1 - departure

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Es war kalt, nebelverhangen und dunkel, von wegen Sommer, als meine Familie und ich am Flughafen von Dublin ankamen. Das Wetter trübte meine, ohnehin schon schlechte, Stimmung und es herrschte reger Betrieb am Flughafen, trotz der frühen Stunde. Mit zitternden Händen umklammerte ich fest den Griff meines Koffers und sah immer wieder hoffnungsvoll zu meinem Vater. Hoffnung darauf, dass er sich doch gegen den Plan entscheiden würde, mich wegzuschicken. Aber es war wohl vergebens, denn ich hatte meine Stiefmutter Janet noch nie so entschlossen gesehen wie heute. Gemma, meine kleine Schwester, hatte in den letzten Tagen viel geweint, aber mein Vater hatte sie davon überzeugt, dass es für mich das beste sei, etwas Abstand zu gewinnen.

Irgendwo gab ich ihm schon Recht, denn hier, einem Ort voller trauriger Erinnerungen, hielt ich es nicht mehr lange aus. Und wer weiß, vielleicht würde ich dann nicht nur wie jetzt ins rund 400 Kilometer entfernte Doncaster fliegen. Aber auf der anderen Seite, hier war meine Heimat, meine kleine Schwester und ich hätte ohnehin nur noch ein Jahr Schule rumkriegen müssen. Danach wäre vielleicht alles besser geworden. Aber dieses kleine Wörtchen 'vielleicht' hat meinen Vater zu der Entscheidung gebracht, mich zu einer alten Freundin meiner Mutter zu schicken. Sie sollen wohl beste Freundinnen gewesen sein, aber für mich ist sie nur eine weitere Fremde und mein Vater weiß, dass ich definitiv nicht mit Fremden umgehen kann.

Meine Mutter starb vor zwei Jahren und so richtig abgeschlossen hatte ich damit nie. Ich gab mir die Schuld an ihrem Tod, denn wenn ich vielleicht eher zu Hause gewesen wäre, wäre das alles nicht passiert. Mein Vater wollte mich immer wieder zu einem Psychologen schicken, doch was ich wollte fragte er nie. Und als er dann mit seiner neuen Freundin ankam, die er nur wenige Monate danach heiratete, war unser Verhältnis gebrochen. Denn anders als er konnte ich nicht einfach so weiterleben. Ich vermisse meine Mutter, ich brauche meine Mutter und auch wenn das für andere Siebzehnjährige Jungen in meinem Alter wohl nicht so verständlich war, meine Mutter war meine beste Freundin gewesen.

Rund ein halbes Jahr vor ihrem Tod, da war ich gerade vierzehn Jahre alt, vertraute ich ihr an, dass ich wohl nie etwas mit Mädchen anfangen können würde. Ich hatte geweint, da ich unter solchem Druck und Stress stand, da alle anderen aus meiner Klasse die ersten Erfahrungen mit der Liebe sammelten und ich Mädchen einfach nicht anziehend fand, mir dafür lieber die Jungen aus den höheren Klassenstufen anschaute. Meine Mutter hatte mich einfach in den Arm genommen und gesagt, dass es das normalste auf der Welt sei, wenn man einfach lieben möchte, wen man will und das sie mich bei all meinen Entscheidungen unterstützen würde.

Sie war die einzige Person, der ich jemals von meinen Vorlieben für das männliche Geschlecht erzählt hatte. Weder meinem Vater noch meiner kleinen Schwester, aus Angst das sie sich verquatschen könnte, hatte ich etwas gesagt. Und das war wohl auch besser so, denn die neue Frau meines Vaters, konnte mich noch nie so wirklich leiden, weshalb ich auch davon ausgehe, dass sie es sofort unterstützt hat, als klar wurde, das ich aus Dublin raus muss, um wieder mit meinem Leben klar zu kommen. Ich war noch immer skeptisch, ob das wirklich funktionieren würde, schließlich waren die Gedanken tief in meinem Kopf verankert und würden sicher nicht so schnell verschwinden.

,,Komm Harry, beeil dich etwas", rief Janet, die mit meinem Vater Desmond schon etwas weiter vorne lief, während ich einfach nur lustlos hinterher geschlurft war. Gemma, die drei Jahre jünger war als ich, hatte sich meine Hand geschnappt und schien sie auch nicht mehr loslassen zu wollen. Ich lächelte sie tapfer an und drückte ihre Hand leicht. Ihr schien das alles noch schwerer zu fallen als mir. Nachdem ich eingecheckt und meinen Koffer mit den nötigsten Sachen abgegeben hatte, da mir der Rest von meiner Familie zugeschickt werden würde, war es Zeit Abschied zu nehmen. Denn als nächstes müsste ich durch die Sicherheitskontrolle und da war ich auf mich allein gestellt.

Ich kniete mich runter zu Gemma, die wieder angefangen hatte zu weinen und drückte sie fest an mich. ,,Ich ruf dich sofort an, sobald ich gelandet bin, okay? Und bis die Sommerferien vorbei sind können wir ja auch noch jeden Tag skypen", sagte ich, versuchte sie damit zu beruhigen, da ich sie nicht weinen sehen konnte. Sie nickte tapfer, weshalb ich ihr schwach lächelnd einen Kuss auf die Stirn drückte. ,,Du kommst doch wieder, oder?" Aus ihren Knopfaugen sah sie mich hoffnungsvoll an. ,,Natürlich, nichtmal 365 Tage, dann bin ich wieder da." Da konnte ich ja noch nicht ahnen, wie sehr die Tage in Doncaster mein Leben verändern würden.

Zunächst umarmte ich für wenige Sekunden Janet und dann für etwas länger meinen Vater. ,,Johannah ist ganz nett, eine liebenswürdige Frau. Anne und sie waren seit der High School die besten Freunde. Du wirst das schon schaffen Harry, die neue Umgebung wird dir gut tun." Er schenkte mir ein Lächeln und überreichte mir meinen Rucksack, den er bis gerade eben getragen hatte. ,,Danke", meinte ich, umarmte Gemma nochmal und kehrte meiner Familie dann den Rücken, um den Sicherheitscheck zu durchqueren.

Früher hatte meine Mutter mir viel von Johannah erzählt, nannte sie dabei Jay und hatte übers ganze Gesicht gestrahlt. Ich wusste, dass Johannah verheiratet war mit einem Mann namens Daniel und das die beiden wohl auch einen Sohn in meinem Alter hatten, Lewis wenn ich mich nicht irre. Mama wollte immer, dass wir sie mal besuchen, doch leider kam es zeitlich nie dazu, weshalb sie wirklich einfach nur Fremde für mich waren, die ich aus Erzählungen kannte. Nach dem Tod meiner Mutter hatte dann mein Vater wieder den Kontakt mit Jay gesucht und ihr von meinen Problemen erzählt, weshalb sie sich sofort bereit erklärte mich aufzunehmen, wenn ich mal eine Auszeit bräuchte. Naja und nun war es eben soweit.

Zum Glück gab es keine Probleme beim Sicherheitscheck, weshalb ich so zum Boarding weitergehen konnte. Ich war schon etwas spät dran, einer der Letzten, der das Flugzeug betrat, doch ich lächelte einfach nur höflich und hoffte, das es sich damit getan hätte. Mit meinem Platz hatte ich, zu meinem Erstaunen, sogar ziemlich Glück. Ich saß am Fenster und vor, neben und hinter mir waren weit und breit keine Kinder zu sehen. Dennoch holte ich sogleich mein Handy mitsamt meinen Kopfhörern hervor und versuchte mit meiner Lieblingsmusik die nächste Stunde Flug zu überleben.

Sorgen, wie ich Johannah am Flughafen erkennen sollte, würde ich mir später machen, denn jetzt wollte ich eigentlich nichts lieber, als einfach zu vergessen, was ich mit dem Abheben des Flugzeuges alles hinter mir lasse. Ich seufzte schwer, versuchte tief durchzuatmen, um meine Tränen zu unterdrücken und nahm mir eines vor, sobald ich gleich in Doncaster landen würde. Wie meine Mutter immer gesagt hatte:,,Wenn jemandem dein Schweigen nichts sagt, dann sind auch deine Worte nutzlos."

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Hi & willkommen bei einer weiteren neuen Story von mir. Ich hoffe ihr konntet mit diesem ersten Kapitel einen kleinen Einblick bekommen. Es würde mich freuen, wenn euch diese Idee gefällt und mir vielleicht ein wenig Feedback da lasst x
Ich versuche, Harrys Gedanken so klar und deutlich wie möglich zu beschreiben, beziehe dabei auch eigene Erfahrungen mit ein, damit es nicht unrealistisch werden kann.
Dabei danke ich auch an dieser Stelle jealouis für das tolle Cover❣

Lasst mir doch ein paar Vermutungen da, was denkt ihr, wie das erste Treffen von Harry und Louis verläuft?
All the love xx

Lovely Silence - Larry Stylinson Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt