Kapitel 12

47 3 1
                                    

Wir fuhren seit einer halben Stunde und erst jetzt kam die Klippe in Sicht - zusammen mit drei Personen. Ich riss die Augen auf, als ich Ellie, Abigail und Hawkins' Vater erkannte. Wo war Jones?! Kaum hielt der Wagen, sprang ich aus dem Auto und rannte auf die drei zu. Silver und Fraya kamen mir hinterher und Abigail wollte schon auf mich zu rennen, aber ihre dünnen Ärmchen waren in Handschellen gelegt und Ketten hielten sie bei Hawkins' Vater. Ich schluckte und zielte mit der Waffe auf dessen Kopf, schoss und erstarrte. Die Kugel glitt einfach durch ihn hindurch. Aber er hielt doch die Ketten fest! Hieß das, dass das nur ein Trugbild war? Langsam ging ich auf die drei zu und streckte die Hand nach Abigail aus. Sie ergriff sie. Nein, kein Trugbild. Auch Ellie konnte ich berühren. 

"A... Aber...!" Hawkins' Vater lachte schallend. 

"Tja, Blues. Scheint so, als hätte... ich dieses Mal auch gewonnen." Seine Augen glänzten. Wieder schoss ich auf ihn. Wieder glitt die Kugel durch ihn hindurch. Da kam Fraya zu mir und ließ das Schwert auf seinen Hals zusausen. Kurz sah ich Panik in seinem Blick, dann war er verschwunden. Zusammen mit Ellie und Abigail. Wut züngelte durch meinen Körper, fraß sich in mein Herz und brachte mich dazu, die Fäuste zu ballen. Mit einem Mal hatte ich das Bedürfnis, meine Fingernägel in etwas zu schlagen und zuzubeißen. Meine Kiefermuskeln zuckten. Silver sah mich an. Ich biss mir selbst heftig auf die Unterlippe, bis ich Blut schmeckte. Ich wollte Rache. Ich wollte diesen Mann, der mir meine kleine Schwester und eine meiner besten Freundinnen genommen hatte, unbedingt tot sehen. Ich schloss die Augen und plötzlich spürte ich überall die Schatten. Eine Idee bildete sich in meinem Kopf. Ich würde ganz Australien, nein, die ganze Welt nach ihnen absuchen. Langsam spreizte ich die Finger und ließ die Schatten über den Boden wabern. Ich konzentrierte mich auf die Schatten und was sie berührten. Mein Atem wurde ruhig, ich zwang meinen Herzschlag dazu, das selbe zu tun und atmete tief durch. Fraya schrie auf und sprang zurück. Woher ich das wusste, obwohl ich die Augen geschlossen hatte? Ich konnte mit den Schatten jede ihrer Bewegungen wahrnehmen. 

"Beruhig dich, Fraya.", hörte ich Silver murmeln und sah, wie er sie in seinen Arm zog. Ich lächelte, doch dann lenkte ich meine Konzentration wieder auf alles andere. Ich spürte, wie auf der Straße sämtliche Autos anhielten und Menschen ausstiegen, um zu sehen, warum auf einmal überall Schatten waren, ich bemerkte in der Schule, wie einige Schüler total ausrasteten, kontrollierte Phoenix und ließ meine Konzentration dann weitergleiten, über das Meer, wie die Leute auf den Schiffen fasziniert auf die Schatten starrten, und weiter zum Festland zurück. Ich spürte, wie die Menschen in Afrika, Ägypten, Asien, Deutschland, England, Großbritannien und selbst an den Polkappen und Grönland und Russland vor den Schatten zurückwichen. Ich spürte die Körperliche Anstrengung. Aber ich konnte Ellie und Abigail, zusammen mit deren Entführer, Hawkins' Vater, nicht finden. Verwirrt verzog ich das Gesicht. 

"Wie ist das möglich?", fragte ich mich selbst. Doch plötzlich nahm ich eine Bewegung wahr, die nicht vor den Schatten zu flüchten schien. Abigail, Ellie und Hawkins' Vater. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, aber es erlosch, als ich feststellte, wo sie waren. Nicht in Australien. Nicht in England. Nichtmal in Großbritannien. Nein. 

Sie waren in Ägypten. 

Ich zog die Schatten zurück und öffnete die Augen. Silver und Fraya hielten sich aneinander fest und starrten mich an, dann realisierten sie, wen sie da gegenseitig festhielten und sprangen auseinander. 

"Wir brauchen ein Flugzeug.", sagte ich. Silver legte den Kopf schief. 

"Wohin?", fragte er. Ich schwieg einen Augenblick. 

"Kairo."




Phönix der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt