Kapitel 10
Ryan stand vor seinem Spiegel, das Wasser lief leise ins Waschbecken.
Er klopfte den Rasierer aus und zog die Klinge seinen Hals entlang Richtung Kinn. Seine Augen beobachteten, wie unter den Haaren bei jeder Bahn, die er abzog, seine weiße Haut zum Vorschein kam.
Sein dichtes schwarzes Haar hing feucht über seine Ohren. Er kämmte sich einen braven Scheitel. Er wusch sich den Schaum aus dem Gesicht und trocknete es mit einem Handtuch. So sauber und gut hatte er das letzte Mal beim Beginn seines Studiums ausgesehen.
Stella saß hinter ihm auf einem Stuhl und betrachtet ihn.
»Du siehst richtig glaubwürdig aus.«
Ryan grinste.
»Sollte ich auch, bei dem was wir Dr. Swoon verklickern wollen.«
»Möchtest du es nochmal durchspielen?«
»Ja, klar.«
»Ok, ich bin Dr. Swoon.«
Stella drückte ihren Bauch heraus, schob den Unterkiefer nach vorne und sagte mit gekünstelter tiefer Stimme.
»Na, mein lieber Ryan. Was führt sie zu mir?«
Ryan lächelte.
»Dir fehlt dieser mitleidige Ärzte-Ton, der sagen will: Egal was sie haben, es interessiert mich eigentlich nicht.«
Stella zuckte grinsend die Schultern.
»Also Ryan, was führt sie zu mir?«
Ryan holte tief Luft. Während er sich die Hände wusch sagte er ernst: »Dr. Swoon. Mir ist völlig klar, was sie von meinem Gesundheitszustand halten und ich gebe zu, dass ich in den letzten Tagen wirklich sehr verwirrt war, aber nun, mit etwas Abstand sehe ich die Dinge anders.«
Stella nickte zustimmend.
»Der Verlust von Deliah hat mich tief getroffen. Ich weiß aber nun, dass mein Leben weitergeht. Schließlich hätte ich sie ja auch auf der Erde bei einem Autounfall verlieren können, nicht wahr?«
Stella deutete Ryan mit den Händen weiterzumachen.
»Daher glaube ich, dass es das Beste für mich ist, wenn ich mal hier rauskomme um die Umgebung zu erkunden. Ich denke, dass es mich auf meinen ursprünglichen Weg zurückführen wird. Die Erforschung des Mars.«
Stella applaudierte leise.
»Wunderbar vorgetragen. Und vergiss nicht ihm immer in die Augen zu sehen. Zeig dich ab und zu verlegen, dass wird ihn für dich einnehmen.«
Ryan nickte. Er trug etwas Aftershave auf. Der Mann im Spiegel machte den Eindruck eines nüchternen Wissenschaftlers, der sich im Griff hatte. Genau das Bild, das er von sich abgeben wollte. Die Wahrheit jedoch sah vollkommen anders aus.
»Und du bist dir sicher, dass du nicht mitkommen möchtest?«, fragte er Stella.
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, da musst du alleine durch. Wenn ich dabei bin durchschaut er uns vielleicht noch. Das können wir nicht brauchen.«
Ryan nickte erneut.
»Wünsch mir Glück.«
»Bleib stark, Royal.«
Ryan verließ seine Kabine und stapfte durch die Gänge zur Krankenstation. Auf dem Weg blickte er immer wieder aus den schmalen Bullaugen an den Wänden. Der Mars lag wie eine dürre Wüste vor ihm. Kalt und einsam.
Als er vor der Tür zu Dr. Swoons Untersuchungszimmer stand holte er tief Luft und zog den Bauch ein. Er setzte sein gewinnendstes Lächeln auf, klopfte und trat ein.
»Ryan. Was für eine nette Überraschung. Wir wollten sie gerade holen lassen.«
Dr. Swoon saß vor dem Computer und kontrollierte Zahlenkolonnen und spielte mit einem roten Taschenmesser.
Neben ihm saß Kommandant Selinger, ein Bein über das andere geschlagen und sah Ryan finster an. Ryan unterdrückte die aufsteigende Panik. Was meinten sie mit: »Holen lassen?«, dachte er.
»Also Doc, die Sache ist folgende … «
Er wurde nervös und merkte, wie ihm der Schweiß den Rücken hinunterlief. Er war es nicht gewohnt zwei Menschen offen anzulügen. Er kratzte sich am Nacken und dachte an Deliah.
» Dr. Swoon. Mir ist völlig klar … ich war in den letzten Tagen wirklich sehr verwirrt … aber der Abstand zu den Dingen.«
Ihm schwindelte. Er hatte seinen wohl vorbereiteten Text vergessen, musste improvisieren und das lag ihm gar nicht.
Er verknotete seine Finger ineinander und konnte die Füße kaum stillhalten.
»Der Verlust von Deliah … ich weiß, dass mein Leben weitergeht … ich glaube, dass es das Beste für mich ist, wenn ich mal hier rauskomme um die Umgebung zu erkunden … die Erforschung des Mars.« Er stammelte wie ein Schuljunge, der zum Direktor zitiert wurde.
Selinger und Dr. Swoons Blicke ruhten ernst auf ihm. Ryan verfluchte sich innerlich. Er machte sich zum Clown und sein Schicksal lag in den Händen dieser beiden Männer.
Dr. Swoon kratzte sich mit den Fingern an der Nase.
»Hören Sie Ryan. Ich muss ehrlich zu ihnen sein. Wir haben uns angesehen, was sie mit dem Baum im Garten gemacht haben. Wir haben auch ihre Versuche überwacht Kontakt mit der Firma aufzunehmen. Wir hatten gehofft, dass sie zur Ruhe kommen. Aber leider bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass ihre Psyche schwereren Schaden genommen hat, als ich es zuerst für möglich hielt. Ich denke, dass es für sie da draußen viel zu gefährlich ist. Ich habe mir geschworen, dass es unter meiner medizinischen Leitung nur eine einzige Todesanzeige geben wird. Altersschwäche. Daher halten wir es für angebracht sie in nächster Zeit von der übrigen Besatzung fernzuhalten. Es ist besser für sie und besser für uns.« Dr. Swoon lächelte milde.
Kommandant Selinger nickte und fügte an: »Wir haben eine Reihe von Aufgaben, für die sie wie geschaffen sind und wer weiß, irgendwann, in ein paar Jahren, wenn sie alles verkraftet haben, werden wir sie ab und zu mit hinausnehmen auf die Oberfläche.«
»Es ist nur zu ihrem Besten«, vollendete Dr. Swoon Selingers Gedanken.
Ryans Gedanken rasten im Kreis. Hatten diese Leute wirklich vor ihn hier einzusperren? Das wäre sein wahres Ende gewesen. Deliah kam ihm in den Sinn, wie sie auf einem Krankenbett auf der Erde in einem sterilen Zimmer vor sich hinstarb. Sein Herz schmerzte. Ein Kloß in seinem Hals versagte ihm die Stimme. Er flüsterte: »Und wenn ich ihnen die Kontrolle über meinen MedGuard gebe? Sie hätten ständigen Zugriff auf meine Verbleib und meinen Gesundheitszustand …«
Dr. Swoon lächelte und steckte das Taschenmesser in die Tasche seines weißen Kittels.
»Das, mein lieber Blankenship, hätten wir ohnehin gemacht.«
Ryan atmete tief aus, während er vor seinem geistigen Auge sah, wie Deliah ihre Augen für immer schloss. Er spürte wie er einen weiteren Schritt von seiner Menschlichkeit weg machte.
***
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