Mein letzter Angriff

341 27 7
                                    

Wir brachen in später Nacht auf, dann, wo der Himmel seine dunkelste Farbe angenommen hatte. Alles lief wie geplant. Wir sprachen uns auf dem Hinweg wie gewohnt ab, ich war üblicherweise wieder für die Katapulte zuständig. Und dann hatten wir unser Ziel erreicht. Das Menschendorf.

Jeder Drache begab sich zu seinen Aufgaben und spie Feuer, was das Zeug hielt. Ich hielt mich vorerst noch etwas zurück, das Erledigen meiner Aufgaben würde schließlich nicht lange dauern. Und wieder mal schweiften meine Gedanken zu dem Jungen. Er war inzwischen etwas älter geworden und auch seine Erfindungen gewannen ein Stück weit an Ernsthaftigkeit. Nur wiesen sie nach wie vor kleine Macken und Fehler auf.

Die ersten Drachen schnappten sich bereits die Schafe, welche noch ahnungslos auf der Wiese standen. Eins nach dem anderen verschwand, fast unbemerkt. Als die Herde allerdings panisch durch das Dorf stürmte, hatte Feuerschuppe es wieder einmal nötig, Aufmerksamkeit zu gewinnen. So flog er den Schafen auf Bodenhöhe hinterher, machte vor einem Haus Halt und spie einen glühenden Feuerstrahl, direkt auf eine soeben geöffnete Tür. Das Haus stand nun in Flammen und auf die Sekunde sprinteten die ersten Wikinger den entlaufenden Schafen hinterher. Als wäre dies schon nicht genug, setzte mein überhitzter Freund auch die Wiese in Brand. Immer mehr Menschen machten sich zum Angriff bereit, nur waren wir Drachen einfach schneller.

"Ich schnappe mir kurz ein Schaf, ja?", gab Dorn mir Bescheid und ging in den Sturzflug über. Ich blieb wortlos im Gleitflug und verschaffte mir einen Überblick bei dem soeben entstandenen Chaos.  
Plötzlich rannte der Junge aus dem brennendem Haus heraus, stand allerdings jedem Wikinger im Weg, bis er schlussendlich von einem rothaarigem Mann gestoppt wurde. Er packte den Jungen am Nacken, teilte ihm etwas mit und schickte ihn anschließend fort zum Gebäude, indem er sich oft mit dem blonden Mann aufhielt.

Dem widmete ich eigentlich selten meine Aufmerksamkeit, doch diesmal hob der rothaarige Kerl ein Gestell auf Rädern und warf es brutal in die Luft. Dabei erwischte er Dorn am Flügel! Die Nadderdame japste einmal kurz auf und korrigierte ihre Richtung. Eilig erkundigte ich mich bei ihr: "Bist du verletzt?" Leicht angetan schnaubte sie: "Nein, bloß ein wenig geprellt, denke ich, aber ich kann meinen Flügel noch gut bewegen."
Beruhigt trennte ich mich wieder von ihr und stieg noch ein bisschen höher.

Währenddessen ließen Zisch und Klacks ein kleines Haus explodieren, wobei ein runder Gegenstand ins Brennen geriet und im hohen Bogen auf die Schulter des rothaarigen landete. Dieser strich es allerdings uninteressiert mit seinem Finger wieder weg.

Nun wurden flackernde Türme aufgestellt, um das Dorf zu erhellen. Diese Beleuchtung war für mich ziemlich gefährlich und riskant, denn so konnte meine Tarnung leicht auffliegen.

"Wie wäre es, wenn du etwas mithelfen würdest?", schnauzte mich plötzlich Feuerschuppe von der Seite an.
"Ich warte, bis die Menschen auf Bodenwache umsteigen und die Katapulte zum Gegenangriff nutzen!", knirschte ich verärgert, denn so hatte ich es schon immer gemacht. Arrogant schnaufte der Riesenhafte Albtraum und setzte das Dach eines weiteren Hauses in Brand.

Ich beobachtete noch ein wenig das Geschehen von hier oben. Einige Zeit nachdem der Junge im Gebäude verschwand, kam ohne jegliche Vorwarnung ein Seil, dessen Enden mit insgesamt drei Steinen verbunden war, aus dem offenem Fenster geschossen und traf dabei einen Wikinger am Kopf, dieser daraufhin bewusstlos zu Boden fiel. Glurrend belächelte ich das Szenario. Was auch immer sich im Gebäude abgespielt hatte, der Junge musste daran beteiligt sein.

Ich ließ meinen Blick noch etwas über das Dorf gleiten, bis er bei Dorn hängen blieb. Der Tödliche Nadder hatte sich inzwischen erholt und machte sich mit einigen weiteren ihrer Art daran, die Schafe zu erstehlen. Anscheinend hatten die Menschen ihr entlaufendes Vieh nicht gut genug untergebracht, denn die stacheligen Drachen rissen den Zaun mit Leichtigkeit nieder und schnappten mit bloßen Zähnen nach den wehrlosen Tieren.

Ohnezahns LebensgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt