Nervös rieb ich meine Hände aneinander. Ich saß auf der Rückbank vom Auto meines Bruders und schaute erwartungsvoll aus dem Fenster. Ich sah die Autos an mir vorbeifliegen wie freie Vögel im Wind. Bloß war ich hier drinnen nicht frei. Unsicher warf ich einen Blick nach vorne und sah meinen Bruder ruhig auf dem Fahrersitz sitzen. Sein stiller Anblick beruhigte mich irgendwie. Ich steckte mir die Kopfhörer ins Ohr und schaute konzentriert aus dem Fenster. Hoffentlich hatte er meinen kurzen Moment der Schwäche nicht mitbekommen. Ich setzte wieder meine kalte Maske auf und schloss die Augen.
Nach einiger Zeit schreckte ich, geweckt durch Peters Stimme, auf. ,,Manu, ich wollte dir bloß sagen, dass wir bald in Köln sind. Schau, wir fahren schon gar nicht mehr Autobahn"
Ich blickte aus dem Fenster und musste ihm rechtgeben. Draußen war die fröhliche Atmosphäre einer Vorstadt zu spüren. Heges Treiben herschte sowohl auf den Straßen als auch auf den Fußgängerwegen, sodass ich stark von dem Vortrag meines Bruders abgelenkt wurde. ,,Manu, wenn wir bei mir in der Wohnung sind, räumen wir als erstes dein Zimmer ein. Du wirst ihm Gästezimmer schlafen können. Danach schaust du bitte gleich mal nach einem Psychologen. Ich denke, dass hast du bitter nötig", predigte mir Peter leicht genervt, da er dies schon zum zweiten Mal wiederholen musste.
Wenn wir da sind werde ich wiegesagt als allererstes mein Zimmer aufräumen und dann erstmal zu Kaddi gehen. Als ob ich einen Psychologen aufsuchen werde. Pff, als hätte ich soetwas nötig. Ich kann gut genug für mich alleine sorgen. Wahrscheinlich bräuchte ich einen, aber dass einzusehen, dafür war mein Ego zu groß. ,,und wenn wir schon beim Thema sind, such dir bitte schnellstmöglichst einen Job, ich kann dir zwar die Miete und Weiteres vorerst bezahlen, aber lange schaffe ich das sicher nicht."Ich nahm meine Sachen in die Hand und ging die Treppen eines Mehrfamilienhauses hoch. Ohne anzuklopfen stürmte ich einfach durch die offene Wohnungstür und lief sogleich wieder hinaus. Ich hatte um ehrlich zu sein keinen Bock auf Peters ewig langen Vortrag über Pflicht und Anstand und Zimmer einräumen konnte ich später immer noch erledigen. Genervt ging ich an einem verwundertem und verblüfftem Peter vorbei, der mir zu schrie, dass ich, wenn ich jetzt gehe, mein Zimmer alleine einräumen könne. Aber das war mir jetzt egal.
Vor der Wohnungstür angekommen atmete ich erleichtert auf und startete Google Maps. Ich hatte mir zwar zu Hause den Weg zu Kaddi angeschaut, aber merken hab ich ihn mir trotzdem nicht können. Ich rief sie kurz an und sagte, dass ich in 15 Minuten bei ihr sein werde. Entschlossen machte ich mich auf den Weg.
Vorbei an vielen Menschen, die mich komisch anglotzten, bloß weil ich nicht dem Durschnitt entsprach.
Vorbei an Massen, deren Blicke ich wie Messerstiche in meinem Rücken spürte.
Eingeschüchtert zog ich mir meine Kapuze noch etwas tiefer über den Kopf, ging noch etwas gebückter und vermied jeglichen Aufgenkontakt. Wurde von allen Seiten angerempelt und umhergeschubst. Wie sehr ich solche Ansammlungen von Leuten hasste.
Mir wurde schwindlig. Ich hörte die Stimmen der Menschen reden und auf mich einstürzen. Wie Wasserfälle brachen sie über mir zusammen und erdrückten mich.
Ich hatte Angst.
Angst, sie könnten mich zerstören und in einzelne Stücke zerreißen. Schwitzend lief ich immer schneller und stolperte über meine eigenen Füße, fiel hin. Nahm war, wie die Leute über mich lachten. Mich auslachten, mit dem Finger auf mich zeigten. Mir wurde alles zu viel. Ich schrie laut auf und rannte los. Weg von den Menschen, die redeten.
Weg von allen, was mir schaden könnte.
Den Menschen ausweichend lief ich davon. Mir waren ihre komischen Blicke egal. Schwer atmend kam ich unter einer Brücke zu stehen und lehnte mich erschöpft gegen ihre Wand.
Was kannst du eigentlich? Schaffst es nicht mal zu deiner Freundin zu gehen. Lächerlich!
Nein! Nicht die Stimme schon wieder! Ich drückte mir die Hände gegen die Ohren, kniff die Augen zusammen und versuchte diese Stimme auszublenden, doch es klappte nicht.
Kein Wunder, dass dich keiner mag, dich komischer Kauz kann man einfach nicht lieb haben!
Ich brach zusammen. Hielt dem Druck nicht stand. Ja, ich war nicht liebenswert, ich fing an, der Stimme Recht zu geben. Stille Tränen liefen über mein Gesicht, während ich zusammengekrümt am Boden lag. Durch Schluchzern erschüttert wand ich mich auf dem Boden und versuchte die Stimme loszuwerden.
Du kannst mich nicht loswerden! Ich bin DU! Realisiere es! Ich spreche hier nur Klartext, während du nutzloses Wesen die Realität nicht annehmen willst! Keiner braucht dich!
Weinend gab ich der Stimme Recht und sah ein, dass mein Leben durch den Umzug kein Stück besser geworden war. Ich saß mich hin, zog meine Kniehe schützend an und legte den Kopf drauf. Tränen flossen unaufhörlich mein Gesicht hinab. Meine Sicht schwand und ich begann alles um mich herum zu vergessen. Entfloh dieser grausamen Welt in eine höhere und schloss meine Augen. Spürte, wie die Schwärze mich schützend umgab und sich eine friedliche Stille um mich legte.
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Sign of the time // GLPaddl
Fanfiction~Ich begutachtete das Foto. Wie süß ihm doch seine langen blonden Haare standen. Zwei Jahre und sieben Monate ist das nun her. Eigentlich eine lange Zeit, oder? Das war noch alles, bevor mein Leben und alles drumherum auseinanderbrach~ Ein Mann, ein...