Kapitel 35 (I want to die)

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"Möchtest du noch ein Bonbon?" der fragende Blick meiner liebenswerten Oma erwürgt mich fast.

In ihrer Hand ist eine pink-weiße Süßigkeit, die sie immerwieder in ihrer Hand dreht.
Doch ich hatte schon zu viele um ja sagen zu können.

Vorsichtig fahre ich mir über meine Bluse.

"Danke, aber nein." in ihrem Blick ist ein wenig Enttäuschung.

"Wie schade. Aber bleib doch noch bei mir sitzen Ashley. Ich bin so alleine, deine Eltern sind immer unterwegs."

Da hat sie Recht, sie sind immer unterwegs und haben für niemanden Zeit. Weder für mich noch für ihre Mütter.
Deswegen sitze ich manchmal bei ihr und leiste ein wenig Gesellschaft.

"Wie geht es dir? Was macht die Schule?"

Die Standardfrage, das sollte ich doch hinbekommen.

"Ich bin gut, wie eigentlich immer. Deutsch ist mein Lieblingsfach." ich halte mich kurz.

Meine Oma lächelt schelmisch und schiebt sich das Bonbon das sie vor wenigen Sekunden mir noch geben wollte selbst in den Mund.
Ihre Wangen bewegen sich.

"Das ist schön, du warst schon immer gut im Umgang mit Wörtern. Und, gibt es da einen bestimmtem Jungen den du magst?" die Frage kommt plötzlich.

Ich schüttel stumm den Kopf und schaue zu Boden. Es gibt niemanden der bis jetzt das große kurvige Mädchen mit dem dunklen Klamotten, den schwarzen Haaren und dem seltsamen Musikgeschmack entdeckt hat. Seit der achten Klasse habe ich schon keine Freunde mehr, zu sehr passe ich nicht in die Masse. Ich kenne keinen einziges Lied von Selena Gomez, trage im Winter schwarze Platform Sneaker und melde mich nie.

"Mich mag keiner." stelle ich nüchterm fest.

"Das stimmt nicht. Ich mag dich." ihr warmes Lächeln strahlt mir entgegen.

"Ja du. Aber sonst keiner. Nichtmal meine Eltern." schockiert schaut meine Großmutter mich an.

"Wie kannst du sowas sagen...sie waren immer für dich da..."

In meiner schnellen Antwort ist purer Spott.

"Ach ja und wann? Jetzt gerade wenn wir hier sitzen? Bei meiner Einschulung war mein Vater in London auf einem Geschäftstreffen und am Mittag hat mich statt meiner Mutter meine Nanny abgeholt. Meine Mutter weiß nicht mehr was ich gerne esse und nennt mich hinter meinem Rücken 'Irre im Endstadium'. Ihre eigene Tochter. Wann war sie bitte da, sie kennt mich doch nichtmal mehr und das seit der Geburt, geschweige denn vom meinem Erzeuger der nichtmal weiß wie alt seine Kinder sind."

Das ganze endet darin das ich wild umher fuchtel und dabei fast die Teetassen mitreiße. Mit einem Klirren bleiben sie gerade so stehen.
Doch in mir brodelt nur Wut für meine Eltern.
Jetzt wird es mir klar, jetzt wird mir klar das ich nie wichtig war. Wir alle waren nicht wichtig, aber ich war der größte Dreck am Schuh für meine Erzeuger.

"Aber...das stimmt nicht!"

Ich stehe auf, der schwarze Rock löst sich vom Stuhl. Geschockt guckt meine Oma hoch zu mir.

"Doch. Das stimmt. Eine andere Wahrheit gibt es nicht."

{~}

"Die Jungs sind vorgegangen und sind bereits in dem Club. Freust du dich?" von der Seite kommt eine Stimme.

Erschrocken schaut Ashley von dem Bonbonglas das kalt vor ihr steht auf und nach links.
Das Glas löste Erinnerungen von früher in ihr aus, damals als ihre Oma noch lebte, vielleicht die einzige die sie jemals verstanden hat.
Sie starb vor 4 Jahren.

𝐁𝐢𝐫𝐝𝐠𝐢𝐫𝐥┃┃𝐺-𝐷𝑟𝑎𝑔𝑜𝑛 𝐹𝐹Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt