Kapitel 19

3K 138 16
                                    

Es gab Momente in meinem Leben, da dachte ich es könnte eigentlich echt nicht viel schlimmer werden. Vorhin zum Beispiel. Als ich Mason am Smoothistand getroffen hatte. Oder als alle total hysterisch geworden sind wegen diesen dummen Fußballspiel. Das waren wirklich Momente in denen ich dachte der Hochpunkt war jetzt erreicht, ich hatte das Schlimmste hinter mir, jetzt kann es nur noch besser werden. Aber ich wurde gerade wieder vom Gegenteil überzeugt. Wenn man nach so einen Tag, wie ich ihn heute erlebt hatte, noch mit seiner Mutter telefonierte und das über ein Thema das schon tausend Mal auf den Tisch lag, dann erreichte man erst jetzt den Hochpunkt. Und die einzige Hoffnung die ich noch hatte, war, dass nach dem Telefonat alles besser werden würde.

Ich ballte meine freie Hand zu einer Faust, die in der ich mein Handy hielt umklammerte dieses noch einmal fester, so genervt und wütend war ich mittlerweile.

„Mom jetzt nochmal. Ich weiß noch nicht wann ich das nächste Mal kommen kann!“ „Schätzchen du müsstest dich dann aber wirklich langsam mal entscheiden. Ich muss das auch planen.“ Ich war so genervt. Wirklich so genervt. Es war jedes Mal das Selbe. Meine Mutter wollte wissen, wann ich das nächste Mal zu Hause wäre. Ich konnte ihr keine Antwort geben. Jedes verdammte Mal. Ich ärgerte mich so langsam über mich selbst, dass ich nicht langsam vorbeugend gegen dieses Ereignis vorging.

„Mom. Irgendwann werde ich schon Zeit finden. Aber nicht gerade in der Klausurphase.“ Und ganz nebenbei bemerkt musste ich das seit neustem auch noch mit Dan absprechen. Zumindest ging ich stark davon aus. Ich konnte mir ziemlich gut vorstellen, wie er aussehen würde, wenn er erfuhr dass ich sowas nicht mit ihm abgesprochen hatte und dann zu einer unserer unheimlich wichtigen Trainingseinheiten nicht da war. Und ich wollte Dan in solchen Momenten lieber nicht gegenüber treten.

„Schätzchen.“ „Mon nenn mich bitte nicht immer Schätzchen!“ Das war das nächste was mich nervte. „Okay. Jill.“ Sie legte eine kleine Pause ein. Ich glaube sie war mittlerweile auch etwas genervt.

„Jetzt nochmal. Ich muss wirklich so schnell wie möglich wissen, wann du das nächste Mal nach Hause kommst. Ich will nicht die ganze Zeit arbeiten müssen, wenn du da bist.“ „Und ich will erstmal abwarten, bis ich meinen Klausurplan bekomme. Ich werde sicherlich nicht an einen Wochenende nach Hause fahren, wenn ich die darauf folgende Woche unheimlich viele Klausuren schreibe!“ Sie atmete hörbar aus. Ich tat es ihr gleich. „Wann erfährst du das?“ „Ich denke nächste Woche?“ Es war wieder mehr eine Frage als eine Antwort. Es entstand eine lange Pause in der keiner von uns beiden etwas sagte. Ich konnte sie mir genau vorstellen. Wie sie mit dem Telefon in ihrer Hand an ihrem Terminplaner stand. Wie sie überlegte ob es ihr zeitig genug wäre. Wie sie skeptisch eine Augenbraue nach oben zog.

„Na gut. Aber ich will, dass du mich sofort anrufst, sobald du was weißt.“ „Ja!“ Ich hatte das Wort extra in die Länge gezogen, damit sie merkte wie mich so etwas aufregte. „Jill verstehe mich nicht falsch, aber das ist ech-“ „Mom ich weiß was du meinst.“ Ich legte ein nettes Lächeln hinterher. Natürlich war mir bewusst, dass sie das nicht sah. Aber das machte ich immer.

„Was ist sonst so passiert in Miami?“ Ich kam nicht dazu ihr eine Antwort zu geben, denn das Jubelgeschrei vom Sportplatz drang bis in mein Zimmer. Jetzt war wahrscheinlich wieder ein Tor gefallen, das ging schon eine geraume Zeit. Stille. Jubel. Stille. Jubel.

Und der Tatsache geschuldet, dass meine Mutter mindestens eine genauso neugierige Person wie ich war, überraschte mich ihre nächste Frage nicht wirklich. „Was ist denn bei dir los?“ Ich hatte das Gefühl, ich sollte ihr einfach irgendwas erzählen. Irgendwas, aber auf keinen Fall die Wahrheit. Das Problem war nur, das mir nichts einfiel. Und so blieb mir nur noch die Wahrheit. Und ich wusste schon bevor ich überhaupt irgendetwas ausgesprochen hatte, dass ich unser Gespräch um mindestens die Hälfte hätte abkürzen können, hätte ich jetzt gelogen. Andererseits fragte ich mich manchmal echt was ich eigentlich für eine schlechte Tochter war. Seit Tagen hatte ich schreckliches Heimweh. Ich wünschte mir nichts sehnlicher als endlich wieder bei meiner Familie zu sein. Und alles was ich tat, wenn ich mit meiner Mutter telefonierte, war, dass ich mir wünschte sie schneller wieder loszuwerden? Das war doch echt nicht normal!

opposites attract each otherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt