Kapitel 1

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Januar

Starr ging mein Blick an die Wand der Polizeistation. Sie war weiß gestrichen. Dort hingen ein paar Bilder von verstorben Mitarbeitern. Wie armselig. Das sie ihren Kollegen nur einen Platz an einer weißen Wand gaben, nur um sich dann Nachschub zu holen. Mit Verachtung betrachtete ich die vielen schwarzen Tische. Sie alle standen korrekt in Reihen auf dem weißen Mamorboden. Auf ein paar der Stühlen saßen Männer und Frauen, die wie wild auf ihren Computern rumtippten. Die große Uhr am Eingang war nicht zu übersehen. Mit angewinkelten Beinen saß ich auf dem Plastikstuhl, der mir zur Verfügung gestellt wurde. Es war gerade mal 02.00 Uhr Nachts. Meine braunen Haare waren zerzaust und meine Augen rötlich, von dem vielen Weinen. Ich hatte noch das Top und die Hotpan vom gestrigen Abend an. Mein Blick ging auf meinen linken Arm, der mit einem Verband versehen wurde. Eine Polizistin kam zu mir. In ihrem dunkelblauen Anzug mit der weißen Bluse sah sie aus, wie jemand vom FBI. Sie schob ihre Brille zurecht und fuhr mit ihren braunen Augen über die Papiere, die sie in ihrer rechten Hand hielt. Dann schweiften ihre Augen zu mir.
>> Jasmine Payne? <<
Ihre Stimme war streng und zugleich freundlich. Doch ich wusste genau das sie sich diese Freundlichkeit, mir gegenüber, nur aufzwang. In Wirklichkeit war sie total übermüdet und im Stress. Das einzige was sie brauchte, waren Informationen und die bekam sie über mich. Das Lächeln, das ihre Lippen zierte, war sichtbar falsch. Und doch gab sie sich Mühe.
>> Ja << krächzte ich.
Kurz musterte sie mich noch, dann fuhr sie fort. Natürlich waren ihr meine Blauen Flecken nicht entgangen. Sie waren scheußlich. Sein Werk. Weshalb ich ihn noch mehr verabscheute.
>> Stehen Sie in Verbindung zu Jack Korsen? <<
Manchmal fragte ich mich doch, ob man überhaupt ein Gehirn zu diesen Job brauchte.
>> Ja <<
Ich sah zu Boden. Das könnte ja eine lange Nacht werden. Schon allein die Frage, ob ich eine Verbindung zu meinem Erzeuger hätte. Leider musste ich zugeben, kannte ich ihn. Mir war noch nie klar gewesen was Mum damals an ihm fand. Ich erinnerte mich noch an den Tag, an dem sie ihn endlich verlassen hatte. Das war vor drei Jahren gewesen. Das Jahr danach hatten wir beide damit verbracht uns ein neues Leben aufzubauen. Es hatte so toll geklappt. Doch dann musste dieser Arsch kommen und alles zerstören. Wieso hätte er uns nicht einfach in Ruhe lassen können? Wieso musste er unbedingt mein Leben zerstören? Er musste keinen Unterhalt zahlen, nichts. Wieso also musste er ihr das antun?
>> Hi, ich bin Kim <<
Sie streckte mir ihre Hand hin, die ich gekonnt ignorierte. Jedoch schien sie das nicht weiter zu kümmern. Sie zog ihre Hand zurück und stellte in einem einigen Ton, weiter Fragen.
>> Wussten Sie das Ihr Dad eine hohe Position in einer Mafia, in der Abteilung für Menschenhandel hatte? <<
Ich sah wieder zu ihr hoch. Kim strich sich eine Strähne hinters Ohr und sah mich weiter erwartungsvoll an. So wie es aussah, störte es sie nicht im geringsten das ich sichtlich genervt war. Wie ich es an ihrer linken Hand ausmachen konnte, war sie verheiratet. Dazu trug sie noch ein selbst gebasteltes, buntes Armband.
>> Sagen Sie, Kim, haben Sie Kinder? <<
Gekonnt wechselte ich das Thema. Sie war zwar übermüdet, jedoch schien sie es zu genießen das ich mit ihr über ein entspanntes Thema sprach. Ihr Lächeln wurde sanft und real. Ich hatte ihr gerade klar gemacht, das ich auch nur ein Kind war. Das hier mitten in der Nacht in einer Polizeistation saß, weil ihr verrückter Dad endlich verhaftet wurde. Und da die Wohnung des durchgeknallten Dad's ein einziger Tatort war, konnte das arme Kind nirgendwo hin.
>> Ja, habe ich. Zwei Söhne. Louis und Chris <<
Matt lächelte ich sie an. Jedoch verschwand es gleich wieder. Meine nackten Füße waren eiskalt. Mich fror es am ganzen Körper. Da diese hirnlosen Kollegen von Kim, mich nicht im geringsten beachtet hatten, als sie in unsere Wohnung gestürmt kamen und meinen Dad verhafteten, hatte ich nichts. Keine Jacke, keine Schuhe, nichts.
>> Wo ist deine Mum? <<
Um das Familien Thema auszugleichen, musste sie natürlich auf die hirnlose Idee kommen und die dümmste Frage aller Zeiten stellen.
>> Tod << sagte ich kalt.
Mein Blick ging wieder zu der großen Uhr die über den Eingang, mit den durchsichtigen Türen, hing. Ihre Zeiger hatten sich zu meinem Glück nur träge bewegt. Na toll. Es waren erst zehn Minuten vergangenen.
>> Oh, das tut mir Leid <<
Bemitleidend sah mich Kim an. Aber ich brauchte kein Mitleid. Ich brauchte meine Mum. Dazu war sich Kim vollkommen im Klaren gewesen, das sie tot war. Also warum, in Teufels Namen, hatte sie dann nachgefragt. Aber sie trieb es noch auf die Spitze.
>> Wie ist sie gestorben? <<
Zwar fragte sie es noch vorsichtig, das änderte aber trotzdem nichts daran das diese Frage total bescheuert war. Ich hatte keinen Respekt vor Polizisten. Nicht nachdem sie der Gerechtigkeit nicht nachgehen wollten, als es wirklich nötig war.
>> Er hat sie erschossen! << antwortete ich etwas lauter, womit ich kurz ein paar Blicke auf mich zog.
Giftig sah ich sie an. Das war wohl die falsche Antwort gewesen. Denn Kim wurde sofort wieder Ernst und langweilig. Typisch Polizist!
>> Das ist nicht bewiesen << sagte sie streng.
Ich verdrehte die Augen. Das sagten die mir schon seit zwei Jahren, aber ich wusste es. Er hatte sie erschossen! Ich war teilweise dabei gewesen. Wir hatten damals telefoniert. Alles war gut, doch dann musste er ja kommen, mit ihr streiten und sie letztendlich erschießen. Ich hatte alles mitangehört. Doch war ich damals erst fünfzehn und die einzigste Zeugin. Laut Polizeibericht, hatte meine Mum Selbstmord begangen da auf der Mordwaffe ihre Fingerabdrücke waren. Natürlich, welcher Mörder hinterlässt schon freiwillig Fingerabdrücke auf der Mordwaffe? Aber schon allein das er damit durch gekommen war, machte meinen Hass zu ihm noch größer.
>> Wenn Sie meinen << gab ich schnippisch zurück.
Manche Leute würden sagen, ich solle mehr Respekt vor den Menschen haben, doch diese kannten meine Geschichte nicht. Ganz ehrlich? Ich hasste mein Leben!
-
>> Oh mein Gott, Jasmine! <<
Aufgebracht kam Max mir entgegen. Sie tastete mich ab und fragte mich die ganze Zeit ob es mir gut ginge. Immernoch hatte sie ihren Schwesternkittel an. Ich schwarzen Haare waren zusammen gebunden und ihre Augen zeigten Führsorge. Sie war seit dem Tod meiner Mum, ein Teil meiner Familie geworden. Schon allein der Gedanke daran, das sie gleich nach ihrer Nachtschicht sofort zu mir kam und nicht erst ein paar Stunden geschlafen hatte, zeigte das sie mich lieb hatte.
>> Alles ist gut <<
Komplett übermüdet sah ich sie an. Sie nahm mich in den Arm, strich mir mehrmals über den Kopf und gab mir kleine Küsse auf die Stirn. Kim kam zu uns stolziert. Sie hatte eine freundliche und doch strenge Miene aufgesetzt.
>> Hi, mein Name ist Kim Benson. Und Sie? <<
Sie streckte Max ihre Hand entgegen. Natürlich wurde sie angenommen.
>> Max Prett, eine gute Freundin von Jasmine's Mum <<
Die rothaarige legte ihre Stirn in Falten.
>> Wie schön Sie kennen zu lernen. Aber was machen Sie hier? <<
Kurz schweifte Max' Blick zu mir, dann wieder zu der jungen Frau vor ihr.
>> Sie abholen. Das Kind muss doch irgendwo hin und schlafen <<
Natürlich musste Kim jetzt wieder die Polizistin raushängen lassen.
>> Gemäß der Vorschriften muss ich Jasmine an einen Verwandten übergeben. Wo wohnen deine nächsten Verwandten, kleines? <<
Sie wand sich zu mir. Kleines? War sie noch Recht bei Sinnen, mich kleines zu nennen? Ich war siebzehn und nicht zwölf Jahre alt.
>> Ich habe keine <<
Hatte ich wirklich nicht. Meine Eltern waren sozusagen beide Einzelkinder gewesen. Naja, meine Mum wuchs in einem Kinderheim auf und mein Dad bei seinen Großeltern. Beide hatten keinerlei Verwandschat. Denn sonst wäre ich schon längst zu einem von denen geflüchtet.
>> Hat sie wirklich nicht. Ich habe Papiere die das beweisen. Ich habe auch Papiere auf denen steht, das ich die nächste Erziehungsberechtigte für sie bin. Wenn Sie mir nicht glauben, dann können sie ruhig weiteres mit meinem Anwalt besprechen <<
Ich lächelte. Das war Max in voller Natur. Natürlich hatte Kim keinen Bock noch stundenlang mit einem Anwalt zu diskutieren und gab sich geschlagen.
>> Nagut. Senden Sie mir doch einfach die Papiere per Email, dann wäre alles geklärt. Ich muss nun auch leider gleich los, aber Sie können sich meine Email Adresse bei einem Angestellten holen <<
Sie zeigte auf das große schwarze Pult an dem zwei Männer saßen.
>> Aber selbstverständlich. Komm Jasmine, wir gehen <<
Sie nahm mich sanft am Arm und zog mich hinter sich her.
Nachdem alles geklärt war und wir endlich im Auto saßen, atmete ich erleichtert aus. Erst jetzt bemerkte ich das mein Rücken höllisch weh tat und sich mein Po wie ein Stein, vom vielen sitzen, anfühlte.
>> Hast du noch Sachen bei deinem Dad die du brauchst? <<
Stumm schüttelte ich den Kopf. Selbst wenn, würde ich nie wieder dorthin zurück kehren. Der Gedanke daran, dass ich vier Stunden auf einem Plastikstuhl gesessen hatte und wir gerade erst 06.00 Uhr morgens hatten, war ermüdend.
-
Das große weiße Haus mit dem riesigen Garten, war endlich wieder da. Seit einem Jahr war ich schon nicht mehr hier gewesen. Max hatte in der Einfahrt geparkt und wir waren gleich ausgestiegen. Gerade passierte ich das schwarz lackierte Gartentor. Über den gepflasterten Weg, kam ich an der Haustür an. Nachdem sie mir aufgesperrt hatte, betrat ich das Haus. Drinnen war noch alles so eingerichtet, wie ich es in Erinnerung hatte. Der große Flur mit dem roten Teppich am Boden, der alten Lampe an der Decke, dem riesigen Spiegel an der Wand und die antiken Holzschränke, alles war noch gleich. Durch die Schiebetür hindurch, gelang ich ins Wohnzimmer. Mit nackten Füßen, tapste ich auf dem Holzboden herum. Das Wohnzimmer war im Gegensatz zum Flur total modern. Das riesengroße Bücherregal neben der eleganten Lampe. Die großen Türen die zur Terrasse führten, waren mit weißen und grauen durchsichtigen Vorhängen verziehrt. An der Decke tummelten sich die vielen kleinen Lämpchen, die zusammen ein tolles Spektakel ergaben. Der, in die Wand eingelassene, schwarze Kamin stand neben der großen weißen Komode. In dieser waren die ganzen Konsolen und Filme. Darüber schien der riesige Fernseher regelrecht zu schweben, obwohl er nur an der Wand fest gemacht war. In der Mitte des Zimmers, stand der Kunstvolle hölzerne Wohnzimmertisch auf dem weiß-grauen Teppich. Dahinter war auch schon gleich die graue Ledercouch mit den, garnicht dazu passenden, roten Kissen darauf. Tja, Max hatte eben keine besondere Farblust was das Haus betraf. Alle Wände waren immerhin in einem eintönigen weiß gestrichen worden. Links neben mir war die Holztreppe. Ich wand meinen Blick zu dem Loch in der Wand. Ursprünglich war dort aber mal eine Tür, doch diese wurde vor vier Jahren entfernt. Jetzt war es nur noch eine Art Loch, das in die Küche führte.
>> Na komm, sagen wir noch schnell Leyla Hallo << sanft schob mich Max in Richtung Küche.
Dort angekommen ging mein Blick gleich zu dem großen Holztisch, der mit kleinen Schnörkeleien verziert war. Auf ihm standen Teller, Orangensaft und Semmeln. Dies wurde von der wunderschönen Lampe gleich darüber, bescheint. Auf den Stühlen, die um den Tisch herum standen, saß eine müde Leyla. Das beste an der Küche war, das sie auf dem neusten Stand war. Auf der großen Platform war der Herd, den man per Touch bedienen konnte. Dazu konnte man dort sich auch hinsetzten und in der Mitte seinen Papiermüll hinein werfen. Gleich neben der Speisekammer stand der große Kühlschrank.
>> Jacob hat heute frei. Also wunder dich nicht, wenn du ihm begegnest <<
Niedlich das sie mich einwies. Aber ich wusste schon immer wann Jace arbeiten musste und wann nicht. Keine Ahnung wieso. Es war bei mir einfach abgespeichert.
Halbwach sah Leyla mich an. Vermutlich realisierte sie meine Anwesenheit nicht wirklich. Insgeheim freute sie sich schon, nur war sie ein totaler Morgenmuffel. Das blonde Mädchen mit den blau gefärbten Haarspitzen, kaute lustlos auf ihrer Semmel herum.
>> Leyla Süße, würdest du bitte Jasmine begrüßen? << auffordernd sah Max ihre Tochter an.
Kurz sah sie auf. Mehr als ein schwaches "Hi" brachte sie nicht heraus. Entschuldigend sah mich die Schwarzhaarige an. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Wir waren alle ziemlich müde.
>> Ich sollte schlafen gehen <<
Seit ich 7 Jahre alt war, verbrachte ich jeden Sommer hier. Da mein altes Elternhaus eine Stunde von hier entfernt war, hatte ich nach drei Jahren Sommerübernachtungen, ein eigenes Zimmer bekommen. Als sich dann meine Eltern getrennt hatten, waren ich und Mum hier in die Nähe gezogen. Dann, nach dem "Unfall", wie die Leute es oft beschrieben, bin ich im ersten Jahr, meistens hierher geflüchtet. Ob Tag oder Nacht, das war mir damals egal. Schon komisch, wenn ich daran dachte, das ich um ein Haar das alles hier nie wieder gesehen hätte. Mein Dad wollte zusammen mit mir wegziehen. Vermutlich weil er wusste das die Polizei ihm auf den Fersen war, nur wusste er glücklicherweise nicht wie nah. Max lächelte mich sanft an, womit ihre grünen Augen aufblitzten.
>> Gute Nacht. Schlaf dich aus << behutsam strich sie mir über den Rücken.
Nun endlich konnte ich schlafen gehen. Wie es wohl in nächster Zeit für mich aussehen würde? Eines war sicher, es könnte nur noch besser werden.

Wie ist mein erstes Kapitel so?😊

Ich versuche so oft wie möglich eines zu veröffentlichen👍


Luna❤️

Herzblut || Pausiert ||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt