Egal, wie sehr er auf Arschloch machte, wenn es um Momoi ging war er zur Stelle. Als Aomine rausfand, dass es seiner Kindheitsfreundin noch immer nicht besser ging, beschloss er kurzer Hand nach ihr zu sehen. Vermutlich hatte sie wirklich eine waschechte Grippe.
Tja, man gönnte sich ja sonst nichts.
Immerhin hatte sie das Glück und hatte Weihnachten und Silvester gesund überstanden, also konnte sie sich nun auch in Ruhe auskurieren.
Als der Power Forward seine Freundin in ihrem Bett liegen sah, machte sich fast so etwas wie Mitgefühl in seiner Brust breit. Sie sah wirklich schlecht aus. Als er auf sie zuging öffnete er seine Jacke, ließ sie aber an, da er nicht allzu lange bleiben wollte.
»Dai-chan, was machst du denn hier?«, fragte sie mit brüchiger Stimme und sah ihn aus geschwollenen, unterlaufenen Augen an.
Da wurde man ja aus Sympathie schon mit krank, wenn man das Elend so sah.
»Ich wollte nur sehen, wie es dir geht.«
»Das ist lieb von dir«, sagte sie und lächelte ihn erschöpft an. »Der Arzt meinte, dass ich auf dem Weg der Besserung bin. Ich darf nachher schon wieder an die frische Luft. Er sagte, das würde mir ganz gut tun.«
»Übertreib nur nicht gleich«, mahnte er ungewohnt führsorglich, was ihr wieder ein Lächeln entlockte.
»Ja, Papa .«
»Machst du dich gerade über mich lustig?«, fragte Aomine eine Braue hebend.
»Nein, das würde ich nie wagen«, sagte sie ironisch und richtete sich etwas auf. »Auf dem Schreibtisch liegt etwas für dich. Das hat mir Suki-chan gegeben. Sie hat auf der Weihnachtsfeier ein paar Fotos gemacht. Ich hab dir ein paar ausgedruckt.«
Genervt stöhnte der Hüne auf und ging auf den Schreibtisch zu, auf dem ein Umschlag lag.
»Wieso müssen es immer Fotos sein? Kann keiner einfach eine Tonbandaufnahme machen und gut ist?«
»Hör auf dich zu beschweren.«
»Außerdem wie hat sie die gemacht? Ich denke Kagami ist die Einzige mit einer Kamera«, fragte er verdutzt und nahm den Umschlag in die Hand.
»Abgesehen von der Fotofunktion an den Handys, meinst du wohl. Suki-chan hat sich ab und an die Kamera geschnappt. Ich glaube nicht mal, dass Ha-chan davon etwas mitbekommen hat. Das wird sie vermutlich erst sehen, wenn sie die SD-Card ausließt«, ein gequältes Husten kam von der Rosahaarigen, als Aomine den Umschlag öffnete und das erste Bild das ihm entgegen blickte, ... er selbst war.
Missmutig knurrend betrachtete er das Foto. Dem Hintergrund nach zu urteilen, war es das Bild, welches Kagami-chan von ihm gemacht hatte, als sie ihn so hinterrücks überfiel.
Miststück! Hatte sie es doch nicht gelöscht, das hätte er sich denken können. Irgendwie würde er ihr das schon wieder heimzahlen, darauf konnte sie sich verlassen.
»Hat sie dich doch erwischt?«, meinte Momoi feixend.
»Ja«, grummelte er und sah sich die anderen Fotos an. Bis er an einem hängen blieb. Seine Miene wurde plötzlich ernster und er sah eine Weile wortlos auf das Bild in seiner Hand.
Diese Gemütsveränderung schien auch Momoi aufzufallen.
»Welches hast du da?«, wollte die Rosahaarige wissen und versuchte sich etwas zu recken, damit sie besser sehen konnte. Doch das war umsonst, es war eher eine Bewegung um darauf aufmerksam zu machen, das sie das Bild sehen wollte.
Mit wenigen Schritten war der Hüne wieder an ihrer Seite und zeigte ihr das Foto.
Sofort legte sich ein sanftes Lächeln auf ihr Gesicht und sie lehnte sich ein wenig zurück.
»Das kannst du gerne haben, wenn du möchtest, Dai-chan. Ich kann es mir jederzeit ausdrucken, ich hab alles auf einem USB-Stick.«
Der Vorschlag kam ihn gerade ziemlich gelegen. Nicht, dass er zuvor ernsthaft in Erwägung gezogen hätte ein paar Fotos mitnehmen zu wollen. Aber ihm kam da eine kleine Idee.
Dadurch, dass weder er noch Kagami-chan wirklich großen Wert auf Weihnachten gelegt hatten und es eher an den beiden vorbeigezogen war, könnte man mit den Fotos allerlei anfangen.
»Wenn das so ist, nehme ich die drei an mich«, sagte Aomine und zeigte Momoi nur kurz um welche Bilder es sich handelte. Mit einem breiten, aber müden Lächeln nickte sie zustimmend und legte sich wieder ganz hin.
»Dann gehören sie dir.«
Die Antwort war nicht mehr als ein Flüstern, was den Power Forward besorgt aufsehen ließ.
Schnell legte er den Umschlag mit den Fotos bei Seite und legte eine Hand auf ihre Stirn.
»Ich geb deiner Mutter Bescheid, dass das Fieber wieder gestiegen ist. Ruh dich noch etwas aus.«
»Ok«, war die kurze Antwort von Momoi ehe Aomine ihr Zimmer verlassen wollte um ihrer Mutter Bescheid zu sagen.
»Dai-chan, die Bilder!«
Erschrocken zuckte er zusammen. Allem Anschein nach war sie nicht krank genug um ihn auf so eine Kleinigkeit hinzuweisen.
Schnellen Schrittes ging er zurück und schnappte sich die drei Bilder.
»Und jetzt schlaf endlich«, knurrte er, woraufhin sie nur selig lächelte.
Mit einem Tee bewaffnet, saß Kagami-chan vor ihrem Laptop und sortierte die Fotos der Weihnachtsfeier. Ein paar der Leute hatten sie gefragt, ob sie ein paar Abzüge haben konnten und der Bitte versuchte sie so rasch wie möglich nachzukommen. Es war nicht leicht ein paar Bilder an so viele Leute zu verschicken. Wieso kam sie nicht viel eher auf die Idee, den Kapitänen oder Managern der Mannschaften die Bilder zu schicken und diese sollten sie einfach verteilen, aber nein ... auf diese glorreiche Idee war sie leider viel zu spät gekommen. Also hieß es nun, für jeden einzelnen die gewünschten Bilder sortieren und abschicken.
Leider machte ihre Erkältung das Ganze zu einer Tagesaufgabe. Sie hatte das schon viel zu lange vor sich hingeschoben und heute wo sie voller Tatendrang war, fühlte sie sich einfach schlicht nicht gut.
Genervt von ihrem Schnupfen erhob sie sich und ging ins Bad.
Langsam wurde es anstrengend, also suchte sie einfach im Spiegelschrank nach etwas, das die Symptome etwas lindern würde. Eine Blitzheilung erwartete sie nicht, aber es wäre nicht schlecht zumindest die Hals- und Kopfschmerzen loszuwerden. Als sie die Tabletten in der Hand hielt, kramte sie zuerst den Beipackzettel aus und las ihn sich durch. Naja, Nebenwirkungen gab es immer, aber diese schienen recht harmlos zu sein. Und bisher hatte sie keine Probleme mit Medikamenten gehabt. So war es entschieden und mit einem Glas Wasser hatte sie die Tablette hinuntergespült.
Schön wäre es, wenn es wirklich etwas helfen würde.
Eigentlich war frische Luft wenn man erkältet war, die reinste Wohltat und wirkte wahre Wunder, also beschloss sie kurzer Hand ein wenig spazieren zu gehen, doch ihr war plötzlich so gar nicht gut. Weiter als bis zum Park um die Ecke kam sie nicht, da machte sich ihr Kreislauf gefährlich bemerkbar, also beschloss sie sich auf eine Bank zu setzten und sich auszuruhen.
Die Jacke bis zum Kinn geschlossen, den Schal eng um ihren Hals gelegt und die Schultern hoch zu den Ohren gezogen, saß sie auf der Bank und versuchte ihren Kreislauf wieder etwas zu stabilisieren, mit bloßer Willenskraft. Aber es funktionierte nicht so wie sie es wollte und so legte sie den Kopf in den Nacken und atmete tief durch. Ihr war schwindlig und so langsam beschlich sie das Gefühl, dass dieser Spaziergang nicht einer ihrer besten Einfälle war. Langsam führte sie ihre Hand an ihre Stirn und schob sich ihre Mütze etwas nach oben. Machte sich etwa wieder das Fieber bemerkbar? Das konnte sie nun gleich gar nicht gebrauchen. Kraftlos ließ sie die Hand wieder sinken und schob ihre kalten Hände tief in ihre Hosentaschen und zog die Schultern wieder hoch.
Was für eine selten dämliche Idee.
Egal wie, sie musste aufstehen und nach Hause gehen, also erhob sie sich vorsichtig und ging langsam weiter, bis es in ihrer Tasche vibrierte.
Genervt seufzte sie auf. Als sie das Handy aus der Tasche zog überkam sie wieder eine Welle, bei der sie Hitze und Kälte zugleich oder im Wechsel heimsuchten und die dunklen Punkte sich wieder in ihr Blickfeld schlichen.
»Ja?«, fragte sie in den Apparat, als sie den Anruf entgegen genommen hatte und quälte sich weiter vorwärts.
»Wieso zum Teufel liegst du nicht im Bett?«, drang mahnend und bedrohlich die tiefe Stimme Aomines in ihr Ohr.
Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Wie hatte er das denn schon wieder rausbekommen? Sie hatte sich doch extra ein paar Tage nicht bei ihm gemeldet, damit er nicht mitbekam, dass sie ihre Bazillen ebenfalls fleißig verteilte.
»Ich lieg doch brav im Bett«, log sie und ihre Stimme begann schon langsam zu brechen, weil ihre Halsschmerzen auch schlimmer wurden.
»Hm ... seltsam«, sagte er gespielt verwirrt, doch sein Ton wurde rauer und verärgerter. »Denn ich war gerade bei dir und selbst deine Tante weiß nicht, wo du dich herumtreibst.«
Erwischt!
Die Schuldgefühle vermischten sich mit dem unangenehmen Kratzen in ihrem Hals, was sie schwer husten ließ. Schnell hielt sie das Handy von sich weg, damit er ihr Bellen nicht hörte. Die Erkältung war wirklich mies, jetzt schmerzte es beim Husten schon in ihren Bronchen und erschwerte ihr das Atmen. Als sie wieder anständig Luft bekam hielt sie sich wieder das Mobiltelefon ans Ohr.
»Du bist unbelehrbar«, knurrte er wütend.
»Es ist nur eine Erkältung«, raunte sie und verlangsamte ihren Schritt noch mehr.
Ihr verdammter Kreislauf meldete sich schon wieder.
»Unterschätz diese Erkältung nicht. Satsuki ist zu Hause zusammen gesackt und ich habe mir sagen lassen, dass es dir auch nicht besser geht. Also mach dich wieder nach Hause und kriech unter die Decke.«
Die Besorgnis, die der Blauhaarige an den Tag legte rührte sie und veranlasste sie leicht zu lächeln.
»Mach ich«, sagte sie beschwichtigend, doch dann wurde es bedrohlich dunkel vor ihr und Kagami-chan war gezwungen sich auf der nächsten Bank erneut nieder zu lassen.
Als sie angestrengt aus- und einatmete, drang wieder die besorgte Stimme aus dem Handy.
»... wo bist du?«
Kraftlos lehnte sie sich gegen die Bank.
»Im Park. Ich bin gleich zu Hause«, krächzte sie angestrengt. »Und dann leg ich mich schlafen und pump mich mit Medikamenten und Tee voll, ... versprochen.«
»Wie du meinst, melde dich, wenn du zu Hause bist.«
»Ja, Papa «, sagte sie spottend, was ihm ein genervtes Murren entlockte ehe sie auflegte.
Er schien sich ja wirklich Sorgen zu machen, das war sie überhaupt nicht gewohnt. Schon gar nicht von ihm. Bei dem Gedanken huschte erneut ein Lächeln über ihr Gesicht und sie steckte das Handy wieder in die Tasche. Sie sollte noch ein paar Minuten ruhen und sich dann endlich nach Hause begeben, ... nur leider war es leichter gesagt als getan, denn irgendwie verweigerten ihr ihre Beine den Dienst und ihr Kopf schien sich auch aufzulösen. Zumindest das, was sich darin befand und mehr als grauer Schleim konnte es nicht mehr sein. Sie hatte das Gefühl sich komplett zu verflüssigen und die ständig wechselnde Temperatur mit der ihr Körper sie strafte, trug auch nicht dazu bei, sich auf die Beine zu quälen. Aber es half alles nichts. Nach einer gefühlten Ewigkeit erhob sie sich, mit zitternden Gliedern und schlurfte weiter.
Der Spaziergang war eine ganz schlechte Idee. Ganz schlecht und total bescheuert.
Das er besorgt war, ließ sich nicht mehr leugnen. Er war nun schon fast eine halbe Stunde zu Hause und sein Handy blieb stumm. Wenn der Rotschopf im Park war, hätte sie schon längst wieder bei ihrer Tante sein müssen. Nervös lief er in seinem Zimmer auf und ab und sah alle paar Minuten auf das Display. Nichts. Hatte sie es vielleicht schlicht vergessen und war wie tot ins Bett gefallen? Oder war sie noch immer unterwegs?
Erneut glitt prüfend sein Blick auf die Uhr. Nein, das war reichlich unwahrscheinlich. So groß war der Park nun auch nicht. Aber wenn sie sich fühlte, wie sie am Telefon klang, dann würde sie vermutlich die doppelte Zeit brauchen und auf allen vieren nach Hause kriechen.
Nachdenklich lief er erneut im Zimmer auf und ab, bis es an seiner Zimmertür klopfte und er überrascht aufsah.
»Daiki? Was läufst du so ruhelos umher?«, wollte seine Mutter wissen und sah ihn besorgt an.
Etwas überrascht blickte er seinen Vormund an, dass er so im Kreis lief hatte er selbst gar nicht mitbekommen. Aber allem Anschein nach hatte seine Mutter es gehört. Die Decken im Haus waren nicht sonderlich Dick und die Wände ohnehin sehr hellhörig, wie er feststellen musste.
»Entschuldige«, brummte er und lief geistesgegenwärtig wieder ein paar Schritte und drehte gedankenversunken das Handy in den Händen. Da legte sich ein skeptischer Ausdruck auf Sonokos Gesicht und sie trat ganz in das Zimmer.
»Wartest du auf irgendetwas?«, fragte sie.
»Nur auf einen Anruf«, gestand er und blieb wieder stehen.
»Also wenn du auf Satsuki-chans Anruf wartest, ... das kann dauern. Ai hat sich gerade wieder gemeldet. Es scheint sie wohl ziemlich erwischt zu haben«, besorgt schüttelte die Schwarzhaarige den Kopf. »Sie dachte wohl nach ihrem Kollaps wäre frische Luft genau das richtige, bis ihr Kreislauf erneut kollabiert ist. Scheint wohl wirklich mehr als nur eine kleine Erkältung zu sein.«
Seine Mutter hatte es kaum ausgesprochen, da entglitten dem Power Forward die Gesichtszüge und er wurde, für seinen Teint, erstaunlich blass.
Hatte seine Mutter gerade gesagt, dass Satsukis Kreislauf schlapp gemacht hatte? Und das während diese draußen im Garten war?
»Daiki? Was ist los?«, fragte sie nun noch besorgter dreinblickend. »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
»Ich muss nochmal weg«, sagte er schließlich kurz angebunden und war schnellen Schrittes an seiner Mutter vorbeigezogen, die ihm irritiert nachsah.
Im Eiltempo zog er sich seine Jacke über und die Schuhe an und vergaß in der Hektik fast seinen Haustürschlüssel. Als er diesen noch schnell eingesteckt hatte, griff er sich erneut sein Handy und versuchte die Fotografin zu erreichen. Doch klingelte es nur ins Leere. Das beruhigte ihn nicht im Geringsten. Im Gegenteil, nun beschleunigte sich sein Schritt, bis Aomine schließlich rannte.
Dass die Rothaarige so leichtsinnig war ärgerte ihn zutiefst. Er würde sogar so weit gehen und behaupten, dass er sauer auf sie war, weil sie zu sorglos mit ihrer Gesundheit umging. Dass sich der Gesundheitszustand der beiden Mädchen von einem Moment zum nächsten so rapide verschlechterte, war mehr als beunruhigend. Wenn er die Rothaarige aufgegabelt hatte, musste er dringend bei Momoi vorbei schauen.
Großer Gott, diese beiden machten ihn noch ganz irre.
... Ok, jetzt vierhielt er sich wirklich wie ein Vater, aber verdammt, wie sollte er denn sonst reagieren? Wenn er sie nicht im Park fand, sondern danach bei ihr klingelte und ihre Tante ihm sagte, dass sie zu Hause war, wäre er auch sauer. So oder so.
Da hielt er kurz inne. Wieso war er nicht gleich auf den Gedanken gekommen? Eilig holte er sein Handy hervor und wählte die Nummer des Haustelefons, von Kagamis Tante. Als nach dem dritten Klingeln Mayu-san abnahm, zögerte er kurz.
»Ist sie in der Zwischenzeit nach Hause gekommen?«, fragte er ohne Umschweife und lauschte angestrengt nach der Antwort.
»Aomine-kun? ... Nein, ist sie nicht. Ich versuch sie auch schon die ganze Zeit zu erreichen, aber sie geht nicht an ihr Handy.«
Ich weiß , durchfuhr es ihn und seine Gedanken überschlugen sich. Langsam steigerte sich seine Besorgnis und setzte sich in seiner Brust fest. Er war es leid sich um sie zu Sorgen, aber er konnte einfach nichts dagegen tun.
War er wirklich so weich geworden?
»Aomine-kun?«, hörte er die besorgte Stimme der Tante.
»Ich war gerade in Gedanken«, gestand er seufzend. »Ich werde es weiter versuchen, vielleicht erreich ich sie ja«, entgegnete er.
»Danke«, sagte sie noch und legte dann auf.
Dieses Weibsbild machte nichts als Ärger. Aber sich darüber aufzuregen brachte auch nichts. Er hatte insgeheim gehofft, dass sie schon wieder zu Hause war und es einfach versäumt hatte ihm eine Nachricht zu schicken. Also setzte er sich wieder in Bewegung und ging weiter Richtung Park.
Als er diesen erreicht hatte, sah er sich um und ließ seinen Blick langsam und aufmerksam durch den Park wandern. Wenn sie hier war, müsste er ihr eigentlich gleich über den Weg laufen. Es gab nur diesen einen Weg und so weitläufig war er nicht. Noch ein paar hundert Meter zurücklegend ging er weiter und wurde immer unruhiger.
So groß war dieser verdammte Park doch gar nicht!
Doch als er schon fast an sich zweifeln wollte, sah er wie ein Kleiderbündel zusammengesackt auf einer Bank saß. Als er die Jacke erkannte, machte sich ein unbeschreibliches, erleichtertes Gefühl in seiner Brust breit und er fühlte sich, als könne er wieder unbeschwerter atmen.
Also mit ihr wurde es wirklich nicht langweilig, ... sie sorgte schon dafür, dass er auf Trab blieb.
Langsam öffnete die rothaarige Fotografin der Tōō-High ihre Augen. Sie fühlte sich wie erschlagen und außerdem fror sie ganz fürchterlich und ihr tat so ziemlich alles weh. Angefangen von ihrem Kopf, über ihren Hals, den Brustkorb und ihre anderen Glieder. Noch nie hatte sie sich so elend gefühlt. Als sie sich über die heiße Stirn wischen wollte, bemerkte sie, dass sie etwas eingeschränkt in ihrer Bewegung war ... und sich fortbewegte, obwohl sie nicht lief.
Überrascht und verwirrt öffnete sie die Augen noch etwas mehr und sah auf einen Hinterkopf, von dem dunkelblaues, kurzes Haar wirr abstand. Erschrocken holte sie Luft und sah sich kurz um. Sie war nicht mehr im Park.
»Wieder wach?«, hörte sie den Power Forward fragen. Er klang wütend.
Jetzt erst merkte sie, dass Aomine sie Huckepack nahm und wohl allem Anschein nach, nach Hause trug.
Augenblicklich machte sich das schlechte Gewissen bemerkbar und hinter ihren Schläfen begann es schmerzhaft zu pochen. Das war die Strafe für ihre Unbesonnenheit.
»Lass mich runter«, bat sie kleinlaut, doch er schien ihre Bitte eiskalt zu ignorieren. »Aomine«, sagte sie mit Nachdruck, doch der Blauhaarige erwiderte ihren Protest mit einem verärgerten Schnauben.
Eine Weile schwiegen beide, bis er das Wort ergriff.
»Hast du eine Ahnung, was alles hätte passieren können?«, fragte er, doch sein Ton wirkte nicht erleichtert oder froh, sein Ton verriet wütende Besorgnis und das versetzte ihr einen verlegenen Stich ins Herz. So mahnend und ernst war er bisher nur in Maßen gewesen und schon gar nicht so offensichtlich.
»Entschuldige«, flüsterte sie reuevoll.
Nach kurzem Schweigen seufzte Aomine und schüttelte leicht den Kopf.
»Ich hab mir Sorgen gemacht«, gestand er ruhig und sie hörte deutlich heraus, dass es der Wahrheit entsprach und das schlechte Gewissen nagte noch brutaler an ihr.
Sie festigte ihren Griff um seine Schultern etwas und legte ihre Stirn auf seine linke Schulter. Wenn es ihr nicht so hundeelend gehen würde, wäre ihr schlechtes Gewissen vermutlich kaum zu ertragen.
Am nächsten Tag beschloss Aomine bei dem Rotschopf vorbei zu schauen um zu sehen, wie es um sie stand. Da Momoi fast Tür an Tür mit ihm wohnte, hatte er zuvor einen kleinen Abstecher zu ihr gemacht und erleichtert festgestellt, dass es mit ihr wieder bergauf ging.
Verdammt, er vierhielt sich wirklich wie eine Glucke. Schaute bei den Weibsbildern vorbei ob jede artig im Bett lag und sich auskurierte. Kopfschüttelnd versuchte er den Gedanken loszuwerden. Wenn es um Momoi ging zeigte er eben ab und an auch andere Seiten. Sie war so etwas wie seine kleine Schwester und auf Geschwister passte man eben auf. Auch wenn sie ihm manchmal einfach nur auf die Nerven ging.
Genervt stöhnte er kurz auf und ging weiter. Mädchen waren aber auch anstrengend, in jedweder Hinsicht. Ob als Schwester, Kindheitsfreundin, Freundin oder gar Mutter und Tante. Es machte keinen Unterschied. Frau blieb Frau.
Langsam schritt er die Straße weiter entlang, bis er an dem Haus von Mayu ankam. Er hatte noch nicht ganz die Klingel betätigt da stand auch schon Mayu selbst in der Tür und sah ihn etwas erschrocken an. Sie trug bereits ihre Schuhe und hielt ihre Jacke in der Hand. Sie schien in Aufbruchsstimmung zu sein.
»Oh, Aomine-kun?«, meinte sie sichtlich angenehm überrascht. »Du willst bestimmt zu Ha-chan.«
»So der Plan«, sagte er nickend und musterte weiter die Frau, die ein wenig gehetzt wirkte und sich schnell ihre Schlüssel schnappte.
»Sie liegt schön brav oben in ihrem Bett. Sie hat vor ein paar Minuten ein paar stärkere Tabletten bekommen, wunder dich nicht, wenn sie etwas ... sagen wir, neben der Spur ist«, sagte sie amüsiert und zog sich ihre Jacke an. Die Schwarzhaarige wollte gerade die Tür hinter Aomine schließen, als sie noch einmal den Kopf durch die Tür steckte. »Tai-kun und Suki-chan sind übrigens auch da, also vertragt euch schön.«
Und schon hatte sich die Tür geschlossen und ein etwas perplexer Aomine stand im Foyer, hin und her gerissen zwischen, Schuhe anlassen und wieder gehen, oder einfach in die Höhle des Löwen zu gehen und sich dem stellen, was oben wartete.
Er entschied sich für Zweitens.
Bevor er jedoch Kagami-chans Zimmer betrat, klopfte er kurz vorher an und trat dann ein.
Sicher war sicher.
Als er das Zimmer betrat wurden ihm ungläubige und etwas verdutzte Blicke entgegen geworfen, was er einfach versuchte zu ignorieren und die Tür wieder hinter sich schloss.
»Aomine-kun?«, kam es überrascht von Kaiou, die sofort Kagami-kun ansah und abwartete was passierte.
»Wollt ihr euch alle gleichzeitig an meinem Leid ergötzen?«, hörte er die raue Stimme der Fotografin, die sich nun leicht aufgesetzt hatte und nach einem Glas Wasser griff, welches auf dem kleinen Beistelltisch stand.
»Tja, wie ich sehe bist du in guten Händen, ...«, sagte der Tōō-Spieler und machte Anstalten wieder gehen zu wollen, doch dann spürte er eine große kräftige Hand auf seiner Schulter.
Missbilligend eine Braue hebend, folgte er der Hand und vor ihm stand der andere Power Forward, der mit einer knappen Kopfbewegung zu seinem Zwilling deutete.
Misstrauisch und auch ein wenig fragend blickte Aomine seinen Rivalen an, doch dieser drehte sich dann zu der Journalistin um und wank sie zu sich.
»Ich denke wir sollten ihr noch einen Tee machen und ihm zur Vorbeugung auch einen bringen.«
Kaiou verstand sofort, was der rothaarige Hüne damit meinte und erhob sich sofort von dem Schreibtischstuhl, auf dem sie gesessen hatte.
Skeptisch blickte Aomine den beiden nach.
Also noch auffälliger ging es wohl wirklich nicht. Aber ihm sollte es recht sein.
Ein heftiges niesen lenkte seine Aufmerksamkeit schließlich wieder zu der Fotografin, die sich die Nase putzte und die einfach nur elend aussah.
»Das kommt davon, wenn man meint unzerstörbar zu sein«, sagte Aomine gehässig und trat an ihr Bett.
»Sprach das Ass der Tōō-High, das meint, dass niemand besser sei als er, der über allem schwebt und ein geradezu verdrehtes Bild seiner selbst hat«, konterte sie schlecht gelaunt und schnappte sich ein neues Taschentuch.
Diese Äußerung nahm er eher belustigt hin.
»Wer kann, der kann.«
»Du solltest nicht hier sein. Du steckst dich nur unnötigerweise an«, sagte sie und wischte sich über die Stirn.
»Es wird sich zeigen, wie anfällig ich bin«, sagte er und entledigte sich seiner Jacke.
»Ich hab dich gewarnt«, entgegnete sie Schulterzuckend.
Plötzlich griff Aomine in seine Jackentasche und holte einen Umschlag hervor, den er kurz hochhielt und dann auf ihrem Schreibtisch ablegte.
»Was ist das?«, wollte sie wissen.
»Ein Liebesbriefchen, von einem deiner unzähligen heimlichen Verehrer.«
»Idiot«, knurrte da die Rothaarige und verkroch sich unter ihrer Decke. »Nicht mal wenn ich krank bin bist du lieb zu mir. Scheusal.«
»Du verlangst mir schon alles an Fürsorge ab. Außerdem ist noch nicht vom Tisch, dass du dich mit der schweren Erkältung im Park verschanzt hast.«
»Das war nicht mit Vorsatz«, verteidigte sie sich. »Mir ging es vorher gut.«
»Ja, ... ganz bestimmt«, entgegnete er wenig überzeugt.
Plötzlich schien ihr Blick irgendwie ins Leere zu gehen und ihre Augen wurden noch eine Spur glasiger.
»Mir ist wirklich nicht gut, du solltest gehen«, raunte sie erschöpft.
»Das ist dir mehr als anzusehen«, pflichtete er ihr bei und sah sich im Zimmer um. Pepito, der Bartagam saß regungslos auf einem der Äste in seinem Gehege und schien sich einen Dreck darum zu scheren, dass sein Besitzer krank im Bett lag. Hauptsache es gab jemanden, der ihn fütterte.
»Hast du deinen neuen Freund schon versorgt?«
»Welchen Freund?«, hörte er sie fragen.
»Deinen Bartagam, welchen Freund sonst?«
Doch plötzlich blieb es eine Weile ruhig. Fragend sah er von dem Reptil zu der Rothaarigen.
»Der Drache, der da in dem Glashaus sitzt? Lass ihn, der spuckt schon den ganzen Tag Feuer und scheint irgendwie schlecht gelaunt zu sein.«
Überrascht schnippten Aomines Brauen in die Höhe. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Was war denn jetzt los?
»Drache?«
»Ja, das riesen Echsenvieh vor dem du stehst. Geh nicht so nah ran, ich glaube mich hat er schon verbrannt. Mir ist so elend warm.«
Fast hätte der Blauhaarige lauthals losgelacht, aber das schien doch etwas arg skurril.
»Kagami, du hast hier keinen Drachen.«
»Ach nein? Jetzt kommst du bestimmt auch damit, dass die Wände nicht rosa sind, oder? Verdammt wer hat die Wände in diesen scheußlichen Ton gestrichen? Da dreht sich einem ja der Magen um«, brummte sie und hielt sich die Augen zu.
Skeptisch blickte er sich um. Ihre Wände waren weiß. ... Ganz normal Raufaser und weiß. Begann sie vielleicht irgendwie zu halluzinieren? War das Fieber so hoch?
Besorgt ging er wieder auf die Fotografin zu und legte ihr eine Hand auf die Stirn.
Sie hatte erhöhte Temperatur, aber nichts Weltbewegendes, also warum in aller Welt erzählte sie von Drachen und rosa Wänden?
Doch plötzlich machte es laut KLICK.
»Du verträgst die Tabletten nicht, oder? Deine Tante hat so etwas angemerkt.«
»Ich bin nicht Drogenabhängig, also komm nicht mal auf die Idee, deinem Vater etwas davon zu sagen.«
»Du tust mir schon fast wieder leid«, brummte Aomine leise und musste sich ein wenig zusammen reißen nicht zu lachen, weil es eigentlich gar nicht so witzig war. Naja, zumindest für sie, er könnte sich eigentlich super darüber amüsieren. Langsam zog er seine Hand wieder zurück, weit kam er jedoch nicht. Denn die Fotografin hatte ihn etwas kraftlos mit ihren Händen daran gehindert und versuchte ihn festzuhalten.
»Geh lieber nicht, bevor die rosa Wände dich verschlingen. Die sehen nicht so aus, als würden die Gefangene machen«, flüsterte sie erschöpft.
Das entlockte ihm dann doch ein etwas sanfteres Lächeln und er ging neben ihrem Bett in die Hocke, ihre Hand nicht loslassend, die ihn so verzweifelt umklammerte.
»Kein Angst, ... ich geh nirgendwo hin.«
![](https://img.wattpad.com/cover/105548435-288-k829717.jpg)
DU LIEST GERADE
Alter Ego
Fanfiction[Fortsetzung zu "Camera Obscura"] Nachdem sich mehr oder weniger der heimtückische "Alltag" bei Aomine und Haruka eingeschlichen hat, kommt es für die beiden sonst so verbal-schlagfertigen Streitsuchtis richtig dicke. Denn ganz unerwartet scheint si...