Pochende Kristallwände

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Ich schreckte hoch. Es war dunkel um mich herum. Alles wurde von Schwärze verschluckt.

Ich sah mich um. Nichts. Dann legte ich mich wieder in das Kissen zurück.

Mein Kopf schmerzte unerträglich. Ich fasste mir an die Stirn.

 Dann sah ich auf die Uhr. 4:21Uhr. Ich schluckte. Ich war heute geboren worden. Ich konnte nicht mehr schlucken.

Meine Kehle war zu trocken. Ich schloss die Augen.

Nach einer Weile öffnete ich sie wieder.

Ein wundervoller Anblick bot sich mir. Das Licht der untergehenden Sonne brach sich tausendfach in den durchsichtigen Kristallen und erleuchteten den Raum auf eine magisch schöne Weise.

Mein Atem stockte vor der Schönheit dieses Lichtes, dass sich so vollkommen und mühelos im Raum bewegte. Ich berührte eine Kristallwand, die besonders hell und stark leuchtete.

Ein Pulsieren ging von ihr aus. Wie das Herz eines Kindes, dass sich voller Vorfreude auf seinen Vater freut, der nach Hause kommt.

Ich rieb mir über die Augen. Ich wollte nicht weinen. Nicht hier und nicht jetzt. Eine Hand legte sich sanft auf meine Schulter.

"Scarlett? Alles okay?" Ich drehte mich um. Mike sah mich besorgt an. Ich nickte. Er lächelte vorsichtig.

"Schön hier, nicht wahr? Das ist der Kern dieser Welt. Er strahlt Glück und Freude aus. Das ist der Grund, weshalb wir uns noch nicht selbst getötet haben. Weil das hier so stark ist. Er stützt uns. Jeder dieser Welt hat eine Wand. Die, die du gerade bestaunst, das ist Joes. Er ist der Glücklichste von uns.", meinte Mike leise.

Er schwieg kurz. Ich befühlte die Wand. Jetzt nahm ich dieses Pulsieren anders war.

Mike nahm mich an der Hand und zog mich weiter.

"Diese helle dort ist Brads. Die daneben gehört Rob. Phoenix' Wand ist diese hier. Chesters ist die dort hinten. Die Kleine, ganz im Eck. Seit du hier bist, ist sie um einiges heller und stärker geworden. Und das hier ist deine Wand."

Mike blieb vor einer Kristallwand stehen.

Sie glühte dunkelrot. Das Pulsieren war unregelmäßig und schnell. Ich berührte sie sachte.

Ein Blitz durchzuckte mich. In diesem Moment fühlte ich nichts. Alles war weg. Ich zog die Hand erschrocken zurück.

"Deine Wand ist ein Phänomen. Deine Wand ist manchmal hellorange und pulsiert langsam. Aber momentan ist ganz oft dunkelrot und pulsiert schnell. Ich bin oft hier, deshalb bekomme ich das alles mit."

Ich sah Mike an.

Er hatte einen sanften Gesichtsausdruck angenommen. Sein Blick war weit in die Ferne gerichtet. Er sah so vertraut aus.

Ich berührte meine Wand noch ein mal. Jetzt bekam ich keinen Schlag. Mein Herz pochte im selben Takt wie die Wand. Sie war mein Inneres.

Ich fühlte den Trauer, den ich mein Leben lang ertragen musste, fühlte den Schmerz, den ich erlitten hatte.

Fühlte aber auch das Glück, dass  ich gerade verspürte.

So wundervoll.

Ich fühlte eine Träne an meiner Wange.

Das war das schönste Geburtstagsgeschenk meines ganzen Lebens. Einfach nur zu sehen, dass ich jemanden hatte, der mir mein Herz zeigte.

Ich schluckte wieder. Aus Freude wollt ich weinen.

Ich sah wieder zu Mike. Er sah mich ebenfalls an. sanft, wie nie ein Mensch zuvor.

Plötzlich rollte ihm eine Träne aus dem Augenwinkel.

Sie war hellviolett.

Ich stockte.

War Mike etwa wie ich?

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