Kapitel 2

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Inzwischen hatte auch der seltsame Typ bemerkt, dass ich nicht mehr im Auto saß und die Wagentür klapperte.

Er hatte sich zur leeren Rückbank umgedreht. Doch diese zwei Sekunden hätte er besser dazu genutzt, um auf die Straße zu achten, von der er inzwischen abgekommen war. Das Auto bretterte zielsicher in den nächsten Baum.

Diese Zeit nutzte ich, um um Hilfe zu schreien, doch die anderen Autos fuhren alle achtlos weiter.

Ich zog mir den Schuh wieder an, der sich kurioserweise auf dem Mittelstreifen befand und rannte los in ein Maisfeld, das in der Nähe war.

Meine Knie schmerzten noch vom Aufprall auf den Boden, dennoch versuchte ich, vorwärts zu kommen. Der Kerl durfte mich auf keinen Fall kriegen.

Ich drehte mich um und sah den Typen, der mich gefahren hatte.

Er war scheinbar unverletzt und versuchte, mich einzuholen.

Nach ein paar humpelnden Schritten hatte er das geschafft und drückte mich zu Boden.

,,Lass mich los, du kleiner Hurensohn! HILFE! HILFE! Er will mich vergewaltigen!", schrie ich mit vor Angst kratziger Stimme. Panisch riss der Mann an meinen langen Haaren, so sehr, dass mein Kopf fast auf meinen Schulterblättern lag und mein Nacken schmerzhaft knackte.

Sofort wurde es wieder schwarz vor meinen angsterfüllten Augen.

Ich fand mich in dem Maisfeld wieder, in dem ich mich zuvor sicher gewähnt hatte.

Zuerst glaubte ich, der Freund meiner Feinde wäre einfach wieder gegangen, ohne mich zu vergewaltigen, doch es war immer noch schummrig vor meinen Augen. Meine Armbeuge tat weh; als ich sie betrachtete, sah ich ein Einstichloch, er hatte mir bestimmt irgendwas eingespritzt, um mich gehorsam zu machen.

Mir war total kalt, kein Wunder irgendwie, da ich nur in Unterwäsche hier herumsaß.

Inzwischen dämmerte es, ich hatte keine Ahnung, wieviel Uhr es war oder wie lange ich bei ihm gewesen war. Und eigentlich wollte ich es auch gar nicht wissen.

Kriechend näherte ich mich wieder der Straße.

Ich streckte meinen Daumen heraus, der wie der Rest meines Körpers voller Kratzer war.

Irgendwann, nach gefühlten Stunden, hielt ein fliederfarbener Smart vor mir, in dem eine circa siebzigjährige alte Frau saß. Sie kurbelte ihr Fenster herunter und musterte mich, schließlich sagte sie entsetzt: ,,Kindchen, wo sind denn deine Klamotten... und warum bist du voller Blut?! Bist du verletzt? Wurdest du ausgeraubt?"

Ich wünschte, man hätte mich nur ausgeraubt, dachte ich.

,,Ähm, ja, ich wollte per Anhalter fahren, aber der Typ hat mir mein Handy und mein Geld geklaut und mich aus dem Wagen geschubst..."

Wieder dieser mitleidige Blick der alten Dame. ,,Steig ein, Schätzchen, ich fahre dich ins Krankenhaus!"

Sie wusste allem Anschein nach, dass ich das alles nur erfunden hatte. ,,Na komm!" ,,Ich weiß nicht...", entgegnete ich. ,,Ich möchte dir nichts Schlimmes, bitte komm!"

Ich hatte das schon viel zu oft gehört. ,,Ich möchte nicht ins Krankenhaus, mir geht es gut..." ,,Ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht." Sie wusste gar nichts.

Trotzdem stieg ich ein, aus dem einfachen Grund, dass ich keine andere Wahl hatte, weil mich sonst niemand mitnehmen würde. ,,Bitte, ich... fahren Sie mich einfach nach Hause..."

Ich nannte ihr meine Adresse und sie fuhr los. ,,Nimm dir einen Pullover aus der Tüte im Fußraum, das sind Spenden für den Gemeindebasar morgen."

,,Vielen Dank", sagte ich und nahm mir einen der Pullis aus der großen Tüte.

Als ich mit dem linken Arm versehentlich an etwas Hartes stieß, während ich mir das Kleidungsstück, das mich sofort zu wärmen begann, anzog, sah ich auf. Dort hing, mit einem Lederband am Rückspiegel befestigt, ein braunes Kreuz aus dunklem Holz. Wow, die Frau ist ganz schön gläubig, dachte ich mir verwundert.

Ich selbst glaubte überhaupt nicht an Gott oder irgendein höheres Wesen. Ich blieb lieber beim Urknall.

Doch bevor ich noch näher darüber nachgrübeln konnte, sprach mich die Frau an.

,,Ich bin übrigens Frau Holzner, aber nenn mich doch bitte Erna. Und wie heißt du?"

Ich überlegte kurz, entschied mich dann aber dagegen, einer Wildfremden meinen richtigen Namen zu sagen.

Genau so hatte Steffen auch angefangen. Er hatte mir schöne Dinge geschenkt und war unheimlich nett zu mir.

Auf sowas würde ich nicht nochmal reinfallen.

,,Ich heiß Maya", log ich.

Wieder einmal wurde mir bewusst, was für eine schlechte Lügnerin ich war, als Erna mich zweifelnd ansah, sich dann aber ohne ein weiteres Wort der Straße zuwandte.

Ich sah aus dem Fenster, hatte aber keine Ahnung, wo wir gerade waren oder wie lange es noch in Etwa dauern würde.

Ich hatte jedoch auch einen Großteil der Hinfahrt schlafend verbracht, weshalb ich mich also nicht wundern musste.

Gerade, als ich es in Betracht zog, mich einfach wieder in den Schlaf zu stürzen, sagte Erna verunsichert: ,,So, da wären wir."

Bestürzt sah ich auf.

Das war nicht mein Zuhause. Das war ein verficktes Krankenhaus!

FuckedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt