Kapitel 20

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Tag 32

Der junge Master befand sich genau in der Mitte einer Brücke, wie er hier her gekommen war wusste er nicht, aber es war ihm auch egal. Die Brücke spannte zwischen zwei Bergen und unter ihr war nur eine tiefe Schlucht zu sehen. Es war eine einfache Hängebrücke aus Holz, die allerdings schon ihre besten Jahre hinter sich hatte und nur Platz für einen bot.
Vor ihm lief eine Person auf ihn zu, es handelte sich um eine junge Frau mit schulterlangen, gelockten, violetten Haaren. Er kannte sie sehr gut, sie hatte ihm mal alles bedeutet. Als sie ihn bemerkte lief sie lachend auf ihn zu und winkte immer wieder, war jedoch noch ziemlich weit von ihm entfernt.
"Was machst du hier...", sagte er mit etwas zweifelnder Stimme, schließlich konnte sie unmöglich hier sein.

"Hey Sting", sprach ihn nun eine ebenfalls vertraute Stimme an, diese kam jedoch von seiner Rückseite. Schnell drehte er sich um und sah in das lächelnde Gesicht von Lucy, die genau vor ihm stand. Dieser Anblick ließ ihn direkt auch leicht schmunzeln, bis er von der anderen Seite einen Schrei hörte. Erschrocken drehte er sich wieder nach vorne und musste zusehen, wie unmittelbar vor ihm, die Frau mit den violetten Haaren, durch die Bretter der Brücke brach. Mit einem angsterfüllt Blick, fiel sie in die dunkele Schlucht und schrie dabei laut seinen Namen.

"Neeeeeeiiiinnnnn....! Ella warum konnte ich dich nicht beschützen?"
Schrie er verzweifelt in den Abgrund. Er saß auf den Knien und hielt sich die Augen zu.

"Weil du zu schwach bist."
Drang die Stimme des alten Masters Jiemma in sein Gedächtnis. Es war nur eine Erinnerung, denn sehen konnte er ihn nicht.
Durch einen weiteren Schrei fuhr er erschrocken hoch und drehte sich wieder zu Lucy um, die ebenfalls dabei war abzustürzen. Schnell sprang er nach vorne zu ihr und erreichte noch ihre Hand. Lucy baumelte schon nach unten und ihr einziger halt war seine Hand.

"Ich werde dich hoch ziehen, versprochen. Ich werde dich nicht auch noch verlieren."
Mittlerweile zog ihr Gewicht, ihn allerdings mit nach unten und sie schaute ihn verzweifelt an.
"Lass los Sting, sonst fällst du auch noch hier runter."

"Nein, ich werde nicht los lassen, ich werde dich retten."
Mit aller Kraft versuchte er sie wieder hochzuziehen, doch irgendetwas arbeitete dagegen und ließ Lucy immer schwerer werden.

Jetzt zwinkerte sie ihm lächelnd zu und löste mit einem Ruck seine Hand von ihrer. Während sie fiel, rief sie ihm noch etwas zu, doch er konnte es durch seinen eigenen Schrei nicht hören.
Ein lachen hallte umher, ein wahnsinniges Lachen und zwei gelbe Augen blickten auf ihn hinab.

Schweißgebadet und mit pochenden Herzen, fuhr er unsanft aus dem Schlaf.
"Es war nur ein Traum", wisperte er. Ein verdammt realer Traum. Warum jetzt, warum musste er ausgerechnet jetzt wieder an sie erinnert werden. Er blickte zu, der immer noch schlummernden Blondine in seinem Arm. Lag es vielleicht an Lucy, dass die Erinnerungen zurückkehrten? Bedeutete sie ihm vielleicht doch mehr als er zugeben wollte. Wenn das wirklich der Fall sein sollte, musste er schleunigst etwas dagegen tun. Er hatte sich nicht ohne Grund für ein Leben, ohne tiefere Gefühle entschieden. Es führte nur zu Schmerz, Verlust und Angst. Er hatte damals damit abgeschlossen und würde damit jetzt auch nicht mehr anfangen. Die Freundschaftlichen Gefühle für Lektor und seine Freunde, war alles was er zulassen wollte. Ein Verlust auf dieser Seite war für ihn schon schmerzvoll genug. Bald würde er wieder nur noch hier in Sabertooth sein und auf die Entfernung könnte er sie unmöglich beschützen.
Er musste definitiv etwas gegen seine stärker werdenden Gefühle Unternehmen. Mit diesen Gedanken rieb er sich durch seine noch sehr müden Augen. Die Nacht war viel zu schnell vorbei gezogen, was vielleicht auch mit daran lag, dass er erst kurz vor Sonnenaufgang, mit Lucy im Arm, Nachhause gekommen war. Wie er es überhaupt geschafft hatte, sie mit seinem Alkohol Pegel auch noch zu tragen, war ihm dennoch ein Rätsel. Ein wenig brummte auch noch sein Schädel, teils wegen zu wenig Schlaf und teils wegen den zu vielen Getränken. Er fühlte sich ziemlich ausgelaugt und dieser Traum ließ ihn einfach nicht los. Entschlossen löste er sich von Lucy, die ein wenig aufseufzte, genau dieses Seufzen, welches er so unglaublich süß fand. Nein er durfte nicht mehr so denken, er musste jetzt wieder klar im Kopf werden.

Master in AusbildungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt