Kapitel 14

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„Severus?", fragte ich, als ich ihn draußen auf einer Plattform fand. Er starrte ins Nichts und man hätte meinen können, er sei eine Statue. Seine Haare wirbelten im Wind und seine schwarze Lehrermontur wölbte sich ab und an, sodass es noch eindrucksvoller aussah.

Ich ging zu ihm und sah in sein Gesicht. Selten hatte ich ihm so viele Emotionen angesehen. So viel Trauer und Enttäuschung.

„Severus?", wiederholte ich vorsichtig, da ich nicht genau einschätzen konnte, wie er als nächstes reagieren würde.

Ohne Vorwarnung zog er mich an sich und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. Stocksteif stand ich dort und ich fühlte mich unwohl dabei. Doch irgendetwas in mir sagte, ich müsse es über mich ergehen lassen, weil Severus mich jetzt brauchte.

„Severus. Nicht alle Slytherins sind... waren Todesser. Und selbst wenn sie es waren, waren sie Voldemort nicht loyal. Siehe Draco, Lucius oder das beste Beispiel, dich selbst. Es war sicherlich nur aus einem Affekt jugendlichen Leichtsinns heraus gesagt. Sie haben es nicht einmal ernst gemeint."

Ich schluckte jegliche Anspannung in mir herunter und lehnte mich an seine Brust.

„So etwas sagt man doch nicht aus reinem jugendlichem Leichtsinn. Das war gezielt darauf ausgerichtet, meine Slytherins zu verletzen." Er umklammerte mich. Wollte mich nicht loslassen. Hatte seine Reaktion mit seiner Vergangenheit zu tun? Erinnerte es ihn an seine eigene Schulzeit?

„Severus. Wir werden uns morgen darum kümmern. Es hat keinen Sinn, jetzt etwas zu unternehmen", sagte ich bestimmt. Ich verstand, dass er das nicht gut aufnahm, aber wir waren nicht in Hogwarts. Morgen wäre es besser, sich die Schüler noch einmal zur Seite zu nehmen und es ihnen zu verdeutlichen, was sie getan hatten.

„Du hast Recht", seufzte er und nahm meine Hände in seine. Leicht zuckte ich zusammen, aber diesmal lag es eher daran, dass seine Finger vom Fahrtwind kalt geworden waren.

„Entschuldige. Ich wollte nicht, dass..." Ich unterbrach ihn schnell.

„Es ist nicht deswegen. Deine Hände sind kalt."

Er lachte leise auf und seine Brust vibrierte dabei. Es war tief und ließ mich erschaudern. Aber es war ein wohliger Schauer, der mich an schöne Zeiten erinnerte.

„Dann lass uns wieder rein gehen. Der heutige Tag gehört uns und nichts wird das ruinieren."

Er löste sich von mir und hielt mir dann die Tür ins Innere auf. Dankend ging ich vor und freute mich, endlich dem Fahrtwind zu entkommen, der auf Dauer doch etwas unangenehm wurde.

Als wir wieder in unserem Abteil waren reichte er mir wortlos eine kleine Tasche.

Ich zog fragend eine Augenbraue nach oben.

„Deine Robe für das Festessen nachher", erwiderte er daraufhin.

Daran hatte ich gar nicht gedacht. Aber woher hätte ich denn auch wissen sollen, dass Severus mich mit zum Hogwartsexpress nehmen würde?

Der Rest der Zugfahrt war sehr entspannend und ich vergaß alles wieder. Nur diese harmonische Zweisamkeit zählte. Ich fühlte, dass ich allmählich wieder heilte. Severus war für mich da. Und genau dies brauchte ich offensichtlich. Ich glaubte nicht, dass es mir geholfen hätte, mit einem Psychologen darüber zu sprechen. Auch wenn es eigenartig war, Severus war derjenige, der mir Heilung versprach und bei dem ich, ich selbst sein konnte, ohne dafür verurteilt zu werden. Er verstand, dass es mir nicht gut ging, und war dennoch da, obwohl ich ihn immer wieder von mir stieß. Ich fragte mich, womit ich so jemanden wie ihn verdient hatte.

Als wir dann aussteigen mussten, war es so, als würde die Realität mich wieder einholen. Ich trauerte der Zeit im Zug nach. Es war schön gewesen, einmal alles zu vergessen.

„Hermine?"

Ich drehte meinen Kopf zu ihm hin und sah ihm ins Gesicht. Er wirkte ein wenig nervös, was mich stutzig machte. Eigentlich war er sonst nicht so.

„Ich weiß nicht, was du von dieser Idee hälst oder ob es dir nicht noch ein wenig zu früh ist, aber ich würde gerne unsere Beziehung öffentlich machen", sagte er vorsichtig.

Damit überrumpelte er mich. Es traf mich vollkommen unvorbereitet.

Ich starrte ihn einige Zeit sprachlos an, ehe ich mich räusperte und zögerlich meinte: „Ich weiß nicht so wirklich, ob es eine gute Idee ist. Denkst du nicht, dass andere darauf schließen könnten, dass wir schon seit meiner Schulzeit zusammen sind, wenn wir es jetzt schon öffentlich machen?"

Sanft lächelte er. „Keine Sorge. Es kann niemand beweisen. Alle, die davon wissen, stehen unter einem Zauber und würden entweder dich oder mich nie verraten. Es wird ein Schock sein für die anderen, aber niemand wird den Verdacht hegen, dass wir schon vor fast einem Jahr geheiratet haben", zerstreute er meine Zweifel und griff nach meinem Arm.

Ich spürte den Sog der Apparation und fand mich im nächsten Moment vor dem Schlossgelände wieder.

Er hatte mich so aus dem Konzept gebracht mit seiner doch recht plötzlichen Apparation, dass mir ein wenig schwindelig war und ich mich an ihm festklammern musste, um nicht zu stolpern.

„Und?", fuhr er fort, so als wären wir gerade nicht appariert.

Ungläubig sah ich ihn an, schüttelte kurz den Kopf, um mich wieder etwas zu sammeln, und sagte dann kurz angebunden: „In Ordnung, Severus."

Ich vertraute darauf, dass er wusste, was richtig war.

Wir gingen zum Lehrertisch und warteten darauf, dass die Erstklässler ihren Häusern zugeteilt wurden, doch war ich zu nervös, als das ich der Einteilung folgen konnte. Schließlich wusste ich nicht, wann Severus die Bombe platzen lassen oder wie er es machen wollte. Ich wusste lediglich, dass es bald alle wüssten.

Erst als Minerva sich erhob, bekam ich alles um mich herum wieder mit.

„Ich bitte noch einmal um ihre Aufmerksamkeit", begann sie und die Schüler wurden ruhig.

„Ich heiße die neuen aber auch die älteren Schüler, sowie das gesamte Kollegium herzlich Willkommen zu einem weiteren Schuljahr in Hogwarts. Es wird eine Veränderung dieses Jahr innerhalb des Kollegiums geben. Viele von euch sollten sie kennen. Sie gehört immerhin dem goldenen Trio an. Professor Granger wird ab sofort unter meiner Leitung in die Ausbildung gehen und ab dem nächsten Jahr meinen Posten als Verwandlungsprofessorin übernehmen."

Alle fingen laut an zu klatschen, was mich unwohl werden ließ. Ich mochte es nicht, im Mittelpunkt zu stehen und seit den Ereignissen erst recht nicht.

„Minerva!", rief Severus laut dazwischen und er erhob sich. Er strahlte eine gewisse Aura aus, sodass es schlagartig ruhig wurde. Ich fragte mich, ob es damals auch so gewesen war, als er Schulleiter hier war.

„Ja?", fragte sie und sah ihn ein wenig missmutig an, da er sie in ihrer Ansprache unterbrochen hatte.

„Ich glaube, dir ist ein Fehler unterlaufen."

Sie runzelte die Stirn und sie war definitiv nicht die Einzige, die sich fragte, auf was Severus hinaus wollte. Sie hatte doch alle Fakten klar dargelegt, also welchen Fehler sollte sie gemacht haben?

A Changing Kiss 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt