Kapitel 20

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Mel
Ich folgte Simon so schnell, wie meine Beine es zuließen, und mit jedem Schritt kam mir die Umgebung bekannter vor. Tobias stieß mit einer Decke unter dem Arm zu uns und reichte sie mir.

"Ich hoffe, du hast mehr Erfolg als wir, ich weiß nicht, wie lange sie schon so da liegt."

Ich nickte und lief weiter, die Zwillinge blieben zurück.

Ich erkannte den Baumstamm auf der kleinen Lichtung sofort. Doch genauso schnell hatte ich meine Gefährtin entdeckt und keuchte auf, bei ihrem Anblick.

Sie war noch größtenteils ein Wolf, doch das Fell war nahezu vollständig verschwunden und die Haut sah ungesund rot aus, vereinzelt blutete sie aus offenen Stellen, als hätte ihre Haut dem Druck der Wandlung nicht mehr standgehalten. Ihre Augen waren zusammengepresst und ihr Körper wurde immer wieder von Schaudern durchgerüttelt, ihr Atem kam nur stoßweise und klang pfeifend.

Mir stiegen Tränen in die Augen und ich schlug mir die Hand vor den Mund, um die Übelkeit zurückzudrängen. Ich atmete durch und trat dann langsam näher, die Decke legte ich etwas entfernt auf den Boden.

"Luna."

Sofort begann sie erstickt zu knurren, es sah verdammt schmerzhaft aus und ihr Körper zitterte noch mehr. Dennoch trat ich näher und ging neben ihr in die Knie.

"Ich bin hier. Hörst du? Ich bin bei dir!" Ich machte mir nicht die Mühe, die Tränen von meinem Wangen zu wischen. "Beruhige dich, bitte", schluchzte ich.

Tatsächlich verstummte sie und öffnete ihre Augen einen Spalt. Ich wusste, dass sie mich in diesem Zustand nicht bewusst wahrnehmen konnte, doch sie musste spüren, dass ich es war.

Obwohl ich wusste, dass es riskant war, konnte ich meine Gefährtin nicht länger leiden lassen. Ich musste ihr doch helfen.

Ich konzentrierte mich auf meine Energie, die Jenna mir beigebracht hatte, zu spüren. Wenn ich Luna Energie schenkte, konnte sie vielleicht die Wandlung vollenden. Doch dafür musste ich sie berühren.

Also legte ich meine Hände auf ihre Schulter und ihre Rippen. Bereits im nächsten Augenblick spürte ich das Stechen in meinem linken Unterarm und stöhnte auf vor Schmerz. Dennoch ließ ich nicht los und bemühte mich, den Energiefluss anzuschieben.

"Komm schon, hilf mit", flehte ich und biss die Zähne zusammen. Ich seufzte etwas, als ihre Kiefer sich von meinem Arm lösten und ihr Kopf schwer wieder zu Boden sank. Nachdem der Anfang geschafft war, konnte ich den Austausch unserer Energien beinahe mit Leichtigkeit steuern und ließ meine Hände auf der wunden Haut meiner Freundin verweilen, bis ich spürte, dass ihre Knochen knackend und ruckend ihre Stellung veränderten.

Ich wich etwas zurück, blieb aber nah genug, um notfalls wieder eingreifen zu können. Hautschicht um Hautschicht bildete sich und die Gliedmaßen fanden ihre natürliche Anordnung. Das Gesicht meiner Wolfsfreundin wurde runder und flacher, die Nase bildete sich aus und die Lippen blieben leicht geöffnet.
Es war eine grausame Schönheit, die ich beobachten durfte.

Lunas Körper wurde noch immer von Schaudern durchzogen und ihre Brustkorb hob sich schnell. Zu schnell, meiner Ansicht nach.

"Luna", brachte ich leise über meine Lippen und strich mir nun doch mit dem Ärmel über mein Gesicht. Egal, was in den letzten Wochen vorgefallen war, ich liebte sie über alles und wusste, dass ich sie nie wieder so leiden sehen wollte. Würde ich sie verlieren, könnte ich nicht weiter leben. Ohne sie hatte mein Leben keinen Sinn.

"Mel", hörte ich das schwache Flüstern und rutschte sofort näher an sie heran, ohne sie zu berühren. Ich wollte sie nicht verletzen.

"Ich bin hier." Ich konnte das Schluchzen nicht unterdrücken. Ihre Augenlider flatterten, bevor sie mich halbwegs fokussiert anblickte. Doch schon im nächsten Moment waren sie wieder geschlossen.

"G-geh nicht weg." Ihre Stimme klang, als hätte sie seit Jahren nicht geredet und die Schmerzen waren herauszuhören. Obwohl sie es nicht sehen konnte, schüttelte ich den Kopf. Ich griff mit der unverletzten Hand nach der Decke, legte sie sachte über ihren zitternden und ausgelaugten Körper und ignorierte dabei die kleinen Pfützen aus Blut.

"Ich bin bei dir. Wir gehören doch zusammen." Ich murmelte ihr die Worte leise ins Ohr, doch am liebsten hätte ich es laut hinaus geschrien. Nichts durfte uns trennen. Ich brauchte sie so sehr.

"N-näher", hauchte sie und ich sah es als Erlaubnis, sie in meine Arme zu schließen.

Vorsichtig beugte ich mich zu ihr runter und legte meinen rechten Arm über ihre Schulter und meine Stirn in ihre Halsbeuge, wo ich tief ihren Geruch einatmete. Mit der Hand strich ich ihr beruhigend durch die Haare, den linken Arm hielt ich fest an meinen Bauch gedrückt.

"Keine Sorge, ich lass dich nicht mehr allein. Ich liebe dich, Luna."

~ ~ ~

Luna
Ich konnte ihre Tränen an meinem Hals spüren. Hätte ich noch genügend Kraft übrig, würde ich jetzt auch weinen, vor Schmerz und vor Erleichterung. Doch mein Körper war vollkommen entkräftet. Ich konnte lediglich Luft in meine Lungen aufnehmen und selbst das fiel mir schwer.

Das war das schlimmste Erlebnis meines Lebens. Ich wusste nicht, wie lang ich auf dem Boden gelegen hatte und einfach nur diesen alles ausblendenden Schmerz ertragen konnte, doch es hatte sich wie eine Ewigkeit angefühlt.

Nun spürte ich nur tiefe Erleichterung und Dankbarkeit.

Mels Nähe hatte mir die Kraft gegeben, den Kampf nicht aufzugeben. Sie hatte mein Leben gerettet, da war ich mir sicher.

Ich empfing den süßen, stechenden Schmerz, der von ihren Berührungen ausging, mit Freude, denn ich konnte ihre Verzweiflung spüren. Die Angst, die sie um mich gehabt hatte. Ich konnte unsere Bindung wieder fühlen. Und ich genoss die Wärme, die sie mir gerade schenkte, trotz allem, was zwischen uns stand. Ich spürte ihre Liebe.

~ ~ ~

Hey, ihr Lieben!

Ich habe eben durch Zufall gesehen, dass ich das letzte Kapitel letzten Sonntag hochgeladen hatte und habe entschieden, meinen alten Rhythmus wieder aufzunehmen. Ich werde versuchen, wieder jeden Sonntag ein Kapitel hochzuladen.

Aber macht euch bitte trotzdem nicht zu viele Hoffnungen ^^'

Ich werde aber mein Bestes geben.

Ich wünsche einen schönen dritten Advent!

LG SerenaTopas

Wolfsbrut - Die Gefährtin (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt