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Ilayda schließt mich in eine feste Umarmung, als ich von der Bühne komme.
Sie und die anderen Kandidaten haben meine Performance natürlich mitverfolgt, denn in unserem Warteraum hängt ein riesiger Bildschirm, auf dem alles live übertragen wird.
„Mir geht es wieder gut, keine Angst", meine ich mit einem halbherzigen Lächeln.
Doch als wir uns hinsetzen und ich realisiere, dass ich als Letzte performt habe und somit die Entscheidung des Publikums und das Online-Voting ansteht, ändert sich das schlagartig.
Normalerweise reden die Juroren über die Auftritte, doch heute haben sie einen Gast – und dieser wird jetzt wohl seine Geschichte erzählen.
„Mein erstes Date."
Harry seufzt, beinahe als wäre es schwer, sich daran zu erinnern.
„Das war lustigerweise genau vor sechs Jahren, als ich beim X-Factor teilgenommen habe."
Er meint mich.
Es gab kein anderes Mädchen, welches Simon in der Zeit in seine Nähe gelassen hätte, der einzige Grund, dass ich Zeit mit den Jungs verbringen konnte, war die Unwissenheit des Managers.
Und die Zeit, in der One Direction nicht bewacht wurde, habe ich mit ihnen verbracht.
Ohne weitere Leute.
„Das könnte jetzt wirklich ausschweifen", warnt Harry glucksend vor.
„Kein Problem, wir haben Zeit", grinst Olly.
„Simon, bitte lasse mich nach diesem Geständnis am Leben", seufzt Harry und widmet sich dann der Geschichte.
Der wahren Geschichte.
„Nach meiner Audition war ich etwas verloren, hatte nichts mehr zu tun, und – ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung mehr, wie das kam – deswegen wurde mir dann spontan London gezeigt, von einem Mädchen, welches mich irgendwie aufgesammelt hat. Wir haben uns gut verstanden, für den nächsten Tag wieder verabredet, und so weiter. Sie hat mir ehrlich gesagt ziemlich mit meinem rasanten Aufstieg geholfen, und mich durchgehend dazu ermutigt, meinen Traum zu verwirklichen. Wir waren die meiste Zeit draußen in London, doch irgendwann hatten wir die Menschen satt und sind zu ihr nach Hause. Ich weiß nicht mal, ob man das als Date bezeichnen kann, sie würde es wahrscheinlich nicht tun, weil nicht viel passiert ist, aber für mich war es durchaus... ein Date."
Es ist still im Saal, jeder verfolgt Harrys Erzählung, sogar die Kamera ruht auf dem Gesicht des Sängers und rührt sich nicht vom Fleck.
„Es war der Tag, an dem ich in One Direction gesteckt wurde, und auch da hat sie mich wieder mal so sehr hochgezogen. Ich hatte früher ein paar schlechte Erfahrungen mit Bands gemacht und die Schuld damals auf mich genommen, und sie hat mich davon überzeugt, dass es immer noch mein Traum ist und es wahrscheinlich nicht mal meine Schuld war. Ich glaube, ich habe nicht sehr überzeugt ausgesehen, denn sie hat dann angefangen, ein Lied zu schreiben. Obwohl sie so unsicher darin war. Wir kannten uns erst wenige Tage, und doch kam es mir in dem Moment so vor, als könne ich ihr mehr vertrauen als allen anderen. Sie hat mir beigebracht, wie man schreibt, ohne mir wirklich zu sagen, was man tun muss. Die Inspiration war auf einmal einfach da."
Harry zuckt mit den Schultern.
„Wir haben das Lied fertig geschrieben, und ich habe sie gebeten, es mir zu schicken. Ich nehme an, dass ihr es ebenfalls kennt. Es heißt Same Mistakes."
Ich muss mich stark zurückhalten, um keine Regung zu zeigen.
Es fühlt sich noch immer so intim an.
„In den Wochen danach hat sie immer mehr Zeit mit mir und den Jungs verbracht, und weil wir damals schon wussten, dass wir ein Album aufnehmen würden, haben wir sie dazu überredet, es mit uns zu schreiben. Sie hat es dann eher alleine gemacht und ist öfters auch durchgedreht, aber es waren wahrscheinlich die besten Wochen meines Lebens. Bis dann der Tag kam, an dem sie das Album fertiggestellt hat und uns offenbart hat, dass sie das nicht weiter machen kann. Damit hat sie mir das Herz gebrochen. Bis zu dem Tag hatte ich immer noch nicht den Mut aufgebracht, ihr zu sagen, was ich fühle – das habe ich bis heute nicht – und dann verschwand sie einfach.
Einzig und alleine ihre Adresse kannte ich noch, sie hatte sich ein neues Handy gekauft, uns quasi gelöscht. Der X-Factor endete also, wir wurden Dritte, tourten und kamen zurück, brauchten ein neues Album. Ich war der Einzige, der überhaupt jemals wirklich geschrieben hatte, und so krochen wir wieder zu ihr, als wir in einer kurzen Pause in London waren. Sie hat uns auch das zweite Album geschrieben, obwohl wir damals auf Tour waren, sie also noch weniger Hilfe hatte. Die Texte hat sie uns damals nicht mehr selbst übergeben, sondern in den Briefkasten geworfen, zusammen mit einem Brief, dass sie nie wieder Lieder schreiben wird und den Kontakt endgültig abbrechen will."
Die entstehende Pause bringt mich beinahe selbst zum Weinen.
Und ich dachte, ich wäre darüber hinweg.
„Simon, unsere geheime Songwriterin MX ist weiblich und dieses Jahr beim X-Factor dabei."


Written In These StarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt