Kapitel 45

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Alison P.O.V.

Nun stand ich da. Völlig aufgelöst, die Tränen wollten nicht aufhören und Ian stand noch immer vor mir und brach seitdem kein Wort mehr raus.

"Weißt du eigentlich was du mir damit alles angetan hast? Was du Abbi damit abgetan hast?"

"Nein das weiß ich nicht und ich kann es mir auch nicht annähernd vorstellen, aber ich wollte euch schützen. Vor mir und vor ihnen."

Ich schüttelte den Kopf und schubste ihn mit der letzten Kraft, die ich hatte von mir weg. Ich lief mit zittrigen Beinen an ihm vorbei ins Wohnzimmer und brach zusammen.

Meine Knie krachten auf den Holzboden und ich begann zu weinen, die Tränen bahnten sich ihren Weg über meine Wange bis zu meinem Kinn und landeten auf dem Holzboden. Ich begann zu schluchzen und aus den Schluchzern wurden Schreie.

"Ali bitte" Er hörte sich besorgt und verletzt an, aber er war nicht so verletzt und gebrochen wie ich. Er würde nie verstehen wie es für mich war. Wie die letzten 3 Jahre waren. Wie es sich anfühlt wenn dich etwas von innen aufgefrisst.

Es ging von dem großen leeren Loch in meinem Herz aus, die Dämonen wuchsen mit meinen Tränen und Sorgen, mit meinen Schreien und meinen Schmerzen. Sie verteilten sich in meinem Körper, sie zerstörten alles was sich ihnen in den Weg stelle, bis sie dann meinen Kopf erreicht hatte.

Das war das schlimmste von allem. Nicht der physische Schmerz sondern meine Gedanken, sie zerstörten nicht nur meinen Körper. Sie zerstörten mich. Alles. Ich konnte nicht mehr, ich war dort an meinem Tiefpunkt erreicht und niemand konnte mir helfen. Niemand hätte die Dämonen vertreiben können, es waren schrille nervenzerreißende Schreie und sie sind immer noch da, sie sind die leisen Stimmen in meinem Kopf, die alles schlecht machen. Jeden schönen Moment, sie ließen dich die Folgen der Vergangenheit spüren.

"Ali rede bitte mit mir. Sag etwas" hörte ich seine Stimme weit entfernt.

"Du hast mich zerstört" flüsterte ich atemlos und krallte meine Finger in den Teppich. Er hatte mich zerstört, er hatte mir das Herz gebrochen und ein riesiges Loch hinterlassen.

"Was?" fragte er nach und ich sah wie er sich vor mich hockte. "Du hast mich zerstört" wiederholte ich meine Worte mit zittriger Stimme.

"Erzähl mir was passiert ist. Erzähl mir was mit dir los war die letzten Jahre" bittete er mich vorsichtig und nahm meine Hand in seine. Sie begann zu Kribbeln und eigentlich hätte ich sie wegziehen sollen. Mein Körper machte sich Hoffnungen, er machte sich etwas vor.

"Im ersten Jahr war alles okay, eben wie es ist mit 18 Mutter zu werden. Ich hatte nur Augen für sie, sie war wunderschön und wundervoll. Trotzdem war es anstrengend für mich, sie schrie viel. Meine Eltern, Alexa und Jace halfen mir durch das alles. Doch irgendwann wollte ich ihre Hilfe nicht mehr, ich wollte stark sein. Ich wollte etwas alleine schaffen, ich wollte von niemanden abhängig sein. Ich zog mit Abbi in ein Appartement. Und dann ging es los, ich war alleine. Alleine mit meinen Dämonen. Sie... Sie zerstörten alles. Meine Familie bekam davon nichts mit und Jace redete ich ein es sei alles super. Doch das war es nicht. Ich wusste ich war depressiv, ich wusste ich war zu dünn. Ich hatte mehrere Male einen Zusammenbruch, ich war zu schwach. Das war mir alles bewusst, ich bin ja nicht blöd. Nur schwach. Aber es ist nicht einfach dagegen anzukämpfen, dazu musst du einen starken Willen haben und den hatte ich nicht. Den hattet ihr gebrochen. Angstzustände, Magersucht und Depressionen passen leider nicht so gut zusammen" Ich lachte traurig und Ian schaute mich besorgt an.

"Ich brauchte über 10 Monate um wieder mein Normalgewicht zu erreichen, aber die Dämonen wird man nicht so schnell los. Sie sind nicht etwas, dass man durchs reden und essen wieder weg bekommt. Dazu musst du den Schmerz und die Ereignisse hinter dir lassen, aber das kann ich nicht. Ich will es, aber es geht nicht. Ich kann es nicht vergessen. Ich erlebe sie jede Nacht wieder. Jede Nacht wieder werde ich damit konfrontiert und es wird nicht besser. Als ich dann die Nacht überstanden hatte stand der Tag an und der war kein Stück besser. Ich hatte jeden Tag Angst du würdest plötzlich vor mir stehen oder ich würde Abbi vom Kindergarten abholen wollen und sie wäre nicht da. Ich hatte noch 1000 weitere Szenarien, sie waren mein eigener Horrorfilm in meinem Kopf. Er spielte den ganzen Tag. Bein Frühstück, beim Kochen, bei der Arbeit, beim Fernsehen, beim malen, beim vorlesen der Gutenacht Geschichten. Diese ganzen Horror Szenarien waren mein ständiger Begleiter und hatte ich dieses überstanden, hatte ich es geschafft Abbi ins Bett zu bringen kamen die Albträume, meine Angstzustände, wieder und wieder. Du könntest nie verstehen wie ich mich gefühlt habe. Das könnte wohl kaum jemand. Ich weiß ich bin nicht die einzige, es gibt Menschen die nehmen sich deshalb das Leben und keine Sorge, den Einfall hatte ich schon und habe ihn dann wieder verworfen. Es gibt nämlich eine Sache, die mich durch diese grauenvoll Zeit brachte. Eine Sache, die mich kämpfen lässt egal wie hart der Kampf ist. Meine Tochter ist der einzige Grund wieso ich noch lebe. Sie ist der einzige Grund, der mein Leben lebenswert macht. Abbi ist mein ein und alles und ich würde für sie sterben"

~*~

Was haltet ihr von Alisons "Rede"

~May

Entführt - Mein Leben geht weiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt