Wolfsbrut - Die Gefährtin (gxg)

Kapitel 28

Mel
"Du solltest dich lieber konzentrieren, als die ganze Zeit an sie zu denken", riet Sina mir.

Sie hatte ihre Prüfung gerade hinter sich gebracht und ich war die nächste. Meine Gedanken waren tatsächlich die ganze Zeit über bei Luna.

Dass Sina Gedanken empfangen konnte, ist an diesem Morgen recht schnell klar geworden, denn sie hatte mich aus einem Albtraum geweckt und gefragt, welcher Schatten die Welpen bedrohen würde, von denen ich geträumt hatte. Ohne, dass ich es wirklich gewollt hatte, hatte ich ihr die gesamte Geschichte erzählt.

Ich hatte noch vor dem Frühstück Cathy angerufen, um mich zu versichern, dass es Luna gut ging und es wirklich nur ein Traum gewesen war.

"Los, du bist dran", raunte Sina mir zu und schob mich auf die Tür zu.

- - -

"Melanie, alles okay bei dir?" Cathy klang besorgt.

"Ja, die Prüfung lief echt gut. Wie geht es ihr?"

"Sie braucht dich, aber sie wird durchhalten. Wie geht es dir? Du klingst erschöpft."

Ich spürte ein Lächeln auf meinen Lippen. Es war schön, dass sie sich um mich genauso sorgte, wie um ihre eigene Tochter.

"Es geht schon."

"Du brauchst sie auch." Sie sagte nicht, dass ich schlecht log, aber ich verstand es auch so.

"Kann ich mit ihr sprechen?"

Als Cathy zögerte, wusste ich, dass etwas nicht stimmte.

"Was ist passiert?"

Lunas Mutter seufzte, bevor sie leise antwortete. "Sie streift durch den Wald."

Mein Magen zog sich unangenehm zusammen.

"Allein?" Es war eher eine Feststellung und ich seufzte, als Cathy meine Vermutung bestätigte.

"Aber sie wird zurück kommen, ihr Instinkt treibt sie in die Sicherheit ihres Rudels, ihrer Familie. Morgen wird sie in die Höhle ziehen und die restlichen Tage bis zur Geburt abwarten."

Cathy versuchte mich zu beruhigen, doch ein bitterer Nachgeschmack blieb, als ich schließlich auflegte.

~ ~ ~

Luna
Sie würde nicht rechtzeitig wiederkommen.

Unsere Jungen würden nicht mehr lang warten.

Sie konnte es nicht schaffen.

Das Ziehen in meiner Brust erinnerte mich stetig an die Entfernung zwischen uns. Schneller. Ich musste schneller laufen. Ich rannte zwischen den Bäumen hindurch, sprang über das Unterholz und genoss die Stille der Dunkelheit.

In mir herrschte solche Unruhe, dass ich den gesamten Tag über nicht einen Moment still liegen konnte. Ich hoffte, dass körperliche Erschöpfung zu einer ruhigen Nacht führen würde.

Ich vermisste Mels Stimme. Sie sollte mir sagen, dass alles gut werden würde. Sie sollte bei mir sein.

Ich brach aus dem Wald heraus auf eine kleine Lichtung, der Vollmond schien herab, kalt und beständig. Es fühlte sich an, als hätte ich den richtigen Ort gefunden. Ich rollte mich neben einem umgestürzten Baumstamm zusammen und hatte für einen Moment das Gefühl, Mels Geruch direkt neben mir wahrnehmen zu können.

Hier hatte Mel mein Geheimnis erfahren. Hier hatte alles so richtig angefangen.

Unsere Welpen sollten gesund auf die Welt kommen. Ich wusste nicht, ob meine Kraft ausreichen würde und das machte mir Angst.

Das helle Licht des Mondes beruhigte mich etwas, gab mir Sicherheit. Müde schloss ich die Augen und versuchte, für meine Jungen stark zu sein.

~ ~ ~

Mel
Es fühlte sich falsch an. Alles war aus dem Gleichgewicht geraten.

Den Vormittag über hatte ich keine Ruhe gefunden, in meinem Brustkorb spürte ich ein unangenehmes Ziehen. Prüfungen hin oder her, ich musste zurück.

"Richtig so! Kämpfe für die Liebe!"

Mit hochgezogener Augenbraue drehte ich mich zu Sina um, ich hatte sie nicht kommen hören. Sie war wieder durchscheinend.

"Was denn? Ich find das echt mutig von dir", rechtfertigte sie sich und schmollte etwas. Ich lächelte und neigte den Kopf, vermutlich hatte sie Recht. Außerdem war ich ihr etwas schuldig, denn sie war meine Partnerin für die nächste praktische Prüfung und würde wegen mir verlieren. Allein hatte sie keine Chance gegen die anderen.

"Mach dir darüber keine Gedanken, ich krieg das schon hin. Jetzt geh lieber los und erkläre das den Veranstaltern."

So ganz gewöhnen an dieses Gedankenlesen würde ich mich wohl nicht. Ich nickte ihr dankbar zu und lächelte.

Entschlossen begab ich mich daraufhin zum Raum der Professoren.