24. Jacke

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PoV Manu

"Ich... ich hab meine Jacke vergessen". Ich entknüllte eben diese Jacke in meiner rechten Hand und streckte sie Patrick entgegen. Doch eines war klar: ich würde ihn jetzt nicht mehr gehen lassen. Denn ich war mir jetzt unserer Gefühle bewusst. Seiner für mich und meiner für ihn.

Verwirrt schaute Patrick auf, als ich den Jackenärmel nicht losließ, auch nicht, als er daran zog.
Seine braunen Augen schauten direkt in meine grünen, und der Moment war wie angehalten.

Patrick und ich, die Jacke gespannt zwischen uns, genau wie die Situation und ich wagte nicht zu atmen. Ich sah, wie sein Blick von meinen Augen weg ging, zu meiner Hand, die fest zu einer Faust geballt war und die Jacke nicht freigeben würde.
Er ruckelte noch einmal fest daran, dann schaute er wieder auf, doch sein Blick erreichte meine Augen nicht. Er war an meinen Lippen hängen geblieben.

Und alles, was danach geschah, tat ich befohlen von meinem Herzen.
Ich zog einmal ruckartig an der Jacke, das Pat nach vorne stolperte, direkt in meine Arme. Ich ließ die Jacke los und sie fiel vor meine Füße. Doch das war mir egal, denn ich hielt Patrick an den Schultern fest, bewahrte ihn davor, umzufallen. Sein Gesichtsausdruck verkörperte nichts als Verwirrung und um ihm eine Antwort zu geben, zog ich ihn an den Schultern einfach wieder näher zu mir und presste meine Lippen auf seine.

Er riss die Augen auf, doch er stieß mich nicht weg, sondern erwiderte, und kurz darauf schlossen sich seine Augen auch schon wieder entspannt. Seine Arme, die er im Reflex gegen meine Brust gestemmt hatte, legte er sanft auf meinen Wangen ab und strich damit langsam auf und ab.

Wir lösten uns, und ich lehnte meine Stirn an seine.

"Ich hab deinen Brief gelesen"

Wie erwartet weiteten sich seine Augen leicht, doch dann wurde ihm bewusst, dass ich trotz seinem Geständnis hier stand und ihn küsste. Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen.

"Es ist wahr, Manu. Ich liebe dich"

Und diese drei Worte lösten ein Feuerwerk in mir aus, wie sie es bei Chrissie nie getan hatten.

"Ich dich auch", gab ich zurück.

Patricks Blick wurde traurig.

"Und was ist mit Christina? Sie liebst du auch. Und ihr heiratet in wenigen Stunden. Ich hätte nicht wieder kommen sollen", meinte er niedergeschlagen, doch ich griff nach seinen Händen.

"Pat, ich wüsste nicht, was ich getan hätte, wenn du nicht wieder aufgetaucht wärst. Denn dich vergessen, dass könnte ich nicht. Und das mit Christina, darum kümmere ich mich."

Er lächelte kurz traurig, dann zupfte er an meinem Pulli. "Dich umziehen könntest du trotzdem."





PoV Patrick

Ich ging in die Küche, während Manu duschen war. Wieso liebte Manu mich plötzlich? Er war immer so glücklich mit seiner Verlobten, die Hochzeit sollte heute stattfinden, mit einer großen Zahl an Gästen. Würde er das alles für mich aufgeben? Und wollte ich Chrissies und auch Manus Glück zerstören, nur weil Manu sich gerade einbildete, wegen einer Nacht Gefühle entwickelt zu haben?

Ich schaute aus dem Fenster, all diese Fragen prasselten auf mich herab und ich hatte zu keiner einzigen eine Antwort.

Seufzend stand ich auf und hob meine Jacke vom Flur auf. Den Zettel stopfte ich in meine Hosentasche.

Denn ich hatte meinen Entschluss gefasst. Ich würde gehen. Diesmal für immer. Ich war nicht gut für Manu, wegen mir würde er sein ganzes Leben wegschmeißen, mal ganz abgesehen von ihm, was würden seine Eltern und die ganzen Gäste nur sagen, wenn er seine Verlobte am Altar stehen lassen würde, und dass auch noch für einen Mann? Für mich, den Hochzeitsplaner?

Ich konnte nicht zulassen, dass Manu diesen Fehler beging. Wegen mir.

Und ich würde ihn aufgeben, wenn das bedeutete, dass Manu sein Leben nicht wegschmiss.

Entschlossen ging ich zur Wohnungstür, aus der ich vor knapp einer Stunde mit dem selben Plam gestürmt bin, und zog sie auf. Ich legte den Zettel aus meiner Hosentaschen auf die Schlüsselablage neben der Tür. Nach kurzem Überlegen nahm ich den Kuli, der immer dort lag und schrieb ein paar Worte auf die Rückseite des zerfriemelten Zettel.

Ich lass nicht zu, dass du dein Leben für mich wegwirfst. Du liebst mich nicht einmal wirklich, Manu. Machen wir uns doch nichts vor.

Ein letzter Blick in die Wohnung, die Dusche hatte bereits aufgehört zu plätschern, schritt ich aus der Tür und verließ das Haus. Dieses Mal hatte ich zum Glück die Jacke dabei, denn irgendetwas musste dieses Mal meine unzähligen Tränen auffangen.

Ich fuhr nach Hause, und dort angekommen verkroch ich mich erstmal in mein Bett, ich weinte und weinte. Mein Handy ließ ich unberührt, denn allein ein Blick darauf hatte genügt, um zu sehen, dass heute ganz besonders viele Menschen etwas von mir wollten. Wegen der Hochzeit natürlich.

So hatte zum Beispiel Hannah, die ich um seelische Unterstützung während der Hochzeit gebeten hatte, leider wieder absagen müssen und Luisa hatte geschrieben, dass es ihr wieder besser ging, sie heute auf jeden Fall kommen würde und ob ich meinte, ob Manu noch etwas gegen zwei Überraschungsgäste hätte.

Diese beiden Nachrichten beantwortete ich, alles andere ignorierte ich und weinte weiter. Immerhin ging es Luisa wieder gut.

Und wie Menschen mit gebrochenem Herzen es so taten, sehnte ich mich nach Manu, und ich rief das Video von der Domplatte auf, spulte vor, bis zu dem Punkt, an dem Manu seine Maske abzog und stoppte. Ich erwischte genau den Moment, an dem Manu mich so glücklich anlächelte, und für einen Moment dachte ich echt, dass das Liebe in seinem Blick war, doch ich rief mich rechtzeitig wieder zur Ordnung.

Die Stille hier in meinem Haus war so unerträglich, dass ich beschloss, hinaus zu gehen, ein bisschen in der Stadt herumzuschlendern.

Doch jeder Laden, jede Ecke erinnerte mich an Manu.

Das Café, in dem ich ihn kennengelernt hatte.
Der Faschingsladen, in dem wir zusammen einkaufen waren.
Und schließlich der Juwelier, in dem wir seinen Ring gekauft hatten. Seinen Verlobungsring.

Ohne nachzudenken, ging ich zum Juwelier und trat ein. Die Frau am Tresen stand wieder da und lächelte mich sofort freundlich an, denn der Laden war leer, abgesehen von mir. Vielleicht würde ich etwas kleines für Manu und seine baldige Frau besorgen. Sonst würde Christina Fragen stellen, und das wollte ich um jeden Preis verhindern.

"Guten Morgen. Sie hätte ich hier nicht mehr erwartet", lächelte sie mir verschmitzt zu. Ich guckte verwirrt zurück.

"Sie waren doch der, der für seinen Freund so dringend auf Smaragdschliff bestanden hat, oder?"

"Achso.", nickte ich nur, da mir schon wieder die Tränen in die Augen stiegen.

"Ist alles in Ordnung bei Ihnen?"

"Ja, alles bestens. Ich möchte ein kleines Geschenk für ihn kaufen. Die Hochzeit ist heute", lenkte ich schnell vom Thema ab, doch sie guckte mich weiterhin kritisch an.

"Aha. Kann es sein, dass diese Hochzeit Sie ziemlich mitnimmt? Glauben Sie mir, reden hilft", fragte sie fürsorglich nach und ich musste ihr recht geben.

Also nickte ich und sie führte mich ins Hinterzimmer, wo sie einen Stuhl heranzog und mich darauf drückte.

Und dann erzählte ich. Ich erzählte ihr alles, von Manu, Christina, Hannah, Claus und Luisa, von dem Kennenlernen, dem Junggesellenabschied und von der gestrigen Nacht mit Manu. Von meinen Gefühlen und von seinen.

Und von meinem Entschluss, zu gehen.

Sie hörte sich alles an, und es tat gut, sich alles von der Seele zu reden.

"Glauben Sie echt, das es ihn glücklich macht, dass sie gegangen sind? Nach allem, was Sie erzählt haben, klang das für mich schon nach Liebe, auch von seiner Seite aus", gab sie am Schluss zu bedenken und ich seufzte.

"Das weiß ich eben nicht. Sie können mich übrigens Patrick nennen. Ich schütte Ihnen grade mein Herz aus, da ist Siezen meiner Meinung nach ziemlich überflüssig"

"Freut mich, Patrick. Ich bin Michaela"

KürbisTumor - Wedding PlannerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt