Negative Gedanken

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"Miss, können Sie mich hören?"

Die Stimme der jungen Ärztin drang ganz leise an mich heran. Ich blinzelte.

"Miss?!"

Ich drehte meinen Kopf. Die Frau sah mich komisch an. Sie notierte etwas auf einem Block. In meinen Augen wirkte sie nervös.

"Sie werden Morgen aus dem Krankenhaus entlassen. Packen Sie am Besten Ihr Zeug ein. Ich komme heute Abend noch ein Mal, um zu sehen, wie es Ihnen geht. Bis dahin."

Dann stand die Frau aus und ließ mich allein.

Ich schluckte.

Ich hatte gehofft, die Frau wäre anders. Aber sie war wie die Anderen. Sobald sie sahen, dass ich anders war, wollten sie so weit weg von mir, wie es ging.

Ich fühlte eine Träne auf meiner Wange. Ängstlich, was mich erwartete, hob ich die Hand und fing die Träne auf.

Sie war dunkelviolett.

"Nein!"

Ich konnte es nicht fassen. So kurz hatte ich Glück und im nächsten Augenblick wurde es mir von dieser Welt zerstört.

"Nein, nein, nein! Warum?", hauchte ich. Jetzt rollten mir die Tränen zu Vielen die Wange herunter.

Ich vergrub mein Gesicht in meinen Armen.

Wollte wieder zurück. Zurück in meine Welt. Zurück zu dem Schutz. Zurück zu Chester. Er tröstete mich, nur mit seinem Dasein. Er verstand mich. Aber er war nicht real. Er war in meiner Welt. Nichts weiter. Er war nicht wie ich. Er war normal.

Die weiße Decke wurde von meinen Tränen violett gefärbt.

Ich nahm die eh schon dreckige Decke und wischte mir über die Augen. Dann stand ich auf. Ging zu dem Fenster.

Ich hatte den verstörenden Blick auf eine graue Wand. Darauf war mit roter Farbe ein Satz geschrieben: 'Verschwinde aus unserer Stadt du Abschaum'

Ich schluckte wieder.

Wer hatte das geschrieben?

Warum und gegen wen?

Gegen mich.

Ich wand mich ab. Warum konnte ich nicht wieder in meine Welt?

Ich wollte dorthin. Jetzt. Jetzt fiel mir etwas ein. Warum war die Frau jetzt gegen mich?

Ich wusste es nicht. Hatte ich mich vom Aussehen verändert? Ich schleppte mich in das Bad. Das Glas spiegelte mich wieder.

Dunkle Augen. Schwarze Haare. Dunkelviolette Lippen. Gestörter Blick. Fassungslos starrte ich mein Abbild an. Hob meine Hand an. Berührte den Spiegel.

Meine Hand zitterte.

Ein Verband war um meinen Kopf gespannt. Ich nahm ihn ab. Es war hinten dunkelviolett. Verdammt! Ich hatte geblutet. Kein Wunder, dass die Frau so panisch war.

Ich war wieder wie ich. Und das war nicht gut. Ich wollte glücklich sein. Wollte leben. Wollte lieben. Aber ich konnte nicht. Durfte nicht.

Meine Welt verbot mir jeden Spaß. Nein! Nicht meine Welt. Diese hier.

Ich setzte mich aufs Bett.

Was sollte nur aus mir werden?

Was sollte nur aus einer Gestörten werden?

Würde sie ins Irrenhaus kommen?

Wurde sie zu Hause bleiben können?

Ich wusste es nicht.

Ich sah auf den Nachtschrank. Ein Wecker stand darauf. 15:38 Uhr.

Das Datum irritierte mich. Ich lag schon seit einer Woche hier drinnen? In meiner Welt waren es gerade mal ein paar Stunden gewesen.

Morgen wurde ich achtzehn.

Und ich hatte Angst davor.

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