Kapitel 26

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An die folgenden Stunden konnte ich mich kaum erinnern. Die meiste Zeit über war ich nicht bei Bewusstsein und die wenigen Momente in denen ich wach war, versuchte ich Lissa zu verbieten mich zu heilen. Zumindest hatte ich es versucht, aber kaum ein Wort heraus bekommen.

Als ich das nächste Mal aufwachte und immer noch Schmerzen hatte, war ich erleichtert, dass Lissa mich vielleicht doch verstanden hatte. Oder mich gut genug kannte.

Ich war in einem kleinen Schlafzimmer auf einem schmalen Bett. Außer einem anderem, improvisiertem Bett, einem Schrank und einem Sessel gab es nichts weiter im Raum. Nur zwei weitere Gestalten. Lissa schlief mir gegenüber unter einem Berg an Decken, während Christian an ihrem Fußende leicht döste. Doch als ich mich aufsetze blickte er sofort aufmerksam auf.

"Da hat mich aber jemand vermisst", scherzte ich und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Christian schnaubte, doch er konnte sich anscheinend ein Lächeln nicht verkneifen. "Natürlich. Wie soll ich auch ohne dich leben." Ich fühlte mich etwas schwach, doch nicht genug, um mich ans Bett zu fesseln. Vorsichtig schwang ich meine Beine über die Kante und setze meine Füße auf den kalten Boden. Für mich war er zwar nicht wirklich kalt, aber kühler als sonst.

Christian richtete sich auf und warf Lissa einen Blick zu, während er auf mich zu kam. "Spanner." Er erwiderte nichts, sondern griff sachte meinen Arm und zog den Verband etwas zurück. Seine Finger berührten nur sanft meine Wunden, doch es reichte, damit ich zusammen zuckte und mein Arm weg riss. Ich hasste Silber wirklich. Zumindest wenn es gegen mich gerichtet war.

Während ich den Verband richtete horchte in das Haus, in dem ich war. Ich hatte mit Stimmen gerechnet, wenigstens leise, doch es war still. Es kam mir seltsam vor. Seit Monaten hatte ich kaum einen Augenblick wirklich gar keine Geräusche gehört und jetzt wünschte ich mir dies. Nicht wegen des Lärms. Ich hätte gerne Dimitri hier gehabt und mich hätte wirklich interessiert, was die anderen Bewohner des Hauses zu sagen haben.

"Wir sind alleine." Erschrocken sprang ich auf, obwohl Christian sehr leise gesprochen hatte. Ich hatte zu angestrengt versucht irgendwas zu hören und er hatte mir ins Ohr gesprochen. Ich wollte schon sagen, dass mein Herz fast aufgehört hatte zu schlagen und stellte mit einem sauren Hintergedanken fest, dass es das schon längst getan hatte.

Christian fragte nicht nach meinem wahrscheinlich seltsamen Reaktion, doch er schien mich trotzdem für verrückt zu halten.

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Dimitri war auf die Trauerfeier gegangen, die zu Ehren der Gefallenen gehalten wurde. Es war seine Pflicht, aber ich hätte ihn lieber bei mir gehabt, als ich aufgewacht war. Oder ich wäre mit gegangen, auch wenn es mir beim zweiten Gedanken heuchlerisch vorkam. Kreaturen wie ich hatten das hier alles angerichtet. Zwar war ich anders, aber nicht genug um mir mein schlechtes Gewissen zu nehmen.

Ich hatte geduldig gewartet und Christian mit etwas Überredung dazu gebracht, sich schlafen zu legen. Er sah miserabel aus und ich wollte mir erst gar nicht vorstellen wie Dimitri aussah. Vor dem Angriff hatte Dimitri sich so entspannt angehört. Zwar hätte er sich auch nur verstellen können, aber das glaubte ich nicht. Er war hier glücklich gewesen, bis zum Angriff. Bis ich hier aufgetaucht war. Meine Ängste der Vergangenheit kamen hoch und dieses Mal noch stärker. Dimitris Familie hatte mich unter den schlimmsten Voraussetzungen kennen gelernt und so würde ich nicht lange hier bleiben können. Aber ich konnte es ihnen nicht mal verübeln. Hätte jemand versucht ein Strigoi bei mir unterzubringen, hätte ich ihm die Tür vor der Nase zu geschlagen und jeden Wächter auf ihn gehetzt, dessen Nummer ich hatte. Vielleicht hätte ich mich aber auch in einen leichtsinnigen Kampf gestürzt und die Bedrohung alleine auszuschalten. Beides hätte zu mir gepasst.

VA Biss-Spuren (Neu Version von Blutschwur)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt