Das Drachenauge - Teil 1

177 8 3
                                    

Es sind nun drei Jahre vergangen, seit ich Hicks kennen lernte. Die Zeit verging wie im Flug und ich fühlte mich vollkommen integriert. Berk war meine Heimat. Unsere Heimat.
Und so sehr Hicks und ich uns den Drang teilten, ferne Inseln zu erkunden und unbekannte Drachen zu entdecken, mussten wir dennoch feststellen, dass es womöglich das Ende unsere Erforschung war. Die große, weite Welt war wohl doch nicht so gigantisch wie wir es uns erträumt haben. Klar, wir haben immer noch nicht meine Familie, geschweige denn irgendeinen Nachtschatten, gefunden, aber war das hier wirklich das Ende? Haben wir tatsächlich das Ende der Welt erreicht?

Es war ein sonniger Tag, als mein bester Freund und ich unsere Flugkünste ausprobierten. Dagur der Durchgeknallte hatte sich seit drei Jahren nicht mehr blicken lassen, vermutlich war er im Gefängnis.
Gut für uns, denn so hatten wir Frieden auf Berk und Zeit füreinander.

Hicks trat ins Pedal und ich sauste durch die Wolken. Der Wind pfiff mir ins Gesicht und ich beschleunigte mein Tempo. Mit einer Schraube zischte ich in die Höhe, bahnte mir meinen Weg zwischen einigen Felsen hindurch und ließ mich vom Wind tragen.
Das war herrlich!

"Okay, mein Freund", sprach Hicks, "Proben wir das neue Manöver!"
"Einverstanden!", schnaubte ich und stürzte in die Tiefe. Ein Tritt ins Pedal und wir katapultierten uns weit nach oben. Mein Reiter jubelte und lenkte die rote Schwanzflosse: "Juuhuuuu! Ja, mein Freund! Genauso, Ohnezahn!"
Ich hechelte und peitschte mit den Flügeln. Immer höher!

"Hey, du hast es drauf!", lobte er mich und ich grinste mit meinem nackten Zahnfleisch die Wolken an, "Noch höher!"
Also gut! Ich wurde schneller und stürmischer.
Plötzlich ertönte ein Klicken. Warum trat Hicks denn ins Pedal?
Auf einmal wurde mein Sattel federleicht. Was zum...?
"Oh, nein, nicht schon wieder!", fluchte Hicks, aber seine Stimme klang so weit weg.

Verdammt! Es ist wieder passiert! Hicks hatte sich unabsichtlich vom Sattel gelöst. Das geschah seit der neuen Aufwertung des Sattels immer häufiger.
Mahnend erinnerte er mich: "Hey, Ohnezahn!"
Ich murrte: "Komme schon", und legte meine Flügel an. Unbeeindruckt fielen wir nebeneinander in die Tiefe, geradewegs auf das Meer zu. Schon die ganze letzte Woche ist Hicks vom Sattel gefallen. Das durfte doch nicht wahr sein! Konnte er sich nicht einfach festhalten?

Als ich ihn einholte, grüßte er mich gegen den Wind: "Hey."
"Na du", glurrte ich zurück.
"Immer nur Sturzflug ist doch auch langweilig", bemerkte er. Ich grummelte, überholte ihn und fing meinen Freund auf. Selber Schuld, wenn er sich nicht im Sattel hielt!

"Ich sollte mir unbedingt selbst ein Paar Flügel zulegen", überlegte mein Reiter.
"Vergiss es!"
"Reg' dich nicht auf, war doch bloß 'n Witz."
"Lustig..."

Ich kratze die Kurve und steuerte Berk an. Die Wikinger wanken uns zu als sie uns bemerkten. Wir drehten eine Runde um das Dorf, was gar nicht mal so winzig war. Ja, in den letzten Jahren hatte es sich ganz schön verändert. Ebenso wie wir. Mehr Drachen, mehr Häuser und... mehr Drachen. Wir sind gewachsen und eine richtige Gemeinschaft geworden. Und doch war es noch nicht perfekt. Hicks strebte nach wie vor das Ziel an, friedlich - und zwar wirklich friedlich - mit uns Drachen zusammen zu leben. Und Tag für Tag kamen wir diesem Ziel ein kleines Stückchen näher.

Nachdem wir an Rotzbakke, der nun für Grobian in der Waffenkammer assistierte, und an den Zwillingen, die ihr Leben dem Gott der Streiche namens Loki widmeten, vorbei flogen, entdeckten wir Fischbein zusammen mit seinem geliebten Drachen Fleischklops und einigen wissbegierigen Kindern. Der Drachenexperte belehrte die Kids gerade die Geschichte der Großen Halle und schweifte dabei zu den Schnellen Stacheln hinüber.

In dem Moment kreisten wir über ihnen umher, gleich neben unserem Haus. Gleichzeitig stolzierten Haudrauf und Grobian die Steintreppe hinab.
Aufgeregt wechselte Fischbein das Thema und machte die Kinder auf Hicks und mich aufmerksam: "Seht nur Kinder, was für ein Glück! Hier kommen die beiden berühmtesten Helden von Berk."

Ohnezahns LebensgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt