Kapitel 8
Ryan stand vor dem größten Apfelbaum in der Mitte des Gartens.
Er hatte einen Kasten mit Schneidewerkzeugen heran geschoben und eine Leiter an den Stamm gelehnt.
Er zog seinen Diagnose-Handschuh an. In den Fingerspitzen nahmen tausende Nano-Sensoren Informationen auf, transformierten sie und gaben sie an Ryans Fingerspitzen weiter. Der Apfelbaum fühlte sich vernachlässigt. Ryan beschloss ihn etwas auszuschneiden, um ihm mehr Luft, mehr Freiraum zu verschaffen.
Mit der Astschere begann er die überflüssigen Triebe zu kappen.
Mit jedem Schnitt versank er tiefer in der Arbeit, bis seine Gedanken Fahrt aufnahmen und umherschweiften. Fragen drängten sich in sein Bewusstsein.
Warum hatte er Deliah nicht erreichen können? War sie schon so schwer erkrankt, dass sie ihm ihren Zustand vorenthalten wollten? Hatten sie überhaupt das Recht so etwas zu tun? War es nicht viel mehr ihre Pflicht ihn zu informieren? Vielleicht war sie auch gar nicht krank. Vielleicht war es nur ein Vorwand, um ihn loszuwerden. Ryan biss sich auf die Unterlippe.
Das würde auch erklären, warum sie sich trotz weiterer Versuche sie zu erreichen, nicht mehr gemeldet hatte und auch warum sich aus der Firma keiner mehr etwas über ihren Aufenthalt und Gesundheitszustand meldete.
Die Schnitte an den Ästen wurden stärker. Mit beiden Händen drückte er das Laub zur Seite und arbeitete sich an den Stamm heran.
Warum hatten sie ihn zurück an Selinger vermittelt?
Vielleicht war es sein Schicksal schon wieder alleine gelassen zu werden. Er, der am Meisten einer liebevollen, intimen Beziehung bedurfte, er der so gelitten hatte unter seiner bigotten Mutter und seinem spielsüchtigen Vater. Was hatte er getan? Womit das Universum verärgert, auf welche Weise Gott erzürnt, dass er so eine Strafe verdient hatte?
Ryan stand bis zu den Knöcheln in abgeschnittenen Ästen. Der Schweiß lief ihm in kleinen Bächen an den Schläfen hinunter. Seine Handgelenke zeigten die ersten Schürfwunden, die ihm die Borke zugefügt hatte.
»Konzentriere dich, du wirst noch den ganzen Baum zu Tode stutzen. Denk an Deliah, sie hat dir immer Kraft gegeben«, flüsterte sich Ryan zu und schnitt weiter.
Er versuchte sich ihr Gesicht vorzustellen. Er sah ihre Augen, die Härchen an ihren Ohren, ihre gekräuselten Lippen, wenn sie schmollte, aber er konnte Deliah nicht mehr zusammensetzen. Sie war ein Puzzle geworden. Je mehr er sich darauf konzentrierte Deliahs Gesicht richtig zusammenzusetzen, umso mehr entglitt ihm die Kontrolle über seine Schnitte.
Er spürte, wie der Zorn in ihm hochstieg. Auf jeden richtigen Schnitt folgten zwei falsche. Ryan schüttelte den Kopf. Hatte er die grundlegenden Aspekte seiner Arbeit vergessen? War er zornig auf Deliah oder auf sich selbst? Die Äste fielen nun in immer größeren Stücken vom Stamm.
Ryan knurrte, schnaubte und schließlich brüllte er den Baum an, während er ihm Stück um Stück abschnitt. Die Äste ohrfeigten ihn jedesmal, als wollten sie ihn anschreien: »Lass es, Ryan, lass es!«
Außer Atem trat er ein paar Schritte zurück, stützte seine Hände auf seine Oberschenkel und betrachtete schnaufend den Baum. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Oberlippe, auf der die Schweißperlen standen.
Ein fast kahler Stamm, an dessen Spitze noch zwei schiefe Äste abstanden ragte vor ihm auf. Ringsum am Boden schichteten sich die einst so stolzen Äste auf.
Ryan verfluchte sich. Mit aller Kraft schleuderte er die Astschere gegen den Stamm, dass sie in der Mitte zerbrach.
***
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