisblau und hatten keine Pupille in sich. Er war ein Prachtstück. Noch nie habe ich so etwas schönes gesehen. Als er sich einmal zu strecken schien, und seine Flügel ausbreitete, hatte ich schon kurz Angst, er würde ohne mich gehen. Ich machte ein paar Schritte auf ihn zu, und zog so seine Aufmerksamkeit auf mich. Sein Kopf schwang in meine Richtung und seine Augen fixierten mich. Sofort bereute ich meine Bewegung. Es sah so aus, als würde er mich am liebsten fressen. Ob er sich noch unter Kontrolle hatte? Ich verharrte in meiner Bewegung und wurde zu einer atmenden Statue. Bitte friss mich nicht.

Doch sein Kopf schoss stattdessen nur zur Seite und er gab paar knurrende Laute von sich, die mir einen Schauer über den Rücken jagten. Ich wendete langsam meinen Kopf zur Seite, um seinen Blick zu folgen, und erkannte nun auch Carlos, naja... mehr Drachen würde es hier ja auch nicht geben. Im Gegensatz zu Zephyr war er sehr bullig und gepanzert gebaut. Er hatte Muskeln, wie Berge und dicke Schuppen, die in verschiedenen Brauntönen gehalten waren. Sein Kopf war breit und man sah einige Zähne aus seinem Unterkiefer hervor stechen. Außerdem fixierten mich seine rotbraunen Augen gerade ziemlich angriffslustig und hungrig, und das ließ dann doch schon ein mulmiges Gefühl in mir hoch keimen. Er hob seine Pranke langsam und machte einen Schritt auf mich zu. Erschrocken japste ich auf und löste mich aus meiner Starre. Um ehrlich zu sein hatte ich Angst, große sogar. Ein Brüllen ließ mich zusammenzucken und erschrocken einen Schritt zur Seite machen. Der Schrei kam von Zephyr, der leicht sein Maul geöffnet hatte. Selbst von hier unten konnte ich die vielen Spitzen Zähne erkennen die er Carlos zeigte. Zu meiner Verwunderung waren selbst diese schwarz. Der gepanzerte Drache senkte leicht den Kopf und ließ ihn zu Akira schwenken.

Was war das denn gerade?

"Steigt auf.", forderte uns Zephyr auf, wobei seine Stimme in meinem Kopf wieder hallte. Sie war dunkel und hatte einen gefährlich bestialischen Unterton, doch ich erkannte wahrscheinlich diesen Ton unter Tausenden wieder. Perplex sah ich ihn an, doch wenn es Drachen gab, dann auch sowas. Akira kam ebenfalls auf mich zu und musterte Zephyr beeindruckt. "Akira auch?", wollte ich erstaunt wissen und sah Zephyr an der seinen Kopf gerade auf den Boden legte. "Ja. Ihr werdet merken warum.", kam es ungeduldig von dem Drachen. Mit etwas Mühe schafften wir es auf das Genick von dem Drachen zu steigen, wo der einzige Punkt an seinem Körper war, auf dem man sitzen konnte. Zwischen seinen Hörnern, die jeweils rechts und links von seinem Kopf ausgingen, war gerade mal so Platz für uns Beide, bevor sein Kamm anfing. Und wo ich jetzt hier so saß, fing mein Herz an zu rasen. Jetzt gab es kein zurück mehr.

Was ist wenn ich fallen würde? Oh großer Gott, bitte lass es soweit nicht kommen.

Ich hielt mich an den Hörnern fest und versuchte mich zu beruhigen, ebenso wie Akira, der seine Arme, um mich geschlungen hatte und versuchte beruhigend auf mich einzureden. "Keine Angst Sora. Ich lasse nicht zu, dass du erneut fällst.", ertönte wieder die Stimme von Zephyr in meinem Kopf, diesmal um einiges ruhiger und ernster. Ich atmete tief durch und nickte dann einmal stumm, vergessend, dass er das nicht sehen konnte. Stören tat es ihn jedoch nicht, denn er fing an sich unter uns zu bewegen.

Er hob seinen Kopf langsam und breitete seine Flügel aus. "Haltet euch gut fest, der Start wird holprig.", warnte er uns vor, doch keine Sekunde darauf, stieß er sich mit seinen Beinen vom Erdboden ab und schlug kräftig mit seinen Flügeln. Mir blieb das Herz beinahe stehen und ich krallte mich wie an eine Rettungsleine, an die Hörner. Während wir steil in den Himmel schossen, drohte uns der Wind von seinem Rücken zu fegen, doch dieser hörte mit einem mal auf, als wir senkrecht im Himmel glitten. Kein Gegenwind, und die Luft schien auch unverändert. Normalerweise sollte sie doch hier oben viel dünner sein, oder habe ich mich damals im Buch verlesen? "Es ist eine Fähigkeit, die ich mal einem Drachen abgenommen habe. Ich kann die Luft um mich herum verändern, weswegen ihr keinen Gegenwind habt und den selben Luftdruck.", erklärte er uns, doch dafür verwendete ich meine Konzentration gerade nicht. Begeistert sah ich hinab auf die riesigen grünen Felder, auf kleine Dörfer und auf das nächste Schloss, was man weit in der Ferne sah. Es war das Schloss von Zephyr, doch da ging unsere Reise nicht hin. Carlos flog ein Stück weiter neben uns und schien es zu genießen, endlich wieder fliegen zu können. Er flog mal schneller und mal langsamer, mal rechts und dann wieder links. Ihn machte es wahrscheinlich genauso viel Spaß wie mir gerade, und auch Zephyr entspannte sich während dem Flug. Ich fühlte mich hier oben wohl, besonders in der Nähe von Zephyr. Ich habe mich noch nie so sicher gefühlt, und das in einer solchen Höhe.

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