Noch während Kagami-chan verzweifelt in ihrer Tasche nach dem kleinen Clubraum-Schlüssel suchte, spürte sie wie ihr jemand sachte auf die Schulter tippte. Noch immer wild alles durchwühlend, hob sie leicht den Kopf um zu sehen wer sich so plötzlich neben sie gestellt hatte, während in ihr langsam die Panik keimte.
»Du glaubst mir entkommen zu können?«, hörte sie Kaiou bedrohlich sagen und sah das sich auf dem Gesicht der Journalistin ein unheilvolles Lächeln gebildet hatte.
Wie schockgefroren hielt die Rothaarige inne und stierte ihre Freundin ungläubig an.
»Wie in drei Teufels Namen, hast du mich so schnell gefunden?«
»Ich habe einen weiteren praktischen Sinn, um meine Pappenheimer aufzuspüren«, erklärte sie schiefgrinsend und sah ihre Freundin eindringlich an.
Ein unangebrachtes und unbegründetes schlechtes Gewissen begann sich in Kagami-chan auszubreiten und nach einigen Momenten des Schweigens ergriff der Rotschopf das Wort.
»Warum genau suchst du mich, Suki?«
»Meine liebe, unwissende und etwas naive Ha-chan«, begann die Blauhaarige zu säuseln und legte ihrer Freundin verschwörerisch einen Arm um die Schultern, was bei ihrem Größenunterschied nicht ganz leicht war und sich Kaiou fast gänzlich auf die Zehenspitzen stellen musste, für diese Geste.
»Unser Telefonat wurde jeh unterbrochen, von einem Kommentar deinerseits der mein Interesse geweckt hat.«
»Du bist einfach nur neugierig«, entfuhr es der Größeren leicht genervt.
»Ja, zugegeben, dass auch«, gestand Kaiou nüchtern und ließ wieder von Kagami-chan ab. »Aber mal im Ernst. Wie hast du das gerade eben gemeint?«
»Was genau?«, fragte die Fotografin und wühlte weiter in ihrer Tasche.
»Als ich auf Miura-kun ansprach, hast du gesagt "schon geschehen". Was genau meintest du damit? Du verheimlichst mir doch nicht irgendetwas?«, wollte Kaiou wissen und kniff ihre Augen zu gefährlichen Schlitzen zusammen um den Rotschopf besser fixieren zu können. Diese hielt daraufhin wirklich in ihrer Suche inne und sah Kaiou verwirrt an.
»Du weist das ich von Informationen lebe.«
Genervt stöhnte Kagami-chan auf und nickte kurz.
»Ich bin ihm vorhin begegnet. Flüchtig.« Buchstäblich, dachte ihr kleines Ich und war noch immer eingeschnappt, weil ihr reales Ebenbild die Flucht ergriffen hatte.
Kaious Augen verwandelten sich förmlich von den Todesschlitzen, zu Tellerrunden Glubschaugen.
»Du veräppelst mich.«
»Was hätte ich davon?«
»Die anderen stehen sich die Beine in den Bauch und riskieren Prellungen bei dem Tumult um ihn zu begegnen und du sagst du bist ihm einfach so über den Weg gelaufen?«
»Naja, so ähnlich. Er hat sich mehr oder minder in den besagten Weg gehockt.«
»Haruka?!«, entfuhr es Kaiou ungehalten. »Ich will alle Einzelheiten. Wie war er? Was hat er für einen Eindruck auf dich gemacht? Wie und wo seid ihr euch begegnet? Über was habt ihr gesprochen? Habt ihr überhaupt miteinander gesprochen?«
Etwas überfordert mit der Fragerei ihrer Freundin antwortete Kagami-chan eher vorsichtig mit einem zögerlichen: »Nett.«
»Nett?«, wiederholte Kaiou tonlos und misstrauisch.
Da zuckte die Rothaarige die Schultern und setzte sich in Bewegung.
»So kommst du mir nicht davon, werte Freundin!«, rief Kaiou der Fotografin nach.
»Ich weiß.«
»Übrigens habe ich den Schlüssel!«
In ihrer Bewegung sofort innehaltend, drehte Kagami-chan sich der Azurblauhaarigen wieder entgegen, doch die hatte hopsend und mit einem breiten Grinsen im Gesicht, in die entgegengesetzte Richtung kehrt gemacht und hielt fast triumphierend den kleinen Schlüssel in die Höhe.
Ein leises genervtes Knurren entfuhr Kagami-chan noch, ehe sie beschloss es dann einfach dabei zu belassen und sich lieber im Laden sehen zu lassen. So war sie zumindest eine Sorge los.
»Ich hoffe dieser Trubel ist nicht ansteckend. Das ist echt lästig«, murrte Wakamatsu und schimpfte und brummte weiter vor sich hin, während die anderen der Spieler sich aufwärmten.
»Was meinst du, Wakamatsu-san?«, fragte Sakurai vorsichtig.
»Die anderen Clubs sind so aufgescheucht. Generell sind alle so ...«, grübelnd suchte Wakamatsu nach den richtigen Worten, doch jemand anderes kam ihm zuvor.
»Nervig?«, fragte ein anderer ebenso genervt wie Wakamatsu es war.
»Ja.«
»Seid lieber froh das euch dieser Umbruch nicht betrifft und konzentriert euch auf das Training«, mahnte Momoi und seufze genervt, während sie ein paar Dinge eilig auf ihrem Klemmbrett vermerkte. »Harasawa-sensei wird eure Nachlässigkeit auf Dauer nicht dulden. Und du als neuer Kapitän solltest dich nicht so leicht ablenken lassen.«
»Hört, hört. Welch strenge Worte«, erklang da auch schon die Stimme des Lehrers, ehe er beherzt in die Hände klatschte. »Momoi-san hat recht. Ablenkung ist das Letzte was ihr nun gebrauchen könnt. Seid fokussiert und hört mir gut zu. Ich habe ein paar kleine Änderungen in der Aufstellung und Taktik geplant.«
Grimmig sah Wakamatsu sich um und begann schon wieder mit schimpfen.
»Wo ist dieser Bastard Aomine schon wieder hin?«
Noch während sich der Center suchend umsah, traf ihn unvorbereitet ein Ball im Rücken und er schnellte zu dem Werfer herum, der sich als Aomine herausstellte.
»So leicht bin ich nun auch nicht zu übersehen«, knurrte der Blauhaarige etwas verärgert.
Der gefährlich böse Blick von Wakamatsu verwandelte sich zunehmend in einen überraschten und verwunderten.
»Du kommst ja wirklich relativ regelmäßig zum Training. Ich dachte die letzten Male waren ein Ausnahmezustand«, äußerte der Center eine Braue hebend.
»Ich kann auch wieder gehen.«
»Da ihr offensichtlich schon aufgeheizt seid, teilt euch in zwei Mannschaften, ich erläutere euch direkt im Anschluss die neue Strategie«, ergriff nun Harasawa das Wort, ehe die beiden Streithähne es wieder zu bunt trieben. Dabei zeigte er mit einer Hand zu seiner rechten und einmal zu seiner linken. Als die Spieler sich selbstständig aufteilten, sah Momoi etwas beunruhigt zu den Jungs hinüber.
Ob ihr Club nun betroffen war oder nicht von dem Sportler-Austausch. Konkurrenz war nun einmal Konkurrenz und dieses Konkurrenzdenken war in jederlei Hinsicht voll ausgeprägt.
Bei jeden von ihnen.
Angestrengt streckte sie sich und musste sich sogar auf die Zehenspitzen stellen. Die Kiste war schwerer als sie gedacht hatte. Aber nur wenige Zentimeter noch und sie wäre endlich verstaut. Noch ein letztes Mal nahm sie all ihre Kräfte zusammen und stemmte sich von unten gegen die Kiste und schob sie mit ihren Fingerspitzen weiter, kämpfte um jeden Millimeter die sie im Regal verschwand.
Plötzlich war der Widerstand der vollen Kiste verschwunden und sie wäre fast ausgestreckt im Regal gelandet. Im Augenwinkel noch hatte sie die große Statur wahrgenommen, die neben ihr mit Leichtigkeit einen Arm ausgestreckt hatte und die Kiste in das vorgesehene Fach schob und mit den anderen Arm ihre Hüfte umgriff, damit sie nicht selbst im Regal ein Fach bezog, weil sie durch den schwindenden Widerstand das Gleichgewicht verloren hatte.
Erleichtert atmete sie kurz aus, als sie sich umdrehen wollte, wurde sie schon von zwei starken Händen herumgewirbelt. Erschrocken hielt sie die Luft kurz an und sah in ein ihr bekanntes Gesicht.
»Du darfst mir später danken«, feixte der Power Forward dreist und näherte sich ihr ein wenig mehr als notwendig gewesen wäre.
»Das hätte ich auch allein geschafft«, gab Kagami-chan gespielt beleidigt von sich.
»Das habe ich gesehen. Das du dir dabei noch nichts getan hast, ist vermutlich mehr Glück als Verstand.«
»Es hat doch funktioniert«, verteidigte sie sich.
»Versuch es doch bitte das nächste Mal mit einer Leiter, wenn du merkst das die Beinchen zu kurz sind.«
»Hast du gerade gesagt, ich wäre klein?«, fragte sie schief grinsen.
»Im Bett sind alle gleichgroß, Hexe.«
»Gut zu wissen, Daiki«, erklang nun belustigt die Stimme seiner Mutter, die mit einer weiteren Kiste das Lager betrat und die beiden Jugendlichen schelmisch wissend angrinste.
»Wie machst du das immer?«, fragte Aomine leicht fassungslos, entfernte sich von dem Rotschopf und nahm seiner Mutter Kopfschüttelnd und unaufgefordert die Kiste ab.
»Aus Erfahrung weiß ich das ein Lager sich hervorragend eignet um ...«
»Wow, Oka-san. Nein«, warnte der Power Forward und schüttelte den Kopf, während er die Kiste verstaute. Das entlockte Sonoko ein sachtes Lachen.
Kagami-chan musste sich selbst ein unangebrachtes dämliches Lächeln verkneifen, da sie wusste das Aomine da durchaus empfindlich reagierte. Der Blauhaarige hatte nicht viele Schwächen, aber seine Eltern waren definitiv seine Größte. Und da sie wirklich ein Talent hatten in den unpassendsten Momenten aufzutauchen, war es der Fotografin auch keine Überraschung das der sonst so knall harte und coole Aomine Daiki plötzlich ganz kleinlaut wurde.
Aber Mitleid hatte sie deshalb nicht mit ihm. Er provozierte ja auch immer in den unmöglichsten Momenten. Timing war auch nicht unbedingt seine Stärke.
»Ich habe nur die Bitte, es euch nicht unbedingt in meinem Lager bequem zu machen«, sagte Sonoko und grinste verschwörerisch.
»Was?«, entfuhr es den beiden Schülern unisono und etwas baff darüber, dass sie so etwas auch nur in Erwägung zog.
»Sie meint damit, dass es seit Jahren reserviert ist«, erklang da plötzlich die raue Stimme seines Vaters, der sich wohl versucht hatte heran zu schleichen, aber dann doch aus der Deckung des Türrahmens hervor lugte und somit nur halb in der Tür zu sehen war.
Für diese Bilderbuch-Peinlichkeit vergab Aomine einen Facepalm wie er im Buche stand.
Manchmal fragte er sich, weshalb er diese Eltern verdient hatte.
Sonoko drehte sich zu ihrem Mann herum und schenkte ihn ein einnehmendes Lächeln.
»Oh, das Lager. Ja, da werden Erinnerungen an durchaus lebhafte, intensive, berauschende Abende und Nächte wach«, erinnerte sich sein Vater wehmütig und nickte verträumt vor sich hin.
»Zu viele Informationen!«, entfuhr es Aomine und er griff sich die Hand der Fotografin um sie aus dem Lager zu ziehen.
»Die Verkaufsräume sind nicht anonym genug, such dir was anderes«, rief Chiaki seinem Spross hinterher.
»Danke für den Tipp«, knurrte der Power Forward genervt, was Kagami-chan dann doch ein leichtes Kichern entlockte.
Mit einem durchaus gehässigen Grinsen wandte Chiaki sich anschließend seiner Frau entgegen und trat, ganz in das Lager ein.
»Tja, Schatz. Territorium erfolgreich verteidigt«, raunte der Beamte.
»Mein Held«, lachte sie und wusste was folgte als ihr Mann hinter sich die Tür zum Lager zuzog.
Aomine hatte die Fotografin aus dem Laden seiner Mutter gezogen und war mit ihr an der Hand ein paar Straßen weiter schließlich stehen geblieben. Er blieb so abrupt stehen das der Rotschopf ihn fragend anblickte und sich schließlich nach einem Augenblick vor ihn stellte. Mit einem aufgesetzten finsteren Lächeln und einer hochgezogenen Augenbraue, legte sie ihren Kopf schief und beäugte ihn so lange, bis er ihre Hand los ließ verärgert brummte.
»Hier ist es auch nicht anonym genug. Zu viele Passanten, zu öffentlich«, scherzte sie auf seine Kosten weiter.
Daraufhin knurrte er erneut genervt und wandte sich ihr gänzlich entgegen.
»Glaub bloß nicht das mich das groß interessiert, wer oder wie viele zusehen«, konterte er.
»Die Konter war schwach, merkst du auch, oder?«, grinste sie weiter.
»Mal ernsthaft, muss ich mit dir auswandern? Oder ein Hotel beziehen?«, fragte Aomine etwas verbittert.
»Also bei gewissen Hotels werden nur unnötig peinliche Fragen gestellt. Lass uns lieber auswandern«, entgegnete Kagami-chan eher im Spaß. Doch ihr wurde augenblicklich klar, dass er es absolut nicht im Scherz sagte, als sich ihre Blicke trafen. Nun musste sie aber ganz schnell gegensteuern und räusperte sich kurz.
»Sag mal, was machst du eigentlich schon zu so früh zu Hause? Ich dachte ihr habt Training?«, und wechselte geschickt das Thema.
»Wir haben heute nur eine neue Strategie besprochen und kurz probiert«, erklärte der Blauhaarige Schulterzuckend und steckte seine Hände in die Hosentaschen. »Aber irgendwie hat das alles nicht so richtig flüssig funktioniert.«
»Ihr versucht euch am Team-Play?«
»Könnte man so sagen«, sagte er und schritt langsam los, ohne erkennbares Ziel.
Kopfnickend folgte sie ihm.
»Team-play ist nicht wirklich eure ... Stärke. Beziehungsweise deine Stärke.«
»Kagami, ...«, entfuhr es ihm plötzlich rau und er blieb unvermittelt wieder stehen. Kurz schwieg er und sah sie schließlich ernst an. »Ich denke wir sollten uns wirklich mal für ein Wochenende absetzten.«
Geistesgegenwärtig nickte sie vor sich hin und war noch immer in Gedanken bei seinem schlechten Verständnis für den Mannschaftssport.
»Die Einsicht kam spät, aber sie ...«, doch plötzlich hob sie den Kopf und sah ihn überrascht und etwas dümmlich an. »Wie bitte?«
»Ich sagte: Was hältst du von einem Wochenendtrip?«
»Hä?«, entfuhr es ihr, noch immer etwas überfordert.
»Manchmal weiß ich nicht ob du das mit Absicht machst?«, entfuhr es ihm gereizt über ihre Reaktion.
»Ähm ... also, so auf die Schnelle fällt mir, zugegeben, keine Ausrede ein, weshalb es ... nicht möglich sein sollte«, gestand sie und schluckte die aufkeimende Röte herunter und räusperte sich kurz. »Außer ...«
»Stopp!«, fuhr er ihr harsch dazwischen. »Du tust es schon wieder.«
»Was genau?«
»Nach Gründen und Ausreden suchen, die dagegensprechen könnten.«
»Ich bin ein sehr gründlicher und planungsbedürftiger Mensch. Außerdem habe ich Verpflichtungen, denen ich nachkommen muss.«
»Du bist unflexibel und ein Angsthase. Und Spontanität ist nicht unbedingt deine Stärke.«
Diesen Kommentar hinnehmend zuckte sie einsichtig mit den Schultern.
»Ja, das auch«, gestand sie.
Schließlich trat sie dicht an ihn heran.
»Hier mein Vorschlag. Lass mich erst meine Pflicht für den Club erledigen und Suki glücklich machen und bis dahin suchen wir uns ein kleines Ziel für ein Wochenendausflug. Kannst du dich mit dem Kompromiss anfreunden?«
Ernsthaft darüber nachdenkend sah er sie an und ein Anflug eines schiefen Lächeln legte sich auf sein Gesicht.
»Geschickt gerettet, das muss ich dir lassen«, sagte er nüchtern und setzte seinen Weg ohne Ziel wieder fort.
Ein Seufzen entwich ihr und sie fuhr sich mit einer Hand durch ihre roten Haare. Als er bemerkte das sie nicht folgte, blieb er kurz stehen und drehte sich fragend dreinblickend zu ihr um.
»Nachdem ich dir nun einen freien Nachmittag verschafft habe, ... hast du Lust diesen auch zu nutzen?«, fragte er.
»Du hast ihn ergaunert«, stichelte Kagami-chan und schloss zu ihm auf.
»Haarspalterei«, entgegnete Aomine und griff sich die Hand des Rotschopfs. Und so gingen beide planlos durch die Straßen.
Die folgenden Tage verliefen leider nicht so ruhig und Ereignislos wie einige erhofft oder erwartet hatten. Angefangen bei Kaiou die den ganzen Trubel nutzte und sich nicht davon abhalten ließ, noch mehr Stress und Aufregung zu verbreiten. Ihre Club-Kollegen auf eine fast schon diktatorische und barbarische Art und Weise umher zu scheuchen. Sie nahm ihren Posten im Club beinahe schon übertrieben ernst. Machte Pläne und teilte die anderen Mitglieder sehr einnehmend ein. So einnehmend, dass einige sich schon böse über sie ausließen und sich über ihren Mangel an Zeit beschwerten. Zeit die sie durchaus für Lernen, oder Freizeit anderer Art wollten. Nicht jeder blühte derart für den Club auf wie es Kaiou Suki tat. Für die meisten war es einfach ein Club. Ihr bisschen Beitrag nebenher zur Schule, für die Schule. Etwas das sie teilweise mussten, ob sie wollten oder nicht. Nicht ihr Leben. Doch Kaiou steigerte sich ein klein wenig zu sehr in die Sache hinein. Das der Grund hinter ihrem überzogenen Engagement nicht unbedingt der offensichtliche Wahn für Sensationen war, ahnte zu dem Zeitpunkt noch niemand. Und die Hintergründe konnte auch keiner erahnen.
Noch während sie wie ein aufgescheuchtes Huhn im Schulflur ihr Unwesen trieb, piepte kurz ihr Handy. Sie wusste das es der Signalton war, der ihr mitteilen sollte das sie nur eine kurze Nachricht erhalten hatte. Und sie musste auch nicht großartig darüber nachdenken wer der Verfasser dieser war. Und doch pochte ihr Herz wie wild und ihre Hände wurden augenblicklich feucht als sie ihr Handy aus ihrer Rocktasche zog.
Man, was soll ich nur machen?
Abwägend hielt sie ihr Handy in der Hand und verstaute es schließlich ohne die Nachricht geöffnet zu haben. Nervös sah sie sich um.
Es ging einfach nicht. Sie musste sich erst einmal auf das wesentliche konzentrieren. Diese Ablenkung konnte sie sich einfach gerade nicht erlauben. Und sie hoffte das man ihr dafür ein wenig Verständnis entgegenbringen würde. Doch nun hieß es weiter machen. Sie musste versuchen, zu richten was die anderen zu Nichte gemacht hatten. Ihr Plan ging einfach nicht mehr auf. Sie musste improvisieren. Und zwar schnell. Ihr schöner Plan. Ihr Vorhaben. Sie wollte das die nächste Ausgabe der Schülerzeitung, die Ausgabe schlechthin wurde. Und von nichts, kam nichts. Flink setzte sie sich wieder in Bewegung. Ging zurück in den Unterricht, damit sie nicht auch noch zu spät kam und der nächste Ärger auf sie wartete. Das wollte sie auf jeden Fall vermeiden. Und so versuchte sie sich schweren Herzens, zuerst auf die nächste Unterrichtsstunde zu fokussieren.
Prioritäten zu setzten, war wahrlich ... nicht leicht.
Momoi Satzuki hingegen, hatte mit ihrem Club ebenfalls ein paar kleinere Probleme. Nichts Ernstes, aber etwas das doch mehr Anstrengung erforderte, als sie angenommen hatte. Die Jungs taten sich sichtlich schwer damit, einfach die Strategie zu ändern, oder zumindest so hingegen anzupassen, dass man es auch mal Mannschaftssport nennen konnte.
Unter den Umständen witterte sie schon beinahe die nächste Niederlage. Und das nur, weil die Jungs so dickköpfig waren. Da half auch ein Sprichwort wie: "Ihr müsst über den Tellerrand hinausschauen!", nicht weiter. Betonmauern ließen sich eben nicht so einfach einreisen. Gefrustet und auch etwas enttäuscht darüber, blieb ihr nichts anderes übrig, außer die Situation vorerst so hinzunehmen wie sie nun einmal war.
Aussichtslos.
Unveränderbar.
Aber nicht gänzlich Aufgegeben.
Aufgeben kam für jemanden wie Momoi nicht in Frage. Sie hatte schon ganz andere dazu gebracht, sich Taktiken und Strategien mal genauer durch den Kopf gehen zu lassen. Da würde sie es bei dem Haufen auch schaffen.
Von Ehrgeiz gepackt funkelte sie Aomine mit einem finsteren Seitenblick an. Dieser uneinsichtige faule Klotz, konnte sich auch noch warm anziehen. So leicht kam er ihr nicht davon.
Ihr stetiges starren, schien er dann doch irgendwie bemerkt zu haben und so hob der Power Forward etwas gelangweilt dreinschauend seinen Kopf. Als er Momois feurig-motivierten Blick sah, ahnte er schon was ihn erwarten würde und schüttelte genervt den Kopf, bevor er diesen wieder desinteressiert auf der Tischplatte ablegte um die letzten verbliebenen Minuten der Pause, etwas entspannter zu nutzen.
Weniger entspannt war hingegen der Rotschopf, der es gerade so geschafft hatte, vor dem Lehrer das Klassenzimmer zu betreten. Gehetzt setzte Kagami-chan sich auf ihren Platz und verstaute irgendetwas in ihrer Tasche. Aomine war schon aufgefallen, dass sie wie angekündigt, wirklich einiges für den Club erledigen musste. Das sie für diese "Botengänge" auch die Pausen zwischen den Stunden für die Arbeit des Journalisten-Clubs nutzte, hielt er dann doch für ein wenig überzogen. Aber solange diese Typen von der fremden Schule auf dem Gelände ihr Unwesen trieben, würden wohl die Schüler der betroffenen Clubs und Klassen noch eine Weile Kopf stehen.
Er hatte fast schon so etwas wie Mitleid mit der Fotografin. Doch wenn er sie so ansah, und wie sie weiter in ihrer Tasche wühlte, obwohl der Lehrer sie schon kurz ermahnt hatte, war sein Anflug von Mitgefühl schon verflogen. Vielleicht musste er selbst etwas nachhelfen, das sie mal wieder an etwas anderes als ihre angepriesenen "Pflichten" dachte. So viel Engagement konnte wohl kaum gesund sein.
Plötzlich riss ihn die harsche Stimme des Lehrers aus seinen Gedanken.
»Aomine-kun, hättest du die Güte und würdest dich auf das Wesentliche konzentrieren? Zum Beispiel auf meinen Unterricht?«
Ertappt sah er in das entnervte Gesicht seines Lehrers der mit einem Buch in der Hand den Blauhaarigen fixierte. Aomine selbst hatte gar nicht bemerkt wie seine Gedanken abgedriftet waren, beziehungsweise, ... wie er den Rotschopf angestiert hatte.
Das verhaltene Kichern seiner Klassenkameraden drang leise durch den Raum, einige tuschelten sogar kurz als der Lehrer abgelenkt war. Doch plötzlich wandte dieser sich an Kagami-chan, die hin und wieder immer noch in ihrer Tasche kramte.
»Kagami-san«, bei dem bedrohlichen Tonfall hielt sie sofort inne und sah verlegen und entschuldigend den Lehrer an. »Der Inhalt der Tasche scheint heute besonders interessant zu sein, wie mir scheint. Darf man fragen, was deine Aufmerksamkeit so erregt?«
Sichtlich überlegend biss sich der Rotschopf auf die Lippe und schüttelte dann vorsichtig den Kopf.
»Nichts, gar nichts. Nur ein paar Unterlagen und ... Bilder für den Club«, entgegnete sie zögerlich.
Obwohl eine der Brauen des Lehrers geradezu in die Höhe sprang, schien er ihr diese Antwort wohl durchgehen zu lassen und beließ es bei einer weiteren Abmahnung.
Nach der Stunde war der reguläre Unterricht zum Glück beendet. Die Schüler nahmen freudig ihre Taschen auf und machten sich auf den Weg nach Hause, oder in ihre Clubs. Aomine hingegen steuerte sofort die Fotografin an, bevor diese wieder durch die Tür hinaus war und mit ihrer geheimnisvollen Tasche im Flur verschwand.
»Moment mal, Kagami«, sagte er und stellte sich ihr direkt in den Weg, so das die anderen Schüler um sie herum gehen mussten.
Sätze wie: »Nehmt euch ein Zimmer« und »Geht mal einen Schritt zur Seite«, wurden ihnen gehässig grinsend, oder genervt entgegnet. Woraufhin der Power Forward sie am Arm griff und zur Seite zog.
»Was ist los?«, fragte sie irritiert.
»Lustig, das wollte ich gerade frage. Was war das denn im Unterricht?«, wollte er wissen.
»Ach das. Nichts weiter. Die Batterien für die Kamera waren, leer und ich wollte sie eigentlich nur noch schnell wechseln. Doch irgendwie ist mir dann die Kamera in der Tasche etwas ... auseinandergefallen«, gestand sie. »Die Speicherkarte ist plötzlich rausgeglitten und mitten rein in die Tasche.«
»Wie bitte?«, entfuhr es ihm ungläubig. »Du kassierst zwei Abmahnungen, wegen leerer Batterien und einer Speicherkarte?«
Mehr als ein Schulterzucken entlockte er ihr damit nicht.
»Du musst gerade reden«, drang plötzlich Momois mahnende Stimme an ihre Ohren. »Du schienst auch ziemlich abgelenkt zu sein.«
»Zu meiner Verteidigung, ich war nur etwas in Gedanken. Das kann hin und wieder passieren«, verteidigte er sich.
Da lächelte Momoi ihn verschmitzt und wissend an.
»Das müssen wirklich sehr tiefsinnige, oder schmutzige Gedanken gewesen sein«, scherzte die rosahaarige Managerin weiter. »Wenn man derartig auffallend Löscher in die Luft starrt, oder jemand anderen fixiert.«
»Ich bin halt kreativ und fokussiere mich da gern auf einen Punkt«, entgegnete Aomine nüchtern.
»Der fixierbare Punkt, nennt sich in diesen Raum "Tafel".«
»Ich unterbreche euer Austausch über kreative schmutzige Gedanken und fixierfähiges Material nur ungern, aber ich habe zu tun. Wenn also nichts weiter ist«, sie sah Aomine kurz fragend an, als erwarte sie noch irgendeinen Einwand, doch dieser wank nur ab.
»Schön. Bis nachher«, verabschiedete sich Kagami-chan flink und war dann auch schon den Flur hinunter verschwunden.
»Du weist nicht zufällig, was im Journalisten-Club vor sich geht?«, fragte Aomine ernst seine beste Freundin. Doch die Rosahaarige sah ihn nur entschuldigend an und suchte nach geeigneten Worten.
»Ich denke das ist vorbei, sobald die Austauch-Sportler wieder weg sind. Der ganze Club ist in Aufruhr. Das ist eben ein Ausnahmezustand.«
»Ich habe das Gefühl, das es nicht nur den Journalisten-Club betrifft«, sprach Aomine offen seine ungute Ahnung aus. Und zu seinem Leidwesen, ... widersprach Momoi nicht.
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Alter Ego
Fanfiction[Fortsetzung zu "Camera Obscura"] Nachdem sich mehr oder weniger der heimtückische "Alltag" bei Aomine und Haruka eingeschlichen hat, kommt es für die beiden sonst so verbal-schlagfertigen Streitsuchtis richtig dicke. Denn ganz unerwartet scheint si...