Kapitel 18

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"Der Psychiater wartet um 3Uhr auf dich. Ich weiß, dass du keine Bitch bist." stand auf einem kleinen Zettel von Tristan, direkt neben meinem Platz.
So ein Wichser, dachte ich.

Er glaubte anscheinend sehr viel von mir zu wissen. Ich war also noch ein kleines Mädchen und keine Bitch... Ich hatte immer noch keinen Hunger und so stand ich wieder auf. An meinem Shirt klebte immer noch Blut. Ich war ein ekelhafter Mensch geworden und ich hasste mich dafür.

Ich zog mir das erstbeste Shirt an, das meine Brust komplett über deckte, nachdem ich aus der Dusche gestiegen war und meine Haare gewaschen hatte. Ich blickte in den Spiegel und sah ein Mädchen mit nassen Haaren, dunklen Augenringen und gelblich verfärbten Zähnen. Ich sah krank und ausgemergelt aus.

Ich hasste, was ich sah. Das war nicht ich, ich war nur eine schlechtere Version von mir geworden... Da ich kaum meine Augen offen halten konnte, beschloss ich, mir einen Kaffee zu machen. In der Küche traf ich auf meine Mutter, die gerade dabei war, eine Kopfschmerztablette mit einem Glas Wein herunterzuspülen. In dieser Familie schien man ein Gespür für gesunde Ernährung zu haben...

"Du siehst echt nicht gut aus", bemerkte sie. Mit einem "gleichfalls" und einem Kaffee in der Hand verschwand ich wieder in mein Zimmer. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass es schon halb eins war. Gleich müsste ich zu diesem scheiß Psychiater gehen und mir "helfen" lassen.
Auf einmal platzte Tristan herein: "Wir müssen los."

Eine halbe Stunde später saß ich im Wartezimmer und mir wurde kotzübel. Alles drehte sich und mein Herz schlug immer schneller. An meiner Stirn liefen ein paar Schweißtropfen herunter. Scheiße, was passiert mit mir?!

Ich stand auf, um die Toilette zu suchen, doch sofort flimmerte es vor meinen Augen. Ich drehte mich wieder zum Stuhl um, um nicht umzukippen, packte ruckartig an den Griff. Meine Hand schien unnormal groß und dick. Bin ich etwa in einem Albtraum?! Schlafe ich noch?

Ich versuchte meine Augen immer wieder auf und zu zu machen, um aus dem Albtraum zu entkommen. Mein Atem wurde immer lauter, sodass irgendwann alle anderen Geräusche um mich herum verschwanden. Hyperventilierte ich? Ich versuchte, langsam auszuatmen, um mich zu beruhigen, doch das kontrollierte Atmen ging wieder ins Schnappatmen über.

Innerlich schrie ich um Hilfe. Ich blickte mich um, es war, als befände ich mich in einem Film, ich war physisch da, aber mit meinem Kopf nicht. Das neue Gefühl löste Panik in mir aus. Schließlich entdeckte ich das Toilettenschild. Ich steuerte mit lauter und bedrohlicher werdendem Atem darauf zu. Ich hatte mich noch nie so seltsam gefühlt... alles, was ich wollte, war, Zuhause sein zu können.

Ich drückte zittrig und mit Schweiß überlaufen die Türklinke herunter. Mir war verdammt heiß, ich wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser und blickte in den Spiegel.

Hinter mir stand Steffen.

Ich schrie vor Schreck und drückte mir selbst die Hand vor den Mund. Als ich wieder aufsah, war er weg. Ich trocknete mein Gesicht ab, mir wurde allmählich wieder normal zumute. Was war das gerade gewesen? Steffen konnte doch niemals hier sein! Ich hatte ihn dennoch gesehen...

Ich band mir die Haare neu zusammen und setzte mich draußen erneut auf einen der Stühle. Der Schwindel war weg, meinen Hände sahen wieder aus wie immer. Eine Frau kam auf mich zu: "Ist alles okay bei Ihnen?" "Ich ähm... mir war kurz schwindelig, aber es geht schon wieder, danke", antwortete ich und versuchte zu lächeln.

Die Frau ging wieder an die Rezeption, kurze Zeit später wurde ich aufgerufen. Ich fing sofort an zu zittern und mein Herz klopfte wieder schneller, aber diesmal vor Aufregung. Als ich das Zimmer betrat, wies mir der Mann, der anscheinend der Therapeut war, einen Sessel zu. Vorsichtig ging ich in Richtung des Sessels, der Mann sprang sofort auf und stellte mir einen Hocker für meinen Fuß hin.

"Danke", flüsterte ich und setzte mich. "Na dann erzähl mal, Hannah." Was sollte ich erzählen? Da gab es nichts, was einen fremden Menschen etwas angehen würde. Er schien meine Verwirrung sogleich zu bemerken und fragte: "Wieso bist du hier?" Diese Frage war einfach.

"Mein Bruder wollte es so." "Gut und wieso dachte dein Bruder, es würde dir helfen, hierhin zu gehen?", fragte er weiter. Ich schwieg, also versuchte er es wieder: "Dein Bruder hat mir erzählt, dass es Dinge gäbe, über die du mit ihm nicht reden könntest..." Wieder schwieg ich. Wenn er die Antwort schon kannte, wieso hatte er dann überhaupt gefragt?

"Du musst nicht gleich darüber sprechen", sagte er. "Du könntest mir zuerst etwas über dich erzählen."

FuckedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt