Kapitel 13
Eine viertel Stunde verging, in der Ryan ohne Unterlass auf die Uhr an der Wand starrte. Seine linke Hand hatte er etwas von dem dicken Gewebegurt frei bekommen. Er konnte seitlich ein paar Zentimeter unter den Tisch greifen. Weit genug, um an seinem Seesack den Knoten des Seils zu lösen.
Nun lag er da und überlegte. Dr. Swoon würde ihn mir Sicherheit sedieren. Das hieß er würde mit einer Spritze auf ihn zukommen. Für den Doktor gab es keinen Grund seine Hände zu befreien. Was der gute Doktor aber übersehen könnte, wäre, dass Selinger vergessen hatte seine Füße niederzubinden. Ryan schöpfte Hoffnung.
Mit seinen Schuhspitzen schlüpfte er unter die Gurte, sodass diese über seinen Knöcheln zu liegen kamen. Mit etwas Glück, würde er den Doktor überrumpeln können.
Im Grunde tat ihm der Mann leid. Er war kleiner als er und klobiger. Er brauchte nur eine Sekunde der Unaufmerksamkeit. Ryan hörte Deliahs Stimme in seinem Kopf. Er konzentrierte sich. Irgendwo hatte er gelesen, dass es bei Paaren, die sich besonders lange kannten, zu ähnlichen Gehirnwellenmustern kommen konnte. Vielleicht konnte man diese in Zeiten der höchsten Not zur Telepathie verwenden? Seine Gedanken wurden immer wirrer. Deliah aber sagte: »Glück hat nichts mit deiner Rettung zu tun. Lenk den Doktor ab. Erzähl ihm eine Geschichte.«
Ryan nickte und flüsterte in den leeren Raum: »Eine gute Idee, mein Schatz, eine sehr gute Idee.«
Im selben Moment öffnete sich die Tür und Dr. Swoon trat ein.
Seine Wangen waren gerötet, seine Stirn feucht. Er ging zum Arzneischrank und entnahm eine Ampulle. Mit einer kleinen Spritze, aber einer langen Injektionsnadel zog er das Sedativum auf.
»Wir haben Xavier gefunden. Seine Augen sehen gar nicht gut aus. Was ist ihnen da bloß eingefallen?«
Ryan bemerkte, dass Dr. Swoons Hände leicht zitterten. Die Spitze der Nadel zuckte hin und her, daher verhielt er sich ruhig.
Der Doktor nahm eine Schere und schnitt Ryans Coverall über dem Ellenbogen auf. Durch die Anspannung waren Blankenships Venen schön zu sehen. Ryan hielt still.
Mit festem Griff packte der Doktor seinen Oberarm und näherte sich mit der Nadel seiner Haut. Ryan keuchte und begann ohne Pause drauflos zu plappern.
»Hören Sie, Doc. Ich muss ihnen noch etwas erzählen. Ich war ein mieser Schüler. Wenn die anderen in der Pause auf dem Hof herumliefen und Spielchen spielten, saß ich auf einer Mauer und betrachtete die Bäume. Bäume sind unglaubliche Wesen. Sie können hören, riechen, sehen, fühlen und schmecken. Fünf Sinne, so wie wir. Doch jeden Tag, wenn ich nach der Schule nach Hause kam wartete meine Mutter schon hinter der Haustür. Sie war eine sehr gläubige Frau, wissen sie. Also kaum ging die Tür auf, hielt sie mir ein Holzkreuz entgegen, mit einer kleinen Jesus-Plastikfigur dran. »Küss den Herrn«, sagte sie unablässig. Dabei drückte sie mir das Kreuz gegen die Lippen. Ich hab diesen Geschmack von Plastik und Holz immer noch auf der Zunge. »Küss den Herrn«. Immer derselbe Satz, immer derselbe Ritus. Und wissen sie was, anfangs war es ein Spielchen, dass ich mitmachte und das mir gefiel. Als ich älter wurde, wurde mir jedesmal schlecht und ich stellte mir vor, wie ich die Nägel mit meinen Küssen durch Jesu Fleisch ins Holz trieb. Aber dann lernte ich Deliah kennen. Der Mensch, der mich vor meinem Untergang rettete und wissen sie was, Doc, mit dem Geschmack ihres Orangenküsse auf den Lippen war es gar nicht mehr so schlimm den Plastikherrn zu küssen.“
Swoon starrte Ryan mit offenem Mund an, als hätte er gerade erfahren, dass sein leiblicher Vater früher eine Frau gewesen war. Ryan schloss noch einmal kurz die Augen und ließ sein Knie gegen die Schläfe des Arztes krachen. Stöhnend sank dieser über ihm zusammen.
Mit der linken Hand kam Ryan an Swoons Manteltasche. Er kramte darin herum und fand das Taschenmesser des Arztes. Wenige Augenblicke später stand er neben dem Tisch und band Dr. Swoon darauf fest, der bewusstlos vor sich hin schnaufte.
Ryan packte seinen Seesack und durchsuchte die Krankenstation nach nützlichen Dingen, die er brauchen konnte.
Auf dem Schreibtisch des Doktors fand er einen handgeschriebenen Zettel. Ryan traute seinen Augen nicht.
Als Überschrift stand darauf: »Organspende« und eine Reihe von Namen. Ryan H. Blankenship stand auf Platz 1.
Ryan hätte am liebsten aufgeschrien. Er keuchte und lachte hysterisch auf. Sie hatte ihn also schon als lebendes Organlager abgestempelt. Er steckte den Zettel ein, um ihn Stella zu zeigen. Stella. Sie musste schon verzweifelt warten.
Ryan öffnete die Tür zum Gang, sah sich noch einmal im Raum um und verschwand in Richtung Schleuse 13.
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Euer Luc

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ich, Mars
Science FictionEs gibt Science-Fiction-Geschichten die sind unbequem. Sie passen irgendwie nicht ins Genre, sind kompliziert, einfach keine Kost für jeden ... dies ist eine solche. Ich nenne es Psycho-Fiction. Ich schrieb die Story für meine Frau Manu. Sie wollte...