Kapitel 1

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"Och, Mom! Warum denn?!", fragte ich und fuhr mir mit der Hand durch das schwarze Haar, das in der Sonne einen bläulich - grünen Schimmer hatte. Sie ignorierte mich. 

"Mom!" Jetzt griff Dad ein. 

"Cassandra Blues, wenn du jetzt nicht aufhörst, zu jammern, dann bekommst du erst recht keine Antworten! Jetzt zieh die Kontaktlinsen wieder an!" Ich seufzte und sah in den Spiegel, der an der Hinterseite der Kopflehne des Sitzes meines Vaters hing. Meine Augen waren schwarz - blau - grün, um die Pupille war eine silberner Kranz und sie sahen überhaupt nicht normal aus. Deshalb musste ich blaue Kontaktlinsen tragen, damit ich keinen erschreckte, dem ich in die Augen sah. Meine Eltern hatten sogar von mir verlangt, dass ich meine Haare färbte, aber dagegen hatte ich protestiert. Ich würde mir mein hüftlanges Haar nicht färben - dafür liebte ich es viel zu sehr. Wir waren auf dem Weg in unser neues zu Hause. Meine Mom, mein Dad, meine kleine Schwester Abigail und ich. Wir zogen von London, England, nach Australien. War das zu glauben?! Australien! Als ich das erfahren hatte, hatte ich Flüsse geheult. Ich musste weit weg von meinen Freunden und der Gewohnheit des kleinen, warm eingerichteten Häuschens, das meiner Familie gehört hatte, weil mein Vater meinte, versetzt werden zu müssen. Nach Australien. Ich wusste nichts über Australien! Außerdem wollten meine Eltern mich dort auf eine Schule stecken, die sich Phoenix School nannte. Ich wollte nicht auf diese Schule gehen. Ich hatte dort keine Freunde. Als ich meinen Eltern das gesagt hatte, hatte meine Mutter gesagt:

"Die wirst du schon finden." Ich hatte nur geschnaubt und war wütend in mein Zimmer abgezogen. Das Zimmer, das ich jetzt mit Leib und Seele vermisste. Mein kleiner Fernseher, die bequeme Ledercouch, das große, hohe Bett und vor allem: mein Schreibtisch. Mein Vater hatte ihn mir mit der Hilfe seines besten Freundes gebaut. Als Geburtstagsgeschenk. Aus Mahagoni, das er von einem Teil des Erbgutes gekauft hatte. Die polierte Oberfläche war einfach perfekt gewesen, und ich hatte es geliebt, an diesem Tisch zu arbeiten. Mein Vater hatte ihn verkauft. Er hatte ihn verkauft, weil er nicht in Auto gepasst hatte, wenn man ihn nicht auseinanderbaute. Wütend setzte ich die hässlichen, himmelblauen Kontaktlinsen ein und steckte mir Kopfhörer in die Ohren. Dann sah ich aus dem Fenster. Die Sonne schien. Wie konnte die Sonne bei so einem Anlass scheinen?! Ich schnaubte und verzog wütend das Gesicht. Die Straße raste unter den Reifen des Familienvans hinweg, ebenso wie die Landschaft an uns vorbeiraste. Gras und Bäume und Fotowölkchen am Himmel. Meine Schwester, die zwölf Jahre jünger war als ich mit meinen siebzehn Jahren, tippte mich an.

"Cassie?", fragte sie, doch ich sah nur ihre Lippenbewegungen. Als ich die Kopfhörer aus den Ohren nahm, konnte ich sie auch hören. Sie setzte sich einen dunkelblau - weiß - karierten Haarreif mit einem kleinen Schleifchen auf und fragte:

"Sieht das gut aus?" Ich lächelte, nickte und strich ihr über die Wange, dann versank ich wieder in meiner Musik. Abigail, oder einfach Abbey, war anders als ich. Ihre Augen waren dunkelblau und normal, ihre Haare blond und sie war zierlich. Ich war muskulös. Muskulös und groß. Okay, ich war keine, die es mit ihren Muskeln übertrieb wie eine fanatische Bodybuilderin, aber durch den Sport, den ich betrieb, hatten sich schon anständige Muskeln gebildet. Sowohl an meinen Beinen als auch auf meinem Bauch und meinen Armen. Muskeln bildeten sich bei mir eben schnell. Ich seufzte. Ich vermisste Laya, meine beste Freundin, jetzt schon. Sie war die einzige gewesen, bei der ich die Kontaktlinsen hatte rausnehmen können, weil sie keine Angst hatte. Sie fand meine Augen einfach nur cool. Wieder fiel mein Blick auf den Spiegel vor mir. Ich hasste diese himmelblauen Kontaktlinsen einfach. Ich sah damit nicht normal aus. Einfach... seltsam. Meine Augen richteten sich auf die Landschaft draußen. 





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