Kapitel 4

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Dienstag

Die großen Eingangstüren rekelten sich der Decke empor. Mein Herz schlug wie ein Presslufthammer gegen meine Brust. Meine Beine bewegten sich wie von selbst auf sie zu. Leyla hatte Schwierigkeiten mitzuhalten. Meinen Blick wendete ich nicht einmal von meinem Weg ab. Wir gingen durch die Flure und schon in den ersten paar Sekunden bemerkte ich wie uns alles anstarrten. Oder wohl eher mich. Ich hörte sie tuscheln. Teilweise lachten sie. Sie lachten über mich. Es war noch alles wie vor einem Jahr. Sie hatten sich alle kein Stück verändert. Die Spinde auf der rechten Seite und die Fenster auf der linken erstreckten sich dem Flur entlang. Es war, als könnte ich jeden meiner Schritte hallend vom Boden heraus hören. Vor dem Sekretariat blieben wir stehen. Die knarzende Tür wurde geöffnet und ein schwarzhaariger Junge trat heraus. Ich erstarrte. Mir war es als würde ich ihn kennen. Aber nur zu gut. Als wäre er ein bedeutendes Puzzlestück meiner Erinnerungen. Anscheinend schien es ihm genauso zu gehen. Seine grauen Augen ließen mich zurück stolpern. Er war gerade mal einen halben Kopf größer als ich, jedoch breitete sich pure Angst in mir aus. Plötzlich schüttelte er den Kopf und ging weiter. Stumm sah ich ihm hinterher. Er hatte mir meine Stimme geraubt. Ich konnte nicht mehr. Wer war er nur? Er war zwar teilweise klein, aber kräftig. Das sah man ihm sofort an. Er hatte eine selbstsichere und angsteinflösende Ausstrahlung. So langsam fing ich mich wieder und betrat den zu klein geratenen Raum. Es passten gerade mal drei Schränke, ein Pult samt Stuhl und eine Kaffeemaschine dort hinein. Am Computer tippte eine zierliche etwas ältere Frau herum. Auf ihrer Nase trug sie eine blaue Brille wodurch ihre Augen noch größer erschienen. Sie sah garnicht erst zu uns hoch sondern sprach gleich los.
>> Mister Bennett erwartet Sie bereits <<
Leyla hielt mir die Türe auf und ich trat herein. Das Büro des Rektors war um Längen größer als das von der Sekretärin. Ein Teppichboden ließen meine Schritte verdumpfen. An dem riesigen Fenster, das auf den Parkplatz eine gut Sicht zu bieten hatte, saß Mr. Bennet an seinem Eisentisch auf dem mächten Stuhl aus Eichenholz. Alles in diesem Raum roch nach Zigaretten. Ich setzte mich auf einen der Stühle und wartete bis Mr. Bennett sein Glas aufgefüllt und einen Schluck getrunken hat. Dann standen wir beide sinkron auf und gaben uns die Hand.
>> Miss Payne, es ist schön Sie wieder zu haben <<
Alles an ihm stank nach Alkohol. Verbunden mit dem Zigarettengestank war es einfach nur widerlich. Jeder wusste das er reich war. Aber warum musste er dann unbedingt den Direktor an eine Schule spielen? Er kümmerte sich doch kein Stück um die Probleme der Schule und der Schüler. Das einzige was er tat war, gelegentlich eine zu rauchen. Ich verabscheute diesen Mann einfach. Er könnte sich mit Jack zusammen tun. Sie könnten Brüder sein. So wie sie sich verhielten war es echt ein Wunder das sie nicht verwand waren.
>> Die Freude ist ganz meinerseits <<
Ich zwang mir ein Lächeln auf. Wenn dieser Tag zu Ende war, würde ich mich in meinem Zimmer vergraben und hoffen dass all das hier endlich vorbei ging. Doch zu meinem Pech ging es weiter. Immer und immer wieder. Egal wie oft ich versuchte dem hier zu entkommen, holte es mich wieder ein und riss mich zurück. Wann würde das endlich enden?
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>> Liebe Schüler, ich denke ihr habt schon gemerkt das wir eine neue Schülerin haben <<
Miss Björn setzte ihr falsches Lächeln auf und sah mich erwartungsvoll an. Anscheinend erwartete sie jetzt, das ich anfing zu erzählen wer ich war, wo ich her kam und warum ich mitten im Schuljahr auf diese Schule kam. Aber da hatte sie sich gewaltig geschnitten. Wenn ich schon auf meine alte Schule gehen musste dann aber wenigstens ohne zu lügen. Ich würde niemanden eine Lüge auftischen, das ich neu war und das alles hier noch nicht kannte. Ich würde die Wahrheit sagen, nicht lügen. Ich wand mich ihr zu.
>> Ich bin nicht neu <<
Das hatte sie wohl nicht erwartet. Ich ignorierte das kichern und setzte mich auf den einzigen freien Platz. Ganz hinten. Neben mir saß ein Mädchen mit dunkelblonden Haaren. Ihre Augen fixierten ihre Zeichnung von einem Wolf. Ganz vorsichtig schraffierte sie. Dann sah sie zu mir auf. An ihrer Lippe hatte sie einen kleinen glitzernden Piercing.
>> Hi ich bin Serena und du? <<
Ganz offensichtlich war sie neu, denn erstens erinnerte ich mich nicht an sie und zweitens würde sie, wenn sie schon länger auf der Schule hier war, als erstes einen blöden und verspotteten Spruch raushauen. Ich lächelte sie falsch an. Sofort erkannte sie mein Spiel und lehnte sich ein wenig zu mir vor.
>> Keine Sorge, Frau Stinkstiefel wird uns schon nicht ermahnen. Dafür hat sie zu viel Respekt vor mir << sie zwinkerte mir zu.
Ganz offensichtlich war sie neu. Denn erstens erinnerte ich mich nicht an sie und zweitens hätte sie, wenn sie schon länger auf der Schule hier war, gerade eben als erstes einen blöden und verspotteten Spruch rausgehauen statt diesem teilweise verständnisvollen Satz. Still schweigend sah ich ihr in ihre braunen Augen. Sie setzte sich wieder normal hin und nahm wieder ihren Stift in die Hand. Ohne zu zögern antwortete ich ihr.
>> Jasmine <<
Meine Antwort war zwar knapp, dafür aber informativ. Freundlich lächelte ich sie an. Aber diesmal, war es ein echtes Lächeln.
>> Du hast gesagt du bist nicht neu, also warst du hier schonmal auf der Schule. Warum bist du weg gegangen und jetzt wieder gekommen? <<
Wow, sie wollte anscheinend wirklich alles wissen. Aber das war mir egal. Sie war freundlich und das reichte mir. Ich könnte mir vorstellen mich mit ihr anzufreunden. Kurz sah ich nach vorne. Miss Björn erklärte gerade irgendwas und bekam zum Glück nicht mit das wir nicht aufpassten. Zwar hatte Serena ja gesagt das Miss Björn nichts sagen würde, trotzdem wollte ich es nicht darauf anlegen.
>> Ähm, das ist schwer zu erklären <<
Leicht lächelnd sah ich sie an. Ihre Augen blitzten auf.
>> Ist schon okay, ich kann gut zuhören <<
Zum ersten Mal, seit einem Jahr, breitete sich ein richtiges großes Lächeln auf meinen Lippen aus. Sie interessierte es wirklich. Sie wollte meine Geschichte hören. Sie wollte meine Freundin sein.
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>> Also dein Dad sitzt jetzt im Gefängnis. Aber nicht weil es aufgedeckt wurde, dass er deine Mum umgebracht hat sondern das er Menschenhandel betrieben hat?! <<
Erwartungsvoll sah mich Serena an. Wir saßen inzwischen in der Mensa allein an einem Tisch. Überall tummelten sich Leute und redeten wild durcheinander. Manches hatte sich verändert aber vieles nicht. Zum Beispiel die Bitches hatten eine weniger, die Footballspieler hatten zwei neue und hingen neuerdings mit den Cheerleadern rum da der Kapitän sich offensichtlich in eines der Mädchen verguckt hatte und nun mit ihr zusammen war. Ein paar neue Schüler waren da die anscheinlich sofort dem Schachclub beitraten.
>> Ja das ist richtig <<
Serena biss ein Stück von ihrer Breze ab, die sie sich vorher am Kiosk gekauft hatte.
>> Und was ist jetzt mit dir? Wo wohnst du? Wie geht es dir mit dem ganzen? <<
Jedem anderen hätte ich etwas vorgelogen und gesagt mir ginge es gut und ich ginge mit dem ganzen Super um, doch irgendetwas an Serena brachte mich dazu, sie nicht anzulügen sondern ihr die Wahrheit zu sagen.
>> Ich wohne zurzeit bei einer alten Freundin meiner Mum, Max. Mit dem ganzen, ich will nicht lügen, geht es mir scheiße. Manchmal will ich schon garnicht aufstehen weil mich einfach alles überfordert <<
Aufmerksam hatte sie mir zugehört. Genau das schätzte ich so an ihr.
>> Och Jasmine <<
Sie umarmte mich. Ich erwiderte die Umarmung und genoss sie vollkommen. Leyla gesellte sich zu uns.
>> Na endlich, es hat Jahre gedauert dich zu finden <<
Sie schmiss ihre Tasche auf einer der Stühle. Serena fing an zu grinsen.
>> Das kauf ich dir nicht ab. Ich glaub eher du warst wieder bei Simon <<
Verdutzt sah ich zwischen den beiden her.
>> Wer ist Simon? <<
Ich sah Serena an, die ein Grinsen hatte das über beide Ohren ging. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Leyla mit den Armen fuchtelte um Serena klar zu machen das sie es mir nicht sagen sollte. Doch sie war zu hundert Prozent schadenfroh und bei ihr stand es schon fest das sie es mir erzählte.
>> Ihr Freund <<
Ihr Freund? Seit wann hatte Leyla einen Freund? Verdutzt drehte ich mich zu ihr um. Okay, ich wusste ich hatte mit eigenen Problemen zu kämpfen aber so etwas hätte sie mir sagen müssen. Gerade sah ich wie ein großgebauter, gut aussehender Junge auf uns zu kam. Ganz klar war er einer der Badboys. Er zog Leyla auf die Beine und fing an sie zu küssen. Während die beiden rumknutschten, widmete ich mich wieder Serena. In der Ferne sah ich ihn wieder. Seine pechschwarzen Haare waren schwer zu übersehen.
>> Wer ist das eigentlich? <<
Ich zeigte auf den Jungen den ich heute morgen vor dem Sekretariat getroffen hatte.
>> Das ist Jammy. Er ist einer der Badboys und mit Blear zusammen <<
Jammy, so hieß er also. Interessant, er war einer der Badboys und mit Blear zusammen. Irgendwie kam mir der Name bekannt vor. War Blear nicht mal mit Jacob zusammen? Doch, war sie!
>> Ist Blear nicht schon achtzehn oder so? <<
Kurz sah Serena auf ihr Handy um die Uhrzeit zu checken. Wir hatten noch gut zehn Minuten.
>> Nein sie wird erst achtzehn aber trotzdem ist das natürlich ein kleiner Unterschied <<
Fragend sah ich Serena an. Anscheinend verstand sie meine Frage auch ganz ohne Worte.
>> Sie ist fast drei Jahre älter als er. Ganz ehrlich, keine Ahnung warum das bei denen klappt. Naja zum Glück sind wir nicht mit der Bitch in einer Klasse <<
Ich lachte auf. Einer der Bitches war sie nicht. Serena musste sie aus einem anderen Grund so genannt haben.
>> Warum ist sie denn eine Bitch? <<
Genervt sah Serena zu ihr rüber.
>> Beschissene Stiefschwestern haben eben keinen anderen Namen verdient << meinte sie ein wenig sauer und stand auf.
Anscheinend hatte ich einen wunden Punkt getroffen. Aber ich verstand sie. Ich kannte ihre Geschichte. Ihre Mum starb kurz nach ihrer Geburt und ihr Dad hatte, sieben Jahre später, ihre Stiefmum geheiratet und somit Blear mit in die Familie geholt. Wieso hatte ich sie nicht schon früher erkannt? Ich war damals mit ihr in der Grundschule, aber dies war schon lange her. Schnell stand auch ich auf und rannte ihr nach. Nachdenklich lief neben ihr her. Jammy war also erst fünfzehn. Dabei hatte er bei unserer ersten Begegnung so erwachsen gewirkt. Ich sollte wohl aufhören Leute nur nach ihrem äußeren einzuschätzen.
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>> Wann wollte er nochmal da sein? <<
Fragend sah ich Leyla an, die nur auf ihr Handy starrte. Ich startete einen neuen Versuch aber diesmal etwas lauter.
>> Wollte Jace nicht schon längst hier sein?! <<
Kurz nickte sie. Sie hatte also schonmal mitbekommen das ich mit ihr sprach, aber sie wusste nicht worüber.
>> Hallo!? Erde an Leyla! << ich schnipste sie an >> Wollte Jace nicht schon längst hier sein? <<
Genervt sah sie mich an und dann hinter mich.
>> Da ist er doch und jetzt nerv mich nicht <<
Augen verdrehend ging ich zum Wagen und stieg ein. Nachdem wir losgefahren waren, fing Jace ein Gespräch an.
>> Und? Wie war dein erster Schultag? <<
Von hinten hörte man ein unnötiges, kurzes "Toll" von Leyla. Lächelnd schüttelte ich den Kopf. Jacob sah mich an.
>> Ganz nett, denke ich <<
Er fing an zu lachen und mein Herz machte einen Satz nach oben. Mir gefiel sein Lachen so sehr. Es war so sanft und so ... schön.
>> Denkst du? Oh Man Jas du solltest dir wirklich mal höhere Ziele setzten. Aber ich versteh dich, reden und denken ist nicht so deine Stärke - <<
>> Hey! << ich boxte ihn.
>> - deswegen werde ich dir auf die Sprünge helfen. Mein Tag war toll. Wir haben eine neue Mitarbeiterin. Nach der Arbeit habe ich mir noch einen Kaffee bei Starbucks mit ihr gegönnt und bin dann gleich zu euch gefahren. Jetzt du! Wie war dein Tag so? <<
Grinsend verdrehte ich die Augen. Diese Familie brachte mich einfach immer zum lachen. Jace war eben wie der große Bruder den ich nie hatte.
>> Mein Tag war ganz nett. Ich habe eine neue Freundin gefunden. Sie ist Blear's kleine Schwester und ... <<
Weiter kam ich garnicht da mich Jace unterbrach.
>> Wie geht's Blear eigentlich so? <<
Ich sah zu Boden. Ich wusste genau warum er fragte.
>> So viel ich weiß ganz gut, sie ist zurzeit mit diesem Jammy zusammen <<
Jace machte einen Schlenker zu Seite.
>> Mit Jammy?! Wie hat dieser Schlappschwanz (sorry für den Ausdruck) es geschafft die abzukriegen?! <<
Natoll, er regte sich schon wieder auf. Immer wenn er das tat, bekam ich Angst vor ihm. Jacob hatte nicht ohne Grund eine Antiagressionstherapie absolvieren müssen. Er hatte gewalttätige Wutanfälle. Deswegen hielt bei ihm wahrscheinlich auch nie eine Beziehung.
>> Woher soll ich das wissen? Fahr lieber vorsichtig und reg dich zuhause auf. Sonst bringst du uns noch alle um <<
Den letzten Teil flüsterte ich nur. Er fuhr sich durch die Haare und schien sich zu beruhigen. Na das konnte ja noch heiter werden.

2149 Wörter.
Wie fandet ihr das Kapitel?
Wundert euch nicht, warum Jacob nicht so oft vorkommt oder Jasmin nicht über ihre Träume redet, das kommt alles noch ... es muss sich ja noch entwickeln 😉

Luna❤️

Herzblut || Pausiert ||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt