Schlechtes Timing

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Sie war keine fünf Minuten bei ihm, da wusste er schon, dass irgendetwas nicht stimmte. Es wollte ihm nur auf Teufel komm raus, nicht einfallen was es war.
Sie wirkte irgendwie angespannter und noch ernster als sonst, wenn das denn überhaupt möglich war. Wenn er wüsste, was in den letzten zwei Stunden für ein Dämon über sie gekommen war, hätte es ihn vielleicht noch mehr irritiert.
»Willst du jetzt nur dastehen und mich anstarren, oder hat dein Besuch einen Grund?«, fragte Aomine.
»Brauch ich einen Grund um meinen Fr- ... um dich zu sehen?«, berichtigte sie sich selbst.
Skeptisch blickte er sie an.
Wollte sie gerade „Freund" sagen und traute sich nicht? Sie machte doch nicht ernsthaft wieder einen Schritt zurück, das konnte sie nicht ernst meinen. Nicht nach dem Unfall seines Vaters, wo er fest der Überzeugung war, dass sie die kritische Phase endlich überwunden hatten.
Klar, sie waren beide nicht die Typen, die sich innige Liebesbekundungen zuflüsterten, oder händchenhaltend durch die Schule gingen, aber so viel Mut konnte sie doch wohl besitzen. Er wollte ja nicht von ihr hören, wie sehr sie ihm verfallen war oder liebte, ... wobei, ... das wäre mal eine willkommene Abwechslung.
»Hexe, was soll das?«, die Frage klang mehr als ernst und genauso wie es klang, meinte er es auch.
»Was?«
»Das Ganze. Irgendwas stimmt doch nicht«, verlangte er zu wissen, erhob sich wieder und ging auf sie zu. »Du bist weder der Typ, der mich freiwillig anruft, noch freiwillig hierher kommt. Du verstößt quasi gleich gegen zwei deiner eigenen Regeln.«
Diese Feststellung seinerseits traf voll ins Schwarze. Das hatte sie nicht mit eingerechnet. Sie rief ihn so selten von sich aus an, dass er natürlich skeptisch wurde und außer seiner Mutter im Laden unten zu helfen, vermied sie es auffallend sich im Haus aufzuhalten.
Wie sollte sie sich aus der Situation retten?
HA!!! Geistesblitz!
Noch immer auf eine Antwort wartend blickte er sie ernst an, doch die Antwort blieb aus. Nach einer Weile drehte er ihr wieder den Rücken zu und seufzte genervt. Wenn sie nicht antworten wollte war es ihre Sache.
Stattdessen, griff sie blitzschnell in ihre Tasche, löste die Plastikkappe vom Objektiv und sah durch den Sucher der Kamera.
»Aomine.«
»Was?«, ... er hatte sich kaum umgedreht, da schoss ein grelles Blitzlicht auf ihn zu und ließ ihn für ein paar Sekunden kleine fiese bunte Punkte sehen. Sichtlich erschrocken wich er einen Schritt zurück und knurrte verärgert.
»Was zum Teufel sollte das denn?«, entfuhr es ihm wütend.
»Recherche«, antwortete sie nüchtern und packte schnell die Kamera wieder weg. Sie hatte „Letti" kaum verstaut, da sah sie ihm schon an, wie verärgert und wütend er wirklich war.
»Das war hinterhältig, lösch dieses Bild«, verlangte Aomine.
»Was? Nein, auf keinen Fall«, entgegnete sie entrüstet. »Ich jag dir schon ein halbes Jahr hinterher, dass ...«
Doch er fuhr ihr ins Wort.
»... Ist selbst für dich ein starkes Stück. Deshalb bist du hierher gekommen? Sag mal, bist du gestern im Dunkeln auf den Kopf gefallen?«
Er war mehr als sauer über diese Aktion. Das war dann doch irgendwie anders geplant.
Kagami-chan wusste ja, dass er eine Abneigung gegenüber Fotos hatte, aber so ausgeprägt, das war selbst für sie eine Überraschung. Aber sie würde dieses Bild auf keinen Fall löschen.
»Das war ein ganz großer Minuspunkt, Hexe«, knurrte Aomine und setzte sich an seinen Schreibtisch, in der Zeit legte sie die Tasche ab, in der sich ihre Kamera befand.
Eingeschnappt wandte er ihr den Rücken zu und murmelte etwas vor sich her, während er verärgert in der Zeitschrift blätterte. Damit hatte sie ihn vermutlich mehr getroffen, als sie dachte.
Aber das war die Gelegenheit ihn auf ihre „neue" Art milde zu stimmen, sofern ihr kleines Ich in der dunklen Ecke blieb und sich raushielt.
»Hey, Aomine«, sagte sie vorsichtig, doch er zeigte ihr weiter die kalte Schulter. Bis sie die Arme von hinten um ihn legte und ihre Stirn an seinen Nacken legte. »Hey.«
»Das war reichlich unüberlegt«, raunte er noch immer wütend.
»Es tut mir leid«, säuselte sie leise. »Kann ich das nicht irgendwie wieder gut machen?«
Da hatte die Fotografin natürlich was gesagt, doch er blieb eisern.
»Nein, erstmal nicht. Lass mich in Ruhe«, sagte er ablehnend, doch das war für sie nur umso mehr eine Herausforderung. Sie hatte sich wahrlich viel von ihm abgeschaut und setzte nun seine Waffen gezielt gegen ihn selbst ein. Ihr kleines Ich wagte es nur ganz zaghaft hervor zu linsen, verkroch sich aber beim Anblick der imaginären Kiste schnell wieder.
Plötzlich zog sich eine Gänsehaut über seine Arme, als sie ihm sachte einen Kuss auf den Nacken hauchte und ihre Lippen über seinen Hals in Richtung Ohr wandern ließ, um sachte an diesem zu knabbern. Um ihr nicht sofort auf den Leim zu gehen, drehte er den Kopf zur Seite.
»Lass das, ich bin nicht in Stimmung«, raunte er finster, doch sie wusste, dass er den Kühlen mimte um sie zu strafen.
Und er wusste, dass es eine verdammte Lüge war.
Jedoch ließ sich der Rotschopf nicht davon abhalten und ließ die eine Hand, die sie ihm locker über die Schulter gelegt hatte unter sein T-Shirt gleiten und kratzte ihm sachte über die Bauchmuskeln, hinauf zu seiner Brust.
Verdammt, wieso war sie plötzlich so angriffslustig? Krampfhaft versuchte der Blauhaarige ihren Versuchungen zu wiederstehen und wandte sich so gut es ging von ihr ab, aber da er auf den Stuhl saß und sie hinter ihm stand, war es eine ziemlich ausweglose Situation, aus der er nur heraus kam, wenn er aufstand, also tat er dies auch. Fast als wäre er auf der Flucht, sprang er auf und Kagami-chan wich erschrocken zurück.
»Nein, vergiss es«, raunte er dunkel und bedrohlich und ging auf die Couch zu, die in seinem Zimmer stand. »Du hast verspielt.«
Als er saß und sie wieder mit Ignoranz strafte stellte sie sich genau vor ihn.
»Das kauf ich dir nicht ab«, sagte sie ernst.
»Geh einfach, ok?«
Doch sie dachte nicht daran, einfach zu verschwinden. Im Gegenteil, provokativ setzte sie sich auf seinen Schoß und funkelte ihn finster aus ihren dunkelroten Augen an, während sie ihre Arme um seinen Nacken schloss.
»Wie lange willst du noch sauer auf mich sein? Ich sagte doch es tut mir leid.«
»Und ich sagte, dass es dieses Mal nicht mit einem „tut mir leid" getan ist, lösch das Bild oder verschwinde«, sagte er mit Nachdruck und sah sie finster an.
Doch sie dachte nicht im Traum daran. Langsam begann sie mit ihren Fingernägeln über seinen Nacken zu kraulen und hauchte ihm ein paar Küsse auf die Halsbeuge. Er verfluchte sich dafür, so eine derartige Bestie in ihr geweckt zu haben, die es ihm erschwerte sein Pokerface zu wahren.
»Kagami, lass das«, knurrte er und unterdrückte die Versuchung ihr einfach nachzugeben. Versuchte sie von sich zu schieben, was er nur halbherzig tat.
Verdammt, was war nur in sie gefahren?
»Was denn?«, fragte sie scheinheilig und knabberte weiter an seinem Hals. Das machte ihn fast rasend, mit was für einer Leichtigkeit sie ihn um den Finger wickeln konnte. Als eine ihrer Hände sich schließlich unter sein T-Shirt schob und sie mit ihren Fingernägeln erneut über seine gebräunte Haut kratzte, regte sich etwas bedrohlich in seiner Hose.
Verdammt, wieso war sie nur plötzlich so geschickt? Und warum spielte sie diese Karte ausgerechnet jetzt aus? Wo er doch sauer auf sie sein wollte, wo sie einfach verschwinden sollte?!
So leicht nicht, so verflucht leicht wollte er es ihr nicht machen. Mit einem bestimmenden Ruck hatte er die Fotografin an den Oberarmen gepackt und sie leicht von sich gedrückt, doch sie sah nicht im Geringsten überrascht aus. Im Gegenteil, sie wirkte geradezu bedrohlich und gereizt.
»Was zum Teufel, war heut Morgen in deinem Tee?«, fragte der Power Forward ernst.
»Zuneigung. Und jetzt hör auf so blöd zu fragen.«
»Gemischt mit dem Drang mich zur Weißglut zu treiben, oder wie?«
»Was denn? Anders bekomm ich dich nicht mehr provoziert und das Foto bist du mir so oder so schuldig.«
»Das Foto mal bei Seite lassend, was soll das? Hast du mit irgendwem eine Wette laufen und ich weiß von nichts?«
»Das wäre eine Grundvoraussetzung bei einer Wette, aber um auf deine Frage zu antworten: Nein, hab ich nicht.«
»Was ist dann los? Ich meine, es ist nicht so, dass ich mich unter anderen Umständen nicht dafür begeistern könnte, dass du so ... euphorisch und enthusiastisch bist, ... aber der Zusammenhang erschließt sich mir nicht ganz.«
»Ach, und du meinst der gestrige Zusammenhang hätte sich mir offenbart, oder was?«
Noch immer blickte er sie misstrauisch an und schüttelte langsam den Kopf.
»Wer zu Teufel bist du?«
Doch statt ihm eine Antwort darauf zu geben, packte sie ihn grob an seinem T-Shirtkragen und verschloss seine Lippen, mit den ihren.
Ihr Puls schoss schon wieder gefährlich in die Höhe und ihre Miniausgabe von sich selbst, schaute schon wieder mahnend um die Ecke, aber das war ihr ziemlich egal. Etwas das tiefer verankert war, schob das Quengeln und Jammern ihres kleinen Ichs einfach zu Seite und drohte erneut mit der Holzkiste.
Etwas überrumpelt von ihrer Handlung, löste er ihre Hände von seinem Kragen und löste sich auch von ihr, was ihr sichtlich missfiel, doch sie überbrückte den Abstand wieder, immerhin befand sie sich noch immer in der besseren Position und das bekam zur Abwechslung mal er zu spüren.
Sie schien es wirklich wissen zu wollen und er war auch nicht mehr länger in der Lage ihr lange standzuhalten. Dass sie sich so offensiv verhielt, war auf jeden Fall mal eine willkommene Abwechslung, aber es war einfach viel zu untypisch für sie, zumal es allem wiedersprach, was sie bisher gesagt, getan, gezeigt und zugelassen hatte.
Es war alles andere als richtig und ausgerechnet jetzt meldete sich seine vernünftigere, bessere Hälfte lautstark zu Wort.
Mit wesentlich mehr Bestimmtheit riss er sich von ihr los, was der Rothaarigen ein genervtes Stöhnen entlockte. Das war doch unmöglich die Kagami Haruka die er kennen gelernt hatte, oder? Das war ganz bestimmt ein weiterer Zwilling, der sich einen Heidenspaß daraus machte ihn derart aus der Fassung zu bringen und zweifeln ließ. Anders konnte er sich das nicht erklären. Denn eine plausible Erklärung konnte es hierfür nicht geben, außer Schizophrenie.
Beschweren wollte er sich eigentlich auch nicht, ihm lag nichts ferner, aber irgendetwas in seinem Hinterkopf vertrug sich ganz und gar nicht mit dem, was gerade passierte.
»Was ist denn los?«, fragte sie nun ein wenig genervt, weil er auffallend abweisend war.
»Das sollte ich dich fragen«, entgegnete er, doch da überrumpelte sie ihn wieder. Der Überraschungsmoment war nun ganz auf ihrer Seite und sie hatte ihn mit ungeahnter Leichtigkeit flach auf das kleine Sofa gedrückt. Etwas perplex sah er sie an, weil sie sich nun auf seinen Unterleib gesetzt hatte und nicht vorhatte sich so schnell wieder die Oberhand nehmen zu lassen.
»Hör ich da etwa Beschwerden raus?«, fragte sie ernst dreinblickend und zog sich in einer fließenden Bewegung den Pullover über den Kopf und warf das überflüssige Kleidungsstück achtlos auf den Boden.
Er hatte schon fast vergessen, was für ein ungewohnt erfrischendes und durchaus ansehnliches und attraktives Bild sie in BH darbot, sie war zwar keine Mai-chan, aber Schönheit lag ja im Auge des Betrachters.
Nun war es bei ihm ganz vorbei und er konnte seine Überraschung kaum noch verbergen. Mit der Aktion hatte sie ihn nun vollends entwaffnet.
Und augenblicklich wurde es in seiner Hose unangenehm eng.
Wäre die Situation nicht so grotesk und fremdartig würde er sich nicht weiter mit solch störenden Gedanken aufhalten. Aber es hatte durchaus etwas aufregendes, dass sie so die Führung für sich beanspruchte. Auch wenn er nicht gewillt war, ihr diesen Gefallen zu tun.
Denn Strafe musste sein, so ungeschoren würde der Rotschopf ihm nicht davonkommen.
Doch ehe er sich versah, hatte sie sich zu ihm herabgebeugt und ihn wieder in einen von Leidenschaft und Erregung angeheizten Kuss verwickelt.
Verdammt, sie entwaffnete ihn nicht nur, denn das wäre zu einfach, nein, sie nahm ihm fast komplett den Willen.
Ganz den passiven Part wollte er dann doch nicht übernehmen und machte sich daran den Knopf und den Reißverschluss ihrer Jeans zu öffnen.
Dem Lächeln, welches er auf seinen Lippen spürte, konnte er nur entnehmen, dass es ihr ganz recht zu sein schien.
Leider war es mit seiner Geduld nicht mehr allzu weit her und er drückte sich und sie wieder hoch in eine relativ aufrechte Position, was sie leicht erschrocken aufkeuchen ließ. Sofort machte sie sich daran und befreite nun auch ihn von dem störenden Oberteil und warf es zu dem schon lieblos entledigten Pullover.
Unliebsam packte er die Rothaarige nun am Hinterkopf und verwickelte sie wieder in den fordernden Kuss, den sie begonnen hatte.
Bis plötzlich ein lautes Rumsen und Poltern ertönte, bei welchem beide erschrocken hochschreckten und sich panisch nach der Ursache umsahen, bis ihr Blick die Tür streifte und sie dort eine total perplexe und sichtlich mit der Situation überforderte Sonoko stehen sahen.
Als hätte man sie geohrfeigt war Kagami-chan auf der Stelle wieder bei absolut klarem Verstand und krabbelte unbeholfen von Aomine runter, während sie gleichzeitig versuchte sich ihren Pullover wieder anzuziehen.
Das Bild, dass die Fotografin dabei bot, entlockte der Schwarzhaarigen ein verhaltenes Kichern und sie schloss hämisch und wissend grinsend die Tür, ... von außen ...
»Das war ja wohl eine Bilderbuchpeinlichkeit, die nicht mehr zu toppen ist«, entfuhr es ihr aufgeregt und sie schloss mit zittrigen Fingern ihre Jeans.
Aomine selbst war ebenso fassungslos und auch leicht entsetzt darüber, dass seine Mutter auch total anstandslos in sein Zimmer kam.
Was war in letzter Zeit nur los mit den Erwachsenen? Hatten die einen verdammten Radar, auf dem es immer rot aufleuchtete, wenn die beiden sich bis auf zwanzig Zentimeter näherten?!
Ebenso gefrustet wie der Rotschopf, erhob sich auch der Hüne und zog sich wieder das T-Shirt über.
Der Schreck war effektiver als jede kalte Dusche es je sein könnte. So schnell von 100 auf Null, ... das war schon rekordverdächtig, ohne Zweifel.
»Mist, wie soll ich denn jetzt deiner Mutter begegnen?«, fragte Kagami-chan sich nervös und fuhr sich durch die ungeordneten roten Haare.
»Mit Verdrängung«, sagte er und versuchte seine gelassene Fassade nicht zu verlieren. Es reichte vollkommen aus, dass einer von ihnen das verschreckte Reh raushängen ließ. Dass es ihm ebenso peinlich war, versuchte er einfach zu verstecken und so gut es ging zu ignorieren, auch wenn es dieses Mal einfacher gesagt war, als getan.
Das kratzte dann doch auch gefährlich an seiner Scharmgrenze. Es gab für alles Grenzen und die wurden in letzter Zeit viel zu oft und viel zu brutal übertreten.
»Ich sollte jetzt gehen, ... ja, ... das klingt nach einer guten Idee«, stammelte sie und nahm gehetzt ihre Tasche.
»Kagami, warte mal. Ganz ruhig«, beschwor er die Rothaarige. »So überstürzt die Flucht zu ergreifen wird wohl nicht viel bringen.«
»Wieso?«
»Deine Tante hat mir im Supermarkt aufgelauert, was denkst du, was meine Mutter tun wird?«
»Ich hoffe nicht, dass sie hinter dem Blumenkohl auf mich wartet«, hauchte sie entsetzt.
»Nein, ... das denk ich auch nicht. Es wird eher ...«, doch ehe Aomine seinen Satz beenden konnte, klopfte es unnötigerweise an der Tür.
Genervt und auch sichtlich wütend rollte er mit den Augen und brummte ein liebloses: »Ja.«
Da steckte die Ältere den Kopf durch die Tür und trat ein.
»Daiki, es gibt gleich Essen«, gab sie bekannt, ohne auch nur die kleinste Spur von Reue zu zeigen, oder etwas, das nur ansatzweise auf die Situation hindeutete.
»Mir ist gerade der Appetit vergangen«, knurrte er, was seine Mutter mit einem Schmunzeln abtat und sich nun der Fotografin zuwandte.
»Bleib du doch zum Essen, Ha-chan«, schlug Sonoko vor.
»Danke, aber ich sollte wirklich gehen«, sagte die Fotografin und versuchte der Situation irgendwie zu entkommen. Ihr war noch nie etwas so unsäglich Peinliches passiert, wie das vor wenigen Minuten.
Scheiß innere Stimme! Scheiß imaginäre Holzkiste! Scheiß Triebe! Scheiß Tagtraum!
SCHEIß HORMONE!

Leider blieb ihr nichts anderes übrig, außer mit ihm und seinen Eltern zu essen, weil Sonoko vehement darauf bestand.
An Kagami-chans innerem Auge lief ihr ganzes bisheriges Leben vorbei und ihr kleines Ich stand aufrecht und mahnend da, mit dem Typischen „Ich hab es dir ja gesagt"- Blick und schüttelte enttäuscht den Kopf.
Wieso bereitete einen niemand auf solche Situationen vor? Sexualkunde war doch in der Hinsicht total unbrauchbar. Sie sollten lehren, wie man im Eifer des Gefechtes erwischt wird und sich dementsprechend verhält, aber nein, da hörte auch die Kompetenz der Lehrer auf.
Den Rest konnten die sich wirklich sparen, das sah man heutzutage in jeder Werbung, am hellerlichten Tage.
Noch immer verlegen, hielt auch Kagami-chans Appetit sich in Grenzen und sie griff nur nach dem Glas Wasser, welches vor ihr stand.
»Sag mal Kagami-chan, nimmst du eigentlich die Pille?«
Völlig ungeniert und mit der brutalen, kühlen Sachlichkeit, wie sie nur ein Polizeibeamter haben konnte, stellte Chiaki ihr diese Frage, die ihren Kopf fast zum Explodieren brachte, so schnell schoss ihr das Blut in diesen.
Aomine selbst hatte sich nach dieser Frage verschluckt und versuchte krampfhaft nach Luft zu ringen, was ihm schließlich wieder gelang und er sich auf die schmerzende Brust klopfte. Nachdem er wieder einen tiefen Atemzug genommen hatte sah er seinen Vater fassungslos an. Doch dieser wirkte geradezu gleichgültig, als wäre es das normalste der Welt, dass er diese Frage stellte. Einfach so, aus heiterem Himmel, weil er es eben konnte.
Die Rothaarige selbst war in ihrer Handlung erstarrt, das Glas auf halber Höhe immer noch haltend stierte sie Aomines Vater an, nicht fähig auch nur eine Regung, oder einen Mucks zu machen. Sie blinzelte nicht einmal.
»Das war eine ganz normale und einfache Frage«, ergänzte Chiaki nüchtern und sah die Fotografin eindringlich an.
Der Power Forward saß nur stumm neben Kagami-chan und wusste selbst nicht, wie er reagieren sollte. Er fühlte sich ebenso vor den Kopf gestoßen wie die Rothaarige.
Nun setzte ihr Hirn völlig aus, was sollte sie nur antworten?
Sollte sie ihm die Wahrheit sagen, oder einfach lügen? Und außerdem, was ging ihn das überhaupt an?
Trocken schluckte sie schwer und wechselte einen hilfesuchenden Blick mit Aomine, der allerdings genauso ratlos und überfahren aussah, wie sie sich fühlte.
»Wenn du ihn um Rat suchend ansiehst, ist das kein gutes Zeichen«, bemerkte der Beamte trocken, doch als sie dann auch Sonoko hilfesuchend und mit hochroten Kopf anblickte, entlockte es ihm doch ein etwas auflockerndes Lächeln.
»Ich entnehme deinem Schweigen, das die Antwort „nein" ist, oder?«, sagte er schließlich schlussfolgernd und musste über das puterrote Gesicht der Fotografin sogar leicht lachen.
Das fand die Schülerin leider alles andere als lustig und hätte sich am liebsten in irgendeinem Mauseloch verkrochen, oder unter einem Stein, ... einem großen, glatten Marmorstein.
Das Einzige, was sie etwas beruhigte, oder sollte es sie beunruhigen, war die Tatsache, dass es den Power Forward wohl genauso unangenehm war und das sah man ihm mehr als deutlich an. Vermutlich war nach dem Abendessen ein sehr ausführliches Gespräch von Nöten.
»Ich denke den Vortrag über Verhütung kann ich euch ersparen, oder?«, fuhr Chiaki unbeirrt fort und warf beiden nun einen eher belustigten Blick zu, bei dem beide Jugendliche auf der Stelle immer kleiner auf ihren Stühlen wurden.
Hach ja, ... Eltern waren schon klasse ... und so schön brutal ehrlich und überhaupt nicht aufdringlich.

Nach dem Essen halfen die beiden Jugendlichen, ziemlich in sich gekehrt, beim Abdecken des Tisches.
Das war mehr als unangenehm und das mussten beide erstmal verarbeiten, selbst das sonst so von sich selbst eingenommene Ass.
Wenige Momente später trat Chiaki neben den Power Forward und senkte die Stimme, sodass weder seine Frau noch Kagami-chan etwas hörten.
»Ich nehme mal an, die hast du schon gesucht«, flüsterte er seinen Spross zu und drückte ihm unauffällig etwas in die Hand. Als Aomine bewusst wurde, was sein Vater ihm soeben zugesteckt hatte, färbten auch seine Ohren sich leicht rot.
Das durfte doch alles nicht wahr sein!
Kumpelhaft tätschelte der Beamte seinem Sohn den Kopf und zerzauste ihm die ohnehin ungeordneten kurzen, blauen Haare.
»Tu dir und ihr in Zukunft einen Gefallen und schließ einfach ab.«

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