Kapitel 15
»Verdammter Mist!«, brüllte Ryan in seinem Helm.
»Hör auf zu fluchen, arbeite schneller«, schrie Stella zurück.
Sie schleppten eine schwere Kiste Richtung Höhleneingang. Die Raumanzüge schränkten ihre Bewegungsfreiheit ein. Schritt für Schritt schleppten sie im stärker werdenden Sturm die Ausrüstung vom Transporter in die Höhle.
Wie das Maul eines Frosches stand der Gang sperrangelweit offen. Bereit zwei Fliegen, wie Stella und Ryan, zu verschlucken.
Immer wieder klebte der Sandstaub am Anzug und am Visier des Helmes fest. Die elektrostatische Aufladung zog ihn an wie ein Magnet Metallspäne. Ryan wischte unablässig über den Sonnenschutz, um sehen zu können.
Sie stellten die Kiste neben den anderen ab und sahen aus der Höhle.
Eine undurchsichtige Wand aus Sandstaub stand nun dort, wo vor ein paar Stunden noch eine weite Ebene mit etlichen Hügeln die Landschaft prägte. Nur am Himmel blitzten ab und an Sterne zwischen den blutroten Sandfahnen auf. Das Tosen des Sturms wurde lauter. Milliarden kleiner Sandpartikel prallten aneinander und verursachten ein dumpfes Dröhnen, dass in den kleinen Sauerstoffhelmen zu einem bedrohlichen Kreischen anwuchs.
»Ist der Transporter gesichert?«, rief Ryan Stella zu.
Sie hob den Daumen.
Ryan ächzte. Er holte Luft, als er plötzlich schreckensbleich wurde.
»Der Generator? Wo ist der Generator?«
Hektisch suchte er zwischen den Kisten.
»Ohne Generator können wir das Not-Zelt nicht aufstellen.«
Stella hastete nun ebenfalls herum.
»Ich habe ihn hinten auf die Plattform des Transporters gestellt.«
Ryan brüllte vor Zorn und Ohnmacht.
»Du kannst da nicht mehr raus, Royal.«
Er drehte sich auf der Ferse um und deutete mit dem Zeigefinger auf die Höhle.
»Klappe, Stella. Rein mit dir in die Höhle. Nimm das Not-Zelt mit, den Rest lass hier. Das Zeug ist gut genug verpackt.«
Damit lief er los in den Sturm.
***
Das Kreischen in Ryans Helm war dermaßen laut, dass er mehr als einmal glaubte das Bewusstsein zu verlieren.
Der Sand nagte an seinem Anzug, jeder Schritt wurde zur Qual. Ständig peitschte eine neue Welle von einer anderen Seite auf ihn ein. Seine Gelenke knackten, seine Muskeln brannten.
Ryan kämpfte sich vorwärts.
Er verfluchte sich. Er verfluchte Stella. Er verfluchte den ganzen Planeten. Hatte er nicht schon genug gelitten? Und die weitaus wichtigere Frage war, für welches unaussprechliche Vergehen musste er dermaßen leiden? War es wegen seiner Liebe zu einer Frau, wegen der Hybris, als Pionier auf einen fremden Planeten zu gehen, wo er nicht hingehörte oder war es gar aufgrund seiner bedauernswerten Geburt?
Ryan versuchte sein Selbstmitleid mit Logik zu besiegen. Er hatte keine Schuld. Er war nur ein kleines Rad in der ewigen Maschinerie des Universums.
Und Deliah? Wo war sie? Wo waren die unzähligen Liebesschwüre, die Treueversprechen? Wo war die Kameradschaft eines Kommandanten Selinger oder eines Dr. Swoon? Ausschlachten wollten sie ihn, seine Organe unter sich verteilen, nur weil er mit einer schwierigen Situation nicht so schnell fertig wurde, wie andere. Ryan überlegte, ob nicht gerade das die größte Rache wäre. Dann nämlich hätte jeder einen Teil Blankenship in sich tragen müssen, um weiterleben zu können. Und wo war sein Vater? Wo seine Mutter? Verraten hatten sie ihn und sich mit dem Schicksal gegen ihn verschworen. Genau das war es. Er dachte kurz an die wichtigsten Entscheidungen, die er in seinem Leben getroffen hatte. Mutter und Vater kämpften in ihm, um ihn. Es hatte nie einen Ryan gegeben, sondern immer nur eine Mischung der Wünsche und Unzulänglichkeiten dieser beiden Menschen. Jedes ja, jedes nein, waren einzig die Worte seiner Eltern, die aus seinem Mund gekommen waren. Jede Entscheidung hatte er auf Basis ihrer Werte getroffen. Ein Mensch, der durch seine Umwelt definiert war. Und nun?
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ich, Mars
Science FictionEs gibt Science-Fiction-Geschichten die sind unbequem. Sie passen irgendwie nicht ins Genre, sind kompliziert, einfach keine Kost für jeden ... dies ist eine solche. Ich nenne es Psycho-Fiction. Ich schrieb die Story für meine Frau Manu. Sie wollte...