Geisterjagd

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Der Morgen nach dieser unheimlichen stümperhaft organisierten Nachtwanderung, war nicht viel ruhiger. Die azurblauhaarige Journalistin Kaiou Suki, war nach den Vorkommnissen im angrenzenden Wald so angestachelt, was das wohl gewesen sein konnte, dass sie entgegen aller Äußerungen das sie es darauf beruhen lassen würde, doch ein paar kleine Nachforschungen angestellt hatte und ihrer Neugier und ihrem Eifer Informationen zusammen zu tragen, schließlich nachgab. Sie war nun einmal von sehr neugieriger und wissbegieriger Natur und konnte das nur schwer unterdrücken.
Und so war sie direkt nach dem Frühstück verschwunden, ohne auch nur Momoi oder Kagami-chan zu sagen wohin sie ginge. Da sie der Lehrerin Bescheid gab, ohne dabei genauer ins Detail zu gehen, war ihr kleiner heimlicher Ausflug nicht mehr ganz so heimlich, aber immerhin genehmigt.
Währenddessen vertrieben sich die beiden anderen Mädchen die Zeit indem sie versuchten sich nicht unnötig von den anderen Klassenkammeraden „belästigen" zu lassen.
So saßen sie entspannend auf einem Teil der Terrasse die um das alte Gebäude herum führte.
Um sich etwas ihren angestauten Ängsten zu stellen, saßen sie sogar auf der Seite die zum Wald hin gebaut war. Sich etwas ablenkend und auf einem Stuhl sitzend summte Momoi leise vor sich her, während sie etwas in ihr Handy eintippte. Kagami-chan saß ihr gegenüber und schrieb wenig motiviert etwas auf einen kleinen Block.
Bis sie hörten das sich Schritte näherten. Die beiden Mädchen blickten prüfend auf und sahen wie Kaiou schnellen Schrittes auf sie zu eilte, ein verschwörerisches Grinsen im Gesicht und ein Stoß Blätter in der Hand mit der sie wie wild wedelte. Als sie auf gleicher Höhe der beiden anderen war legte sie auch sogleich los: »Ich hab mal ein wenig recherchiert«, begann Kaiou und senkte etwas die Stimme um ein wenig unzweckmäßige Spannung auf zu bauen.
»Über was denn?«, wollte Momoi wissen und nahm der azurblauhaarigen Journalistin den Stoß Blätter aus der Hand.
»Über die Herberge, den Wald, die Umgebung im Allgemeinen ... den Nebel.«
Das ließ Kagami-chan interessiert aufhorchen und sie hob kurz den Blick von ihrem Block, auf den sie lieblos ein paar Stichpunkte geschrieben hatte. Allerlei Unsinn und Dinge die sie erledigen wollte und die plötzlich mit der Erwähnung von Kaiou an Bedeutung und Dringlichkeit verloren hatten.
Neugierig blickte die Rothaarige erst die Managerin und dann die Journalistin an.
»Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen? Das es einfach nur Moorgase waren?«, versuchte der Rotschopf das Ganze herunter zu spielen.
»Nein meine Liebe Ha-chan. Schau mal«, etwas lieblos entriss sie Momoi die Papiere und breitete sie vor der Fotografin auf dem Tisch aus und tippte sofort auf ein altes Bild welches die Herberge zeigte.
»Das ist ein altes Foto des Gebäudes«, entfuhr es der Größeren skeptisch und sie legte die Stirn in Falten.
»Ok, ... von Vorne«, stöhnte Kaiou genervt auf, massierte sich kurz die Schläfen und sammelte sich etwas.
»Ich bitte darum.«
»Die Herberge war nicht immer eine Herberge. Vor circa 60 Jahren war sie noch als „Residenz" in Privatbesitz einer recht wohlhabenden und bedeutenden Familie, ehe der Grundbesitz auf den jetzigen Besitzer überging.«
»Was an sich nicht ungewöhnlich ist Suki-chan«, äußerte nun Momoi und nahm sich ein paar andere Blätter dessen Inhalt sie überflog, während sie sich auf den Stuhl neben Kagami-chan nieder ließ.
»Hört mir doch erstmal zu. Im Internet findet man leider nicht allzu viel über das Dorf und über derlei Ereignisse gleich gar nichts, aber ich habe mich mit ein paar Anwohnern unterhalten.«
»Was?! Wann?!«, entfuhr es Momoi und Kagami-chan unisono.
»Öhm ... jetzt gerade ... vor ein paar Stunden ...«, doch dann wank die Blauhaarige ab. »Ist doch jetzt nebensächlich, jedenfalls haben mir die älteren Leute im Grunde alle das Gleiche erzählt. Etwa vierzehn Jahre bevor das Gebäude den Besitzer gewechselt hat, hat sich die Tochter des Hauses im Wald verschanzt und sich dort das Leben genommen.«
»Oh, noch ein „Suizid-Wald", so wie „Aokigahara"«, sagte der Rotschopf ganz unbedacht, woraufhin ihre beiden Freundinnen sie etwas fassungslos und überrascht ansahen.
»Woher kennst du den „Aokigahara"?«, fragte Kaiou ehrlich beeindruckt.
»Jetzt tu mal nicht so als wäre ich total ungebildet«, sagte Kagami-chan mit leicht roten Wangen und hing dann etwas verlegen an: »Ich fand die Geschichte hinter dem Wald ganz interessant und überhaupt, das tut doch jetzt gar nicht zur Sache.«
Kopfschüttelnd fuhr Kaiou schließlich fort.
»Wie auch immer, so ähnlich verhält es sich dort auch. Die Tochter des Hausherrn hatte sich in dem Wald das Leben genommen und sich an einem Baum wenige hundert Meter vom Anwesen entfernt, auf gehangen. Ihr Vater hatte „öffentlich" nur zu erklären gegeben das er sich ihr Handeln nicht erklären könne, doch die Anwohner hatten alle den Verdacht geäußert das ihr Vater der Grund war. Der habe ihr wohl den Umgang mit ihrem damaligen Freund verboten. War wohl so eine „Romeo und Julia"-Situation. Die Hausherren der jeweiligen Provinzen waren sich wohl nicht ganz grün, aber ihre Kinder waren wohl über jede Fehde erhaben und haben es nicht weiter hinterfragt. Leider sah das ihr Vater wohl ganz anders und hat ihr mit Nachdruck den Umgang untersagt, woraufhin sie in eine tiefe Depression fiel«, schloss Kaiou etwas traurig dreinblickend ab.
»Also das „klassische", sagte auch Kagami-chan ungewohnt mitfühlend und etwas wehleidig.
Die Blauhaarige nickte leicht und kramte dann ein anderes Blatt unter der Hand von Momoi hervor, die ihre Freundin ganz gespannt ansah und auf weiteres wartete.
»Ihr Liebhaber soll nur wenige Tage nach ihr verschwunden und kurz nach ihr ebenfalls an einem Baum hängend gefunden worden sein. In seiner Hand ein zerknitterter Brief, den er wohl im Todeskrampf umklammerte und erst als die Leichenstarre sich wieder zu lösen begann, frei gab.«
»Suki, ernsthaft, jetzt wirst du makaber«, sagte Momoi und verzog etwas das Gesicht.
»Das Beste kommt erst noch«, lachte die Journalistin und regte ihren Zeigefinger in die Höhe. »Wiederrum fast zwei Jahrzehnte zuvor, hatte sich die Schwester des Hausherrn ebenfalls im Wald das Leben genommen, auf recht ähnliche Weise und aus dem gleichen Grund.«
»"Verbotene Liebe"?«, riet die Rosahaarige und wechselte einen Blick mit Kagami-chan, die nur die Schultern zuckte.
»Ja, genau. Das hat wohl laut Erzählungen so einigen jungen Frauen und deren Liebsten das Leben gekostet. Es waren so auffällig viele, nicht nur von dem Anwesen, auch die drum herumliegenden, das bald das Gerücht die Runde machte, das die ruhelose Seele einer jungen Frau in dem Wald ihr Unwesen treibe und verzweifelte Liebende in den Selbstmord treibe.«
»Und lass mich raten, diese „ruhelose Seele" der verzweifelten Frau, war ebenfalls so sehr in einen Mann verliebt der leider zu den „Montague" gehörte, dass sie sich Jahrhunderte zuvor selbst das Leben in diesem Wald nahm?«, riet die Fotografin und versuchte es mit ihrem Vergleich etwas ins Lächerliche zu ziehen.
»Fast. Eigentlich soll es sich bei dieser Frau um eine von Eifersucht zerfressene Seele handeln, die einfach nicht bekam was sie wollte, weil der Mann, auf den sie ein Auge geworfen hatte, sich das Leben wegen einer anderen nahm.«
»Wie verworren«, sagte Momoi und legte den Kopf schief. »Also nehmen sich die verzweifelten „Liebenden" das Leben, wegen eines eifersüchtigen Geistes?«
Bestätigend nickte Kaiou und fing plötzlich an schief zu grinsen.
»Allerdings treibt in diesem Wald wohl noch jemand sein Unwesen. Der Geist einer Frau die ihren Mann verlor. Er fiel während der großen Unruhe, als die Europäer langsam mit dem Kaiser anbändelten und sie wurde schwer krank und starb einsam in einer kleinen Hütte im selbigen Wald. Doch ihre Seele sucht jede Nacht aufs Neue ihren Mann, den sie verloren hat und auf den sie heute noch sehnsüchtig und geduldig wartet. Angeblich soll sie eine wohlgesinnte Seele sein, in Erscheinung eines Eichhörnchens, oder auch in Gestalt eines Hasen, die zwei Liebende die sich im Wald verlieren zu einander führt, damit sie nicht selbiges Schicksal und die gleiche Qual erleiden, wenn sie getrennt sind.«
»Als Eichhörnchen oder Hase?«, grummelte Kagami-chan nachdenklich vor sich hin.
»Bei euch wohl eher in Gestalt eines Wildschweins«, hing Kaiou nüchtern hinten an.
»Was an sich jetzt sehr interprätierfähig ist, wieso es bei dir und Dai-chan ein Keiler war.«
Etwas überrumpelt sah der Rotschopf auf und abwechselnd ihre beiden Freundinnen an.
»Wie bitte? Ihr glaubt doch nicht ernsthaft an den Unsinn? Eine einsame Seele, die versucht andere Leute die „Qual" der Einsamkeit zu ersparen und sie davor bewahrt? Mädels, macht euch nicht lächerlich.«
»Wieso wehrst du dich so gegen diesen Gedanken?«, fragte Kaiou ernst.
»Weil es einfach Schwachsinn ist. Ein Geist der einen zu einander führt. Wenn Sakurai nicht weggerannt wäre, hätte ich mit ihm auf dem Ast gehockt und wäre somit nicht allein gewesen.«
»Du warst aber alleine, bis ausgerechnet Dai-chan aufgetaucht ist«, gab Momoi zu bedenken.
»Zufall. Es hätte jeder x-beliebige sein können.«
»War es aber nicht.«
»Ein Geist der Liebende in den Tod treibt, der andere der sie errettet? Mit dem Gedanken tu ich mich wirklich schwer«, gestand die Fotografin, doch irgendetwas an der Art und der Tonlage wie sie es sagte ließ Momoi und Kaiou an der Glaubhaftigkeit ihrer Äußerung zweifeln und so stichelten sie etwas nach.
Mit einem finsteren Lächeln auf den Lippen und einer alles sagenden Körpersprache, setzte sich Kaiou direkt vor den Rotschopf, legte die Arme locker auf den Tisch und sah ihre Freundin eindringlich an.
»Meine werte, liebste, allertollste Ha-chan«, säuselte die Azurblauhaarige und rutschte etwas auf dem Stuhl umher. »Möchtest du uns etwas mitteilen?«
»Ich ... ähm ... also ...«
»Du verschweigst uns doch nichts, oder? Wir sind deine besten Freunde«, beschwor Momoi sie.
»Ihr seid meine einzigen Freunde«, gab Kagami-chan zu bedenken.
»Was an sich schon traurig ist, also solltest du ehrlich zu uns sein. Was hast du dort gesehen?«
Etwas überfordert und in die Enge getrieben sah sie die Beiden wieder abwechselnd an, die sie erwartungsvoll geradezu anstierten, begierig zu erfahren was sie vor ihnen verheimlichte.
»Ich hab nichts gesehen, also nicht vor Ort ...«, plötzlich holte sie eine SD-Card aus ihrer Hosentasche und legte sie auf die Blätter die nun ungeordnet auf dem Tisch lagen und ohne Vorwarnung zog unheilvoll ein leichter Wind auf.
Kritisch beäugten die beiden anderen Mädchen die kleine schwarze Karte die dort lag. Unheimliche Stille breitete sich aus und irgendwie stieg Unbehagen in ihnen auf. Etwas perplex löste Kaiou als erste den Blick von dem Speichermedium und sah die Fotografin an.
»Du willst mir jetzt nicht weiß machen, dass du etwas fotografiert hast?«
»Das würde zumindest erklären weshalb sie es versucht kaputt zu reden und als Unsinn abzufertigen«, schlussfolgerte die Managerin und sah ebenfalls etwas fassungslos in die Runde.
»Ich denke ja, das es nur Dreck auf der Linse war, oder halt eine falsch eingestellte Belichtung«, sagte der Rotschopf ernst.
»Ich höre ein fettes „aber" raus«, sagte Kaiou und wartete auf eine Antwort, doch die blieb ihr Kagami-chan schuldig, denn Augenblicklich hatte sich ohne Ankündigung jemand zu den drei Mädchen gestellt und die drei sprangen fast Kerzengerade von ihren Stühlen empor.
»Hier bist du Momoi-san. Entschuldige, aber die Anderen suchen dich schon«, erklang entschuldigend die Stimme von Sakurai, der wie angewachsen auf der Terrasse stehen blieb, als er sah, wie sie sich erschrocken hatten. Mit einer fließenden Bewegung hatte der Rotschopf die Speicherkarte wieder in ihrer Hosentasche verschwinden lassen und auch Kaiou hatte ihre Blätter zusammengeschoben.
»Kannst du dich nicht vorher irgendwie bemerkbar machen?«, fragte Momoi etwas erbost und versuchte ihren Herzschlag wieder durch pure Willenskraft in den gewohnten Rhythmus zu zwingen.
»Das hab ich, mehrere Male, aber keiner hat mich beachtet, also dachte ich ...«
»Schon gut. Ich komm ja schon«, murrte die Managerin und schob den Shot Guard unliebsam vor sich her. »Wir sehen uns dann nachher, bis dann«, rief sie noch über ihre Schulter hinweg, bis sie mit Sakurai verschwunden war. Etwas ratlos sahen Kaiou und Kagami-chan sich an und beschlossen, mit der Sichtung der Fotos auf Momoi zu warten.


Ein paar Minuten später hatten auch Kaiou und Kagami-chan sich getrennt. Die Azurblauhaarige wollte noch ein wenig ihre Ergebnisse analysieren, bevor sie sich erneut mit Momoi und Kagami-chan traf. Das konnte dem Rotschopf nur recht sein. Tief in Gedanken versunken ging die Fotografin am Rand des Waldes entlang und schob ihre Hände in die Hosentasche, dabei berührte sie die Speicherkarte. Langsam zog sie die Hand heraus und drehe die SD-Card zwischen ihren Fingern umher. Die Wahrscheinlichkeit das sie beim Aufnehmen, die Einstellungen verpatzt hatte war viel höher, als die Wahrscheinlichkeit das sich darauf wirklich etwas „Übernatürliches" befand. Schließlich sah der Verstand auch nur das was er sehen wollte. Was für andere ein „Schmetterling" war, war für wieder andere einfach nur ein Tintenfleck.
Langsam hob sie den Blick in Richtung des Waldes. Sie war kein abergläubischer Mensch und was so etwas betraf auch nicht sonderlich leicht zu beeindrucken, aber dennoch bekam sie ein mulmiges Gefühl wenn sie so allein hier am Waldrand stand. Selbst mit der Gewissheit das doch irgendein Dreckspritzer es auf ihre Linse geschafft hatte. Kombiniert mit den Recherchen die Kaiou angestellt hatte.
Es fröstelte sie plötzlich bei den Gedanken und schon machte sie flink kehrt und ließ den Wald hinter sich.


Momoi konnte sich gar nicht richtig auf das konzentrieren was ihre Klassenkameradinnen von ihr wollten. Immer wieder drifteten ihre Gedanken zu dem was Kaiou rausgefunden und dem was Kagami-chan wohl fotografiert hatte. Das interessierte sie wirklich brennend.
Und so trat sie nervös von einem Fuß auf den anderen.
»Bist du bald fertig?«, drängte die Rosahaarige etwas, woraufhin sie überraschte Blicke erntete.
»Warum bist du so in Eile Momoi-san?«
Ja, warum war sie in Eile? Sie konnte den anderen nicht erzählen das Kaiou recherchiert hatte und Kagami-chan ein vermeidliches Geisterfoto geschossen hatte. Obwohl ... es war nicht ausgesprochen worden was auf der Speicherkarte war. Sie hatte sie nur auf den Tisch gelegt.
Nun wurde Momoi noch nervöser und ungeduldiger, sie musste wissen, was sich auf der SD-Card befand! Sofort!
»Ich denke, das bekommt ihr auch ohne mich hin«, sagte die Managerin und entfernte sich rückwärtsgehend von den Anderen die sie verständnislos böse anstierten.
»Aber ...«
»Nichts „aber". Das letzte Abendmahl schafft ihr auch ohne mich. Das bisschen schmücken und herrichten.«
»Wir brauchen dich beim kochen«, sagte dann eine andere Schülerin erbost und wollte die Rosahaarige am Arm zurückziehen.
Genervt sah Momoi in die Runde. Das konnte doch unmöglich ihr ernst sein. Das Einzige was sie konnte waren Honig-Zitronen.
»Glaubt mir, ihr wollt nicht das sie kocht«, erklang da plötzlich die raue Stimme ihres Jugendfreundes hinter ihr.
Verwundert drehte sie sich zu ihm um und war sichtlich froh ihn zu sehen.
»Dai-chan«, strahlte sie übertrieben, packte den Blauhaarigen Hünen am Arm und zog ihn mit sich. »Ich muss ganz dringend mit dir reden, was für ein Zufall das du hier bist.«
»Satsuki, warte mal!«, entfuhr es ihm überrumpelt.
»Komm schon«, knurrte sie schließlich, war wenige Augenblicke später mit Aomine verschwunden und hinterließ eine Gruppe genervter, grimmig dreinschauender Klassenkammeraden.


Kaiou Suki hatte in der Zeit weiter ihre Blätter und Notizen gewälzt und war zu dem Entschluss gekommen das ... ja was eigentlich? Das es in dem Wald spukte? Sie war keine sieben mehr. Kein kleines Kind was an Geister und Feen glaubte. Wobei, ... so eine gute Fee wäre nicht verkehrt.
Schnell schüttelte sie den Kopf um den wirren Gedanken abzuschütteln und atmete genervt und etwas erschöpft auf. Menschen sahen das was sie sehen wollten.
Das Gute, das Böse, das Übersinnliche, das Unsinnige.
Aber sie hatte sich so viel Mühe mit ihrer Recherche gegeben, das würde mit dem Foto von Kagami-chan der Mega-Bericht in der Schülerzeitung werden!
Dessen war sie sich sicher. Es musste!
Erneut seufzte sie vor sich her. Wem machte sie eigentlich etwas vor?
Etwas niedergeschlagen, da sie wusste wie unglaubwürdig das Ganze klingen würde steckte sie die Notizen ein und ging ihrer Wege. Sie sollte sich auf langweilige Dinge beschränken, alltägliches, ... das würden die Leute zumindest glauben. Nun hoffte sie nur noch das ihre rothaarige Freundin etwas Hieb und Stichfestes fotografiert hatte. Denn Bilder konnten nicht lügen.


Konzentriert sah Kagami-chan auf dem kleinen Bildschirm der sich an ihrer Kamera befand. Egal wie sehr sie es vergrößerte oder die Kontraste änderte, es blieb gleich. Skeptisch dreinblickend runzelte sie die Stirn und fuhr sich Geistesgegenwärtig mit ihrer linken Hand über ihren Oberschenkel. Ihre Hände wurden ganz schwitzig bei den Anblick der sich ihr bot. Nochmals prüfte sie die Linse der Kamera auf Verschmutzung. Aber diese war sauber. Kein Kratzer, kein Dreck.
Vielleicht lag es auch am Bildschirm selbst. Besser war es wohl auf Kaiou und ihren Laptop zu warten. Darauf konnte man zumindest diesen "Fleck" besser erkennen oder vergrößern.
Noch immer tief in Gedanken und gebannt auf die Kamera blickend bemerkte sie nicht wie sich ihr jemand näherte.
Gerade als sie angestrengt die Augen zusammen Kniff um besser erkennen zu können was es schlussendlich war, wurde ihr eine Hand auf die Schulter gelegt.
Bis ins Mark erschrocken wirbelte sie herum und fiel fast über ihre eigenen Füße. Mit Mühe und Not konnte sie das Gleichgewicht halten und warf den Störenfried einen vernichtenden Blick zu.
Zu ihrem Bedauern war ihr "Todes-Blick" nicht sonderlich wirksam, da Aomine sich vor Lachen den Bauch hielt und sich nicht so schnell in den Griff bekam.
»Hör auf zu lachen. Ich hätte fast einem Herzinfarkt erlitten«, versuchte Kagami-chan streng zu äußern. Doch ihr versagte vor Schreck beinahe die Stimme.
Aomine versuchte sich wirklich sichtlich wieder zu beruhigen, doch da sie in den Moment in dem er den Rotschopf an der Schulter berührte einen kleinen Sprung in die Luft machte ehe sie sich abwand konnte er nicht anders als Lachen.
Kopfschüttelnd und noch immer breit grinsend wank er ab.
»Eigentlich sollte ich dir von Satsuki etwas geben, wenn ich dich sehe. Aber ich will dich nur ungern beim niederstarren deiner Kamera stören«, entgegnete der Power Forward belustigt. »Aber wenn ich dir einen Tipp geben darf: der Klügere gibt nach.«
Obwohl sie zumindest etwas verärgert sein sollte, weil er sie so erschreckt hatte, beließ sie es dabei und versuchte ihren Puls wieder unter Kontrolle zu bekommen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
»Blödmann«, brummte sie noch etwas zerknirscht ehe sie ihm den Rücken zuwandte und erneut auf die Kamera sah. Mit dieser Reaktion hatte der Blauhaarige nicht gerechnet. Etwas stutzig über ihr Handeln ging er auf sie zu und sah ihr neugierig über die Schulter.
»Was hat denn da deine unangefochtene Aufmerksamkeit?«, fragte Aomine neugierig und kniff die Augen etwas zusammen um besser sehen zu können was dort abgebildet war.
»Dreck«, war die kurze aber nicht ganz glaubwürdige Antwort der Rothaarigen.
Mit der Aussage gab sich der Power Forward allerdings nicht zufrieden und nahm ihr flink die Kamera aus der Hand um einen besseren Blick darauf erhaschen zu können.
Entrüstet drehte sie sich ihm entgegen, hielt sich mit ihren Ermahnungen jedoch zurück als sie sein angespanntes Gesicht sah.
»Wann hast du das geschossen?«
»Vor ein paar Tagen«, antwortete sie ehrlich. Sein Blick wanderte von dem Bildschirm der Kamera zu ihr. Hin und her gerissen zwischen, "das soll wohl ein Witz sein" und "Das ist wirklich nur Dreck", wusste er nicht so recht wie er reagieren sollte.
Doch er entschied sich für Variante Eins.
»Das soll wohl ein Witz sein. Das hast du aber schön bearbeitet.«
Etwas beleidigt sah sie ihn an und verschränkte die Arme vor der Brust.
»So teuer war die Kamera nun auch nicht, als das noch irgendein Bearbeitungs-Schnickschnack darin Platz gefunden hätte«, verteidigte sich der Rotschopf. »Die kann nicht zaubern, oder Kaffee kochen.«
»Dann ist deine Linse verdreckt.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Du hast die Einstellung verpatzt.«
Kurzes Überlegen. Erneutes Kopfschütteln.
»Jemand hat dir einen Streich gespielt.«
Kein Kopfschütteln. Stattdessen blickte sie ihn überlegend an und ging ein paar Schritte.
»Das habe ich noch gar nicht in Betracht gezogen.«
»Fall gelöst.«
»So einfach ist das nun auch nicht Watson«, sagte sie mahnend. »Denn wenn dem wirklich so ist, wüsste ich gerne wer und wie es angestellt wurde.«
Genervt seufzte der Hüne auf und reichte Kagami-chan die Kamera.
»Belass es doch einfach dabei.«
»Angsthase«, murmelte sie leise und entfernte die Speicherkarte aus der Kamera, ehe sie diese wieder sorgsam verstaute.
»Wie war das?«
»Was?«, fragte sie scheinheilig.
»Ich habe keine Angst vor Dreck auf der Linse«, stellte Aomine direkt klar.
»Ja, schon klar«, stichelte sie weiter.
»Oder vor falschbedienten Kameras, die Schatten aufnehmen.«
»Es ist kein Schatten, es ist eine Schemenhafte Gestalt«, korrigierte sie ihn schief grinsend.
Abwehrend hob er die Hände und wank kapitulierend ab.
Zugegeben, es sah wirklich auffallend wie eine stehende Person aus, mit viel Fantasie konnte man sich Umrisse einbilden. Nur hätte er von einem "Geist" erwartet das dieser durchsichtig und weiß schimmert und nicht so dunkel, gar bräunlich war. Wie ein Dreckfleck eben.
Da beschlich ihn ein Gedanke. Grübelnd sah er in den Wald hinein.
»Um welche Uhrzeit hast du das Bild ungefähr gemacht?«, fragte er. Überrascht über diese Frage blinzelte sie ein paar Mal, ehe sie antwortete.
»Gegen Abend, so 17 Uhr. Warum?«
Da nickte der Blauhaarige als hätte er des Rätzels Lösung.
»Komm mal mit.«
Als hätte er von ihr verlangt ein Tier zu opfern und Satan darzubieten, sah sie ihn entsetzt an.
»Auf keinen Fall.«
Ein leichter Wind zog auf und schob sachte ein wenig getrocknetes Laub zwischen ihnen umher.
»Wer ist von uns der Angsthase? Ich will dir deinen Geist zeigen.«
»Jetzt?«
»Auf der Stelle sogar, es muss dafür nicht mal dunkel sein, also hopp. Komm schon«, forderte er sie auf und ging schon in Richtung Waldrand.
Perplex sah Kagami-chan ihn zunächst nur nach, bis er kurz inne hielt und sie zu sich wank. Wenn er sich traute konnte es ja nicht so gefährlich sein.
Was waren das denn plötzlich für Gedanken?! Sie war nicht abergläubig, glaubte immer nur an das was sie sehen und anfassen konnte. Das Problem war, das sie etwas auf einem Bild sah, was ihr dann doch nicht ganz geheuer war. Ihr kleines inneres Ich war auch nicht hundert Prozent davon überzeugt. Hin und hergerissen zwischen einem "Stephen King-Roman" und dem Foto entschied es sich dafür das Foto in das imaginäre Buch zu stecken. Denn da gehörte so eine Erscheinung hin. In einen Roman. Oder irrte sie sich dabei etwa?
Vorsichtigen Schrittes ging der Rotschopf dem Power Forward nach und blickte sich verstohlen um.
Zu gerne hätte sie in seine Gedanken gesehen. Fragte sich was er sich dabei dachte und stieg dabei über die Wurzeln der Bäume. Hin und wieder hielt Aomine kurz inne und sah sich prüfend um, bevor er wieder ein paar Schritte ging.
»Also ich wäre dafür das du mich endlich einweihst«, sagte die Fotografin und schob einen kleinen Ast zur Seite. Unter ihren Schritten knackte und knirschte es unheilvoll. Am Tage wirkte der Wald auch gar nicht so bedrohlich. Die Sonnenstrahlen schienen leicht durch die noch kahlen Bäume und hier und da flog ein Vogel von Ast zu Ast auf der Suche nach Nahrung.
»Gedulde dich etwas, du Geisterjäger"«, spöttelte er, beäugte kurz wieder die Umgebung und blieb dann endgültig an einem Strauch stehen.
Der Rotschopf der nicht gesehen hatte das Aomine plötzlich gänzlich still stand, war mit ihrem Schuh beschäftigt in dem sich ein spitzer Zweig verirrt hatte und achtete nicht darauf wohin sie lief, bis sie ihn von hinten umgerissen hatte und nun der Länge nach auf ihm lag. Laut knackte es unter dem Hünen der vornüber in den zarten kahlen Strauch gefallen war. Laub wurde aufgewirbelt und hing nun an den beiden Schülern.
»Nur weil wir allein im Wald sind, musst du nicht die Gunst der Stunde nutzen und über mich herfallen«, brummte der Blauhaarige und stemmte sich etwas auf.
»Entschuldige«, sagte der Rotschopf kleinlaut und lächelte verlegen, als sie von ihm runterstieg. »Ich bin ausversehen auf dem kaputten Knie gehopst. Dieser blöde Zweig«, murrte sie und zog sich im Sitzen endlich den Störenfried aus dem Schuh. In dem Moment tippte Aomine die Fotografin an und deutete auf einen Punkt mitten im Wald, neben einem der Bäume.
Erst sah Kagami-chan nicht auf was er deutete, bis es sich aufbaute. Aus dem Nichts. Wie eine Nebelgestallt nahm es vor den Augen der Schülerin Form an. Wieder zog ein leichter Wind auf, die Blätter begannen sich zu bewegen und stiegen sachte, mit einem leisen Rascheln in den Himmel auf. Eine kleine "Röhre" bildete sich in der das getrocknete Laub leicht umher tanzte und hin und wieder mit viel Fantasie die Form einer Gestalt annahm die vermeidlich im Wald stand.
Fassungslos und auch etwas fasziniert darüber sah sie zu wie die vermeidliche Gestalt die Größe wechselte, je nachdem wie stark der Wind durch den Wald strich. Bis sie wieder Rückstandslos verschwand, nur um wenige Augenblicke wieder Form anzunehmen.
»Ich bin so unfassbar leichtgläubig«, raunte sie und griff sich an den Kopf.
Kommentarlos hatte Aomine sein Handy gezückt und ohne großen Aufwand ein schnelles Foto gemacht. Anschließend zeigte er der Rothaarigen das Bild auf seinem Handy. Es war dem auf Kagami-chans Kamera auffallend ähnlich.
»Du hast Laub fotografiert. Glückwunsch«, sagte Aomine spottend und steckte sein Handy wieder weg.
»Aber ...«
»Nichts "aber". Es ist Laub.«
Das müsste sie Momoi und Kaiou noch erklären. Das ihr "Geisterfoto" nur ein paar getrocknete Blätter waren, die vom Wind aufgewirbelt wurden. Großartig, was für eine Meisterleistung!
Ihr kleines Ich stierte noch immer ungläubig und fassungslos ins Leere. Wieso hatte er ihre Vision zerstört? Ihrem Unterbewusstsein gefiel der Gedanke das sie etwas Unheimliches aufgenommen hatte. Aber er hatte es mit einem kurzen Spaziergang zerstört. Dahin war ihre Hoffnung einen Geist fotografiert zu haben und so zog sich ihr inneres Ich ihr Geisterjäger-outfit wieder aus und verstaute es in einer dunklen Ecke.
»Ich weiß nicht ob ich enttäuscht oder erleichtert sein soll«, gestand die Fotografin etwas wehleidig.
Wortlos hielt Aomine ihr eine Hand hin und half ihr auf die Beine. Sobald sie wieder stand klopfte sie sich den Dreck von der Kleidung und sah noch einmal kopfschüttelnd zu der Stelle, an der sich wie von Geisterhand die Gestalt aus Laub und Staub aufbaute und wieder verschwand.
»Ich bin auch nur durch Zufall auf den Gedanken gekommen, wenn ich ehrlich sein soll«, sagte er.
»Immerhin ist das nun wirklich mal eine Auflösung, mit der ich sogar leben kann.«
Sie gab ihn einen kurzen Klapps gegen den Arm. »Gut gemacht, Sherlock.«
»Fotografier beim nächsten Mal einfach etwas Eindeutigeres.«
»Also, wenn du dich bereit erklären würdest, ... nun ...«, sagte sie gespielt provokativ. »Ich wäre nicht abgeneigt.«
»Du lässt niemals locker, oder?«, fragte er.
»Dämonen werden nicht auf Fotos gebannt, keine Sorge.«
Nun gab er ihr einen leichten Klapps gegen den Arm, den sie mit einem fiesen Kichern hinnahm und ihn weiter frech feixend aus dem Wald folgte.


Wenig später hatte sie bei ihren beiden Freundinnen Kaiou und Momoi Entwarnung gegeben. Diese wirkten nach der Auflösung um das Foto auch ein wenig enttäuscht. Allem voran Kaiou, die sich schon die wildesten Geschichten um die Klassenfahrt ausgedacht hatte und es tatsächlich unter dem Titel: "Drei im Wald, außer Rand und Band" vermerkt hatte. Doch es hatte auch sein Gutes. Trotz des recht magerem Ergebnisses, saß die Azurblauhaarige da und schrieb eifrig drauf los, während ihr der verräterische Wind durch ihr langes Haar fuhr. Zu einer guten Geistergeschichte gehörte es schließlich auch dazu das Unbegreifliche aufzuklären. Und was war spannender als ein Naturphänomen? Und so hatte doch jeder etwas davon. Nun hieß es nur noch die wenige Zeit zu genießen, die ihnen noch blieb. Denn bald würden sie alle wieder die Heimreise antreten und dann gehörte das Anwesen, mit seinem wunderschönen und doch unheimlichen Wald und seiner spannenden Vergangenheit, nur zu einer weiteren schönen Erinnerung.

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