Kapitel 14 (Home)

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Die Limo fuhr an Leuten, Autos, und Straßenbahnen vorbei, doch alles war ihr auf eine Art so fremd.
Die hetzenden Menschen, manchen hatten Kaffee in der Hand, andere irgendwelche Arbeitstaschen, kannte sie plötzlich nicht mehr.
Die fahrenden Autos, mit Familien innendrinne, bedeuteten ihr nichts.
Und die tuckernden Straßenbahnen, in denen sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr saß, waren nicht mehr so bezaubernd wie früher.
Erst da, als sie zusammengesunken hinten in ihrem Sitz saß, den vollen Kopf an der Fensterscheibe abstützend, merkte sie wie lange sie nicht mehr draußen in der Stadt war.
Ein Stadtmädchen das die Stadt nicht kannte, das war sie eigentlich.
Früher war das anders, früher kam sie immer mit der Bahn heim, auch wenn es in Deutschland war.
Sie erinnerte sich an die vollen Waggons, ihre Kopfhörer mit der Musik, die sie von dem ständigen Lärm von links und rechts ablösten, und die dreckigen Scheiben mit dem Staub, in den sie immer fröhliche Gesichter malte.
Doch irgendwann wurden es traurige, irgendwann änderte sich etwas langsam, doch trotzdem merkte sie es.
Es bleibt nichts wie es einmal war, und das ist im großen und ganzen war das auch der Grund warum sie das alles nicht mehr kannte.
Aber das hieß nicht das sie es nicht vermisste.
Sie vermisste es so unsäglich, diese Freiheit, und bei der Heimfahrt wurde es klar.
Doch selbst wenn, sie kann nichts dagegen tun.
Nur die Maske abziehen und wie ein normales Mädchen herumlaufen, schließlich kennt ja keiner das wahre Gesicht.
Doch ihr paranoides Wesen löst einen Verfolgungswahn in ihr aus, wenn sie ohne die Maske raugeht.
Das Gefühl das alle wissen wer sie ist verfolgt sie bis nach Hause.
Das Gefühl, das alle sie begaffen.
Eigentlich kann sie nichtmehr ohne die Maske, ihr krankes Hirn hat es als einen Teil von ihr gestgenommen, und klammert sie daran fest.
Doch Ashley will das nicht wahrnehmen.

Somit steckt sie jedenfalls fest.
Mit Maske kann sie nicht raus, Fans würden sie umrennen, und ohne lässt ihre Psyche es nicht mehr zu.
Damit ist sie förmlich drinne eingesperrt.

Die kleine gemütliche Straße, eher abgelegen von der Stadt ist idyllisch wie sonst auch.
Im Sommer scheint durch die vielen Gassenbäume die Sonne, und die Strahlen malen Muster durch die Blätter auf den alten Boden.
Ashley mag diesen Weg, und jedesmal wenn sie alleine oder unter Gesellschaft hier entlang fährt, merkt sie wie dieser Teil sie regelrecht verzaubert.
Doch nun blühten sie nicht, der Weg war dunkel und grau als sie dort entlangfuhren, und der Chauffeur sie vor die Tür warf.
Normalerweise blieb sie noch stehen und schaute es sich an, doch diesmal gab es nicht zu gucken.
Also ging es sofort auf das komplett überwachte Grundstück, das ihren Großeltern gehörte, und sie es nun als Unterschlupf für ihre Crews benutzte.
Bis jetzt merkte noch keiner das sie dort drinne lebten, es machte regelrecht den Anschein das sie eine übernormale große Familie waren.
Sie lebten quasi in den Schutz von Ashleys Erbe, und das klappte fast schon unormal gut.

Als sie reinkommt, total in sich zusammen gesunken, entdeckt sie die erste menschliche Person. 
Es ist Lucie, die auf dem Sofa mit ihrer Freundin liegt, eng umschlungen.
Als Lucie auch sie sieht, zieht sie das andere Mädchen erstaunlich schnell weg.
Doch es ist zu spät, Ashley hat es schon gesehen.
Mit einem wütenden Blick stampft sie an den beiden vorbei die Treppe hoch.
Lucie weiß ganz genau das private oder intime Dinge hier nichts zu suchen haben.
Wenn sie unbedingt rumknutschen wollen, sollen sie das doch um Gottes Willen auf dem Zimmer von Lu selbst tun, und nicht hier, wo jederzeit ein kleines 6-jähriges Mädchen von der Crew vorbeilaufen könnte.

Heute hat sie keinen Nerv mehr dazu irgendwen zurecht zuweisen, und das schon so früh.
Ein hastiger Blick auf der Treppe zur Wand wo die alte Uhr hängt, und sie erfährt das es gerade mal 12 Uhr vormittags ist.
Oder das Mistteil ist wieder stehen geblieben, aber das bezweifelt Ashley stark.

Als sie auf der Hälfte von der Treppe angekommen ist, schafft es Lucie erste Wörter zu spucken.

"Wo warst du gestern?" ruft sie hoch.

"Ach, jetzt tu doch nicht so als hätte euch das intressiert."

Sie setzt ihren Weg weiter nach oben, allerdings langsam genug, um das Gespräch weiter zu führen.

"Natürlich hat es das! Jiyong war ja auch auf einmal weg, sein Freund Taeyang hat ihn gesucht. Also, wo warst du, oder soll ich sagen ihr?"

Nun ist Ashley froh ihrer Freundin nicht in die Augen schauen zu müssen.
Was in dieser Nacht passiert ist bleibt ihr Geheimnis.

"Geht dich einen Scheißdreck an!" schnauzt sie also, und erklimmt die letzten Stufen, um dann oben geschickt und leise in ihre Zimmer zu schlüpfen.

Lu kommt nicht mehr zu Wort, gut so.

In ihrem Arbeitszimmer ist es still, der Holztisch steht verlassen am Ende von dem Raum, keinerlei Sonnenstrahlen bedecken ihn von hinten durch das Fenster.
Alles so wie sie es verlassen hat, aber trotzdem scannt sie die Gegend, es kamen auch schon Dinge weg wenn sie nicht abschliesst.
Oft fand man die gesuchten Dinge dann bei Leuten, die sich als Spione von anderen herausstellten.
Ashley huscht in den Privat Raum, der sie wie immer warm und gemütlich begrüßt.
Die Lichterkette macht sie im vorbeigehen an, und sie beginnt in lilanen Tönen auf der Ablage zu blinken.
Das Bett das in der Mitte vom Raum direkt vor dem großen Fernseher steht lächelt sie einladend an.
Kurz geht sie in Badezimmer das überdeckt mit viel zu teuren Beautyprodukten die sie nicht mag ist, und zieht dort erstmals die Maske wieder ab.
Nur wenn sie alleine hier ist passiert das, doch sie ist trotzdem griffbereit.
Im Spiegelbild wirkt sie fast schon unsicher.
Ein vertrautes blasses Gesicht blickt ihr entgegen, eins, das fast nur sie kennt.
Aber leider nun auch nur fast.
Sie ist nicht mehr geschminkt, aus irgendwelchen Gründen.
Sie runzelt die Stirn, und ihr fällt der gerade so schön verdrängte Love Hotel Besuch wieder ein.
Ihr Blick wandert zum Waschbecken, doch in Gedanken ist sie woanders.

Er weiß wer sie ist.
Er weiß wie sie aussieht.
Er.

Dieses Blackout lässt ihr doch keine Ruhe.
Hat sie sich im Hotel abgeschminkt?
Wenn ja, davor oder danach?
Viele Bruchteile schwirren durch ihren Kopf, Gedankenfetzen fügen sich zusammen, und sie bekommt ein unangenehmes Stechen am Kopf.
Ihren Oberkörper stützt sie anhand ihrer Hände angestrengt an dem Waschbecken ab, ihre Augen geschlossen.
Sie ist konzentriert, versucht es einzuordnen, kann es nicht, nein, oder doch warte...
Und ganz plötzlich weiß sie einen kleinen Teil wieder.

𝐁𝐢𝐫𝐝𝐠𝐢𝐫𝐥┃┃𝐺-𝐷𝑟𝑎𝑔𝑜𝑛 𝐹𝐹Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt